Hochwasser in Bayern:Ude wirft Seehofer "Hochwassertourismus" vor

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am Dienstag in der Innenstadt von Passau. (Foto: dpa)

Sind Besuche in überschwemmten Gebieten die "Pflicht eines Politikers" oder bloß "Hochwassertourismus"? Die politische Aufarbeitung der Flut im bayerischen Landtag ist von Wahlkampf geprägt. Freie-Wähler-Chef Aiwanger moniert das Krisenmanagment der Regierung, Bürger hätten sich um Sandsäcke prügeln müssen.

Von Frank Müller und Christian Sebald

Das Wasser ist noch längst nicht weg, da steigt schon der Erregungspegel in der bayerischen Politik. Die Aufarbeitung der Flut wurde am Dienstag unter anderem bestimmt von einem Zusammenprall der beiden Spitzenkandidaten Horst Seehofer (CSU) und Christian Ude (SPD). Ude hatte Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) indirekt für ihre Auftritte im Krisengebiet angegriffen. "Ich mache keinen Wahlkampf mit dem Leid bedrängter Menschen und keinen störenden Hochwassertourismus", schrieb Ude nach dem Treffen von Merkel und Seehofer in Passau. Deswegen, so Ude: "keine Fotos von mir in Gummistiefeln".

Seehofer gab im Landtag umgehend Kontra, ebenfalls ohne seinen Herausforderer beim Namen zu nennen. Es sei "leider notwendig geworden, auch Selbstverständlichkeiten zu begründen", sagte er nach seinen Auftritten in Gummistiefeln und Regenjacke. "Ich halte diese Besuche für die Pflicht eines Politikers", fügte Seehofer hinzu, um die "sehr sehr bedrückende Situation" in den Hochwassergebieten einschätzen zu können. "In aller Ruhe und mit trockenen Füßen unter dem Schreibtisch kann man das nicht beurteilen."

Ude erklärte, er habe Feuerwehrpersonal und technisches Gerät aus München nach Rosenheim und Passau gesandt. Das sei ihm wichtiger, als selbst in Flutgebieten aufzutreten. Seehofer verwies dagegen darauf, dass bei allen Terminen von ihm und Kabinettsmitgliedern Abgeordnete aller Fraktionen teilgenommen hätten. Die Staatskanzlei habe dies stets mit den Einsatzleitungen abgestimmt. "Ich kann Ihnen nur sagen, die Bevölkerung ist dankbar für diese Besuche", sagte Seehofer. Er bedankte sich bei Merkel und bei Bundespräsident Joachim Gauck, der den Bayern seine Solidarität versichert habe.

Aiwanger: "Die Leute haben sich um die Sandsäcke geprügelt"

Vordringlich sei nun rasche, unbürokratische und großzügige Unterstützung. Die Frage, "was ist schnell und unbürokratisch", sei nun eine Denksportaufgabe für seine Minister, sagte Seehofer. Bayern will für die Flutopfer 150 Millionen Euro zur Verfügung stellen und hofft außerdem auf einen größeren Anteil an den 100 Millionen, die Merkel zusätzlich aus Bundesmitteln versprach. Für jeden Länder-Euro fließe einer aus dem Bundeshaushalt. Seehofer bezeichnete diese Grenze als einen "atmenden Deckel, der gelüftet werden kann" - mehr Mittel würden also, falls notwendig, zur Verfügung gestellt. Ein Teil davon solle in einen "Feuerwehrfonds" als Sofortunterstützung fließen, sagte Seehofer. "Schnelle Hilfe ist die wirksamste Hilfe."

Im Plenum gab es viel Lob für alle ehrenamtlichen und professionellen Helfer und die Behörden. Die Menschen hätten sich gegenseitig geholfen, sagte Vize-Regierungschef Martin Zeil (FDP). "Da zeigt sich, dass Bayern eben zusammenhält." Seehofer sagte: "Wir haben beim Umgang mit dieser Katastrophe allen Grund, auf die bayerische Bevölkerung stolz zu sein."

Kritik kam allerdings von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der selbst nach Passau gefahren war. Ladenbesitzer seien nicht rechtzeitig vor den Fluten gewarnt worden, außerdem habe es nicht genügend Hilfsmittel gegeben, so "dass sich die Leute buchstäblich um die Sandsäcke geprügelt haben", sagte Aiwanger. Nun müssten rasche Zahlungen sicherstellen, "dass die Firma nicht pleite ist, bevor die Hilfe eintrifft". Bayern müsse sich nun darauf einrichten, "dass wir Hochwassersituationen wie jetzt theoretisch jedes Jahr bekommen können". Deswegen dürfe auch die Bundeswehr nicht weiter verkleinert werden.

Auch Seehofer räumte ein, dass der Hochwasserschutz noch verbessert werden müsse. Zwar sei seit dem Pfingsthochwasser 1999 massiv investiert worden, von den zur Verfügung stehenden 2,3 Milliarden Euro seien 1,6 Milliarden abgerufen worden. Das bis 2020 laufende Ausbauprogramm aber "kann und muss ehrgeiziger werden", forderte Seehofer.

Der Ministerpräsident rief das Parlament auf, noch mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Er rechtfertigte dabei auch seinen Einsatz für einen sanften Donauausbau. Dieser ermögliche einen raschen Hochwasserschutz. Seehofer verlangte auch neue rechtliche Grundlagen für den Fall, dass private Eigentümer Schutzprojekte blockieren. Dazu werde es eine Initiative geben, kündigte Seehofer an.

"Kein Deich gewährleistet einen hundertprozentigen Schutz"

Grünen-Umweltsprecher Christian Magerl forderte ebenfalls: "Gemeinwohl muss vor Eigensinn gehen." Seehofer klatschte dazu Beifall. Magerl sagte auch, die bisher eingeplanten Mittel würden nicht reichen: "Wir werden wahrscheinlich mit einem mehrfachen Milliardenschaden in Bayern konfrontiert sein."

Derweil üben auch Umweltverbände wie der WWF und der Bund Naturschutz (BN) Kritik an der Hochwasserschutz-Politik des Freistaats. Seit den großen Hochwassern Anfang der 2000er Jahre habe man überall nur Dämme und Deiche modernisiert und erhöht, erklärt der Hochwasser-Experte des WWF, Georg Rast. Nach wie vor gebe es viel zu wenige Rückhalteflächen, auf die bei einer Flut die Wassermassen abgeleitet werden können. "Kein Deich gewährleistet einen hundertprozentigen Schutz. Sie verringern nur die Symptome, bekämpfen aber nicht die Ursache", sagt Rast, "denn die Flüsse sind immer noch in ein gefährliches und unnatürliches Korsett gezwängt."

Für den BN-Chef Hubert Weiger ist es ein besonderes Ärgernis, dass viele Kommunen in Überschwemmungsgebieten nach wie vor Baugebiete ausweisen. "Damit muss endlich Schluss sein", sagt Weiger, der sich in dieser Frage einig weiß mit sämtlichen Fachleuten an den Wasserwirtschaftsämtern draußen im Land. "Da werden nur immer neue Schadenspotenziale geschaffen, für die später die Allgemeinheit einstehen muss." Deshalb müssten endlich sehr viel mehr Dämme und Deiche in ihr Hinterland zurückverlegt werden, damit die Gewässer bei Hochwasser wieder mehr Platz haben.

© SZ vom 05.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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