Wirtschaft:Hochseilgärten: Der Weltmarktführer kommt aus Lenggries

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Wie funktioniert ein Hochseilgarten? Die von Kristallturm alle ähnlich: Der Grundriss ist ein Hexagon, der Rest sind frei kombinierbare Bauteile. (Foto: Kristallturm)

Österreich, Nigeria oder sogar auf Kreuzfahrtschiffen: Die Firma Kristallturm entwirft und installiert weltweit Hochseilgärten. Das Unternehmen ist auf dem globalen Markt praktisch ohne Konkurrenz.

Von Maximilian Gerl

Wo Action entsteht, herrscht Totenstille. Die Halle ist wie ausgestorben. Latten aus Lärchenholz lehnen an der Wand, Werkzeug hängt daneben, keine Sägespäne am Boden. Eigentlich arbeiten hier acht Zimmerer, aber "es sind viele auf Montage", sagt Sara Kern. Es klingt fast entschuldigend. Dabei ist die Leere ein gutes Zeichen, schließlich verdienen die Zimmerer hier mit einem ungewöhnlichen Auftrag ihr Geld. Sie bauen Treppen, Plattformen und Hindernisse, die mal mehrere Meter über dem Boden hängen - damit Abenteuerlustige sich austoben können.

Die Firma Kristallturm aus Lenggries betreibt ein Nischengeschäft: Sie entwirft, plant und baut Hochseilgärten, dazu Kletterwände, Spielplätze, Fitnessparcours. Der Jahresumsatz lag zuletzt bei rund 4,5 Millionen Euro. Das reicht, um in der Branchenspitze mitzuspielen. Die Hochseilgärten von Kristallturm stehen überall auf der Welt, in Spanien etwa, aber auch in China, den USA und Kuba, ja sogar auf Kreuzfahrtschiffen.

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Vor ein paar Wochen erhielt die Firma dafür den Preis der Deutschen Außenwirtschaft - als erster bayerischer Handwerksbetrieb überhaupt. Mit dem Preis werden kleine und mittelständische Unternehmen ausgezeichnet, die es schaffen, sich international zu behaupten; trotz Währungsschwankungen und politischer Krisen.

Sara Kern, 25 Jahre alt und Marketingbeauftragte, führt über das Betriebsgelände, ein Bauernhof-Ensemble am Ortsrand von Lenggries. Ein paar Meter weiter fließt die Isar, dahinter ragt das Brauneck auf. Am Gipfel liegen noch ein paar Schneereste. Oberbayerische Idylle. Die meisten der 37 Beschäftigen können sie nur eingeschränkt genießen. Wer Baustellen weltweit betreibt, ist viel auf Reisen. Für die Montage eines neuen Hochseilgartens sind die Handwerker bis zu vier Wochen von zu Hause weg. Allein im vergangenen Jahr baute Kristallturm acht Hochseilgärten. "Wir haben mal gezählt, wie viele Kilometer wir im letzten Jahr gemacht haben", sagt Kern: Es reiche, um mehr als 17-mal die Erde zu umrunden.

Heinz Tretter leitet die Firma Kristallturm, Sara Kern ist fürs Marketing zuständig. (Foto: Maximilian Gerl)

Auch in diesem Jahr dürften wieder einige Kilometer zusammenkommen, die Auftragsbücher sind voll. Eigentlich bräuchte Kristallturm zusätzliche Fachkräfte, doch viele schreckt offenbar das Reisepensum. "Das muss man mögen", sagt Kern. Kristallturm ist eben kein normaler Handwerksbetrieb. Die Hochseilgärten funktionieren nach dem Baukastenprinzip: Der Kunde wählt Elemente aus, Kristallturm setzt sie zusammen.

Der Grundriss ist meist ein Hexagon, Masten markieren die Ecken. Darüber und dazwischen spannen sich die Hindernisse. Mehr als 150 Kletter- und Balanceelemente stehen zur Wahl, darunter Trittleitern, Hangelnetze, Seile, Fasskonstruktionen. Oder Fahrräder, die zu Aufzügen werden: Nur wer strampelt, wird per Seilzug ins nächste Stockwerk befördert. Auf Wunsch denken sich die Konstrukteure auch Spezialhindernisse aus. Für einen Hochseilgarten in Berlin integrierten sie einen Trabi, für einen in Moskau eine Rakete.

