Gründer:Eine Wasserpistole, wie es noch keine gab

Start-up, das eine neuartige Wasserpistole entwickelt hat, Hochschule München Inkubator. Spyra-Wasserpistole, die ein einzelnes kompaktes Wassergeschoß verschießt (im Gegensatz zu einem Wasserstrahl, also wie bei einer herkömmlichen Wasserpistole, nur

Sebastian Walter mit Mitgründerin Rike Brand beim Freilufttest der Vorabversion .

(Foto: Florian Peljak)
  • Sebastian Walter hat seinen Job aufgegeben, um eine ganz besondere Wasserpistole zu entwickeln.
  • Ihm schwebt eine neue Art der Wasserschlacht vor: gezielt schießen, weniger gefährlich und nicht so martialisch.
  • Hilfe bekommt Walter von einem Programm zur Gründungsförderung der Hochschule München.

Von Jakob Wetzel

Die Idee sei ihm auf der Isar gekommen, in einem Schlauchboot, sagt Sebastian Walter. Er ließ sich an jenem Tag mit Freunden von Wolfratshausen nach München treiben, es war warm, und alle beschossen sich mit Wasserpistolen, alle hatten eine mitgebracht, alle außer Walter. Als er zu Hause war, wollte er eine kaufen, nicht irgendeine, sondern eine gute. Walter verdiente gut, er war Projektleiter bei einem Konzern. Er suchte im Internet, er durchstöberte Kataloge, aber er fand nichts Passendes, es gab nur günstiges Plastikspielzeug. Und er dachte: Das kann nicht sein. Das war im Juli 2015. Und der Gedanke ließ ihn nicht mehr los.

Heute ist Walter Wasserpistolenhersteller in spe. Er hat seinen Job aufgegeben, hat Mitstreiter gefunden und ein Start-up namens "Spyra" gegründet, um die Wasserpistole der Zukunft zu bauen. Diese verschießt keinen Strahl, sondern kleine, exakt dosierte Wassermengen. Bei jedem Abdrücken löst sich ein Schuss, er fliegt zwölf Meter weit, man kann präzise zielen und spürt sogar einen Rückstoß.

Walter schwebt damit eine ganz neue Art der Wasserschlacht vor, ähnlich wie Paintball, bei dem Spieler in Schutzausrüstung mit Farbpatronen aufeinander schießen, nur weniger gefährlich und nicht so martialisch. Er wolle keine Geräte herstellen, die Waffen imitieren, sagt er. Seine Wasserpistole soll aussehen wie ein Spielgerät. Ein Prototyp existiert bereits. In diesem Sommer soll die Serienproduktion beginnen.

Dass das Projekt so rasch an Fahrt aufgenommen hat, das liegt auch an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München. Spyra ist eines von 50 Start-up-Unternehmen, die Jahr für Jahr in den Inkubator der Hochschule ziehen, einen Flachbau an der Lothstraße. Dort werden sie beraten und gefördert - und das auf eine Weise, die der Hochschule immer wieder Auszeichnungen einbringt.

Zuletzt belegte sie zusammen mit der Technischen Universität München Rang eins im Gründungsradar, einer bundesweiten Rangliste des Stifterverbands, der verglichen hat, wo Studenten am besten auf eine Firmengründung vorbereitet werden. Die Hochschule landete nicht zum ersten Mal auf dem ersten Platz. 2011 verlieh das Bundeswirtschaftsministerium ihr als einer von bundesweit drei Hochschulen das Prädikat einer "Exist-Gründerhochschule".

"Wir haben einen gewissen Vorsprung, den müssen die anderen erst einmal aufholen", sagt Martin Leitner, Präsident der Hochschule. Schon 2002 entstand als angegliedertes Institut der Hochschule das Strascheg Center for Entrepreneurship (SCE), gegründet von der Stiftung des Investors Falk Strascheg. "Damals war Gründungsförderung unter Hochschulen eher unbekannt", sagt Leitner. Von der frühen Initiative profitiere die Hochschule bis heute.

Gründer: Wenn Walters Wasserkanone fertig ist, könnte sie aussehen wie diese Designstudie.

Wenn Walters Wasserkanone fertig ist, könnte sie aussehen wie diese Designstudie.

(Foto: Design: peterku/Spyra)

In den vergangenen 15 Jahren ist an jenem SCE ein breites Angebot gewachsen; es erstreckt sich von Lehrveranstaltungen über die Beratung von Gründern bis hin zur Forschung. Wissenschaftler untersuchen unter anderem, wie die Zusammenarbeit von Konzernen mit Start-ups funktionieren kann. Absolventen können am SCE promovieren. In wöchentlichen offenen Sprechstunden können Interessierte derweil ihre Geschäftsideen vorstellen.

Damit sich willige Gründer vernetzen können, betreibt das SCE eine "Gründungsjobbörse" und lädt monatlich zum "Innovations-Café". Die Reihe ließe sich lange fortführen. Einzelne Teams werden in einer "Start-up-League