Die Fertigung verläuft für einen Handwerksbetrieb in fast industriellen Maßstäben. Die Zimmerer bauen normierte Holzteile, die Schlosser nebenan Stahlmasten und Unterbauten. Im Stockwerk darüber basteln Stationenbauer an den Hindernissen. Am Schluss wird alles in Container gepackt und verfrachtet. Am Bestimmungsort setzt ein Team die Teile zusammen und schult das Betreiberpersonal. Damit Besucher später bei ihrem Höhentrip nicht abstürzen, wird ein Sicherungssystem mit zwei Karabinern gleich dazu geliefert. In einem der Büros hängt es zu Demonstrationszwecken an der Wand. Kern klickt den Karabiner aus und ein, scheint unkompliziert zu sein. Besucher sollen sich so selbständig über die Anlage bewegen können. "Passiert ist noch nie was", sagt Kern.

In Deutschland ist der Bedarf an Hochseilgärten gesättigt. Etwa 400 fest installierte Anlagen gibt es laut Branchenverband European Ropes Course Association. Die Zahl der Besucher schätzt er auf zwei Millionen jährlich. Wer neue Anlagen verkaufen will, muss international agieren und auf den wichtigsten Messen vertreten sein. Die USA und Asien gelten als Wachstumsmärkte. Ihren größten Hochseilgarten indes wollen die Lenggrieser demnächst in Tel Aviv errichten. Rund 20 Meter hoch soll er werden und Platz für bis zu 200 Besucher gleichzeitig bieten. Die ersten Teile liegen fertig auf dem Hof.

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12 Uhr, Mittagspause. Die Kantine besteht aus drei Tischen und wird von der Mutter des Chefs betrieben. Es gibt Geschnetzeltes mit Reis. Der Chef ist natürlich auch da, Heinz Tretter, Jahrgang 1974, kräftige Statur. Früher arbeitete er im Winter als Skilehrer und im Sommer als Zimmerermeister. 2007 baute er seinen ersten Hochseilgarten neben die Brauneck-Seilbahn, um ein bisschen Sommergeschäft mitzunehmen. Das funktionierte so gut, dass bald die ersten Anfragen nach ähnlichen Anlagen kamen.

2010 gründete er Kristallturm. Gegenüber den Anfangsjahren ist die Produktpalette deutlich gewachsen. So war der Bau von Spielplätzen mal als Lückenfüller gedacht; langsam aber entwickelt sich dieser Teil des Geschäfts zu einem eigenen Standbein. Anders als bei den Hochseilgärten kommen hier die meisten Aufträge aus der Region, von Bayern bis Österreich.

Die Hochseilgärten von Kristallturm gibt es auch auf Kreuzfahrtschiffen. (Foto: Kristallturm)

Kristallturm hat es sich in seiner Nische eingerichtet. Die Branche ist klein, direkte Konkurrenten gibt es nicht. Tretter sagt, er kenne weltweit vielleicht zwei vergleichbare Unternehmen, die aber in ihren Produkten einen anderen Stil verfolgten. Zu Kunden sage er: "Schau dir ihre und unsere Anlagen an, dann weißt du, was dir besser gefällt." Allerdings werde der Stil von Kristallturm zunehmend kopiert. Dagegen vorzugehen, sei schwierig, trotz Gebrauchsmuster und Markenschutz.

Auf dem Flur, der zu Tretters und Kerns Büros führt, hängt eine Weltkarte. Sie zeigt ganz gut, wo die Lenggrieser schon waren und wo sie hinwollen. Wo sie einen Hochseilgarten gebaut haben, steckt ein Pin, die Länder sind farbig ausgemalt. Europa, Nordamerika und Teile Asiens stechen bunt hervor. In Afrika steckt nur in Nigeria eine Nadel. Südamerika dagegen ist noch weiß, zu weiß. Ein Projekt in Kolumbien scheiterte, weil der Peso-Kurs einbrach und das Projekt verteuerte. "Südamerika", sagt Tretter. "Das wäre schon schön."

© SZ vom 16.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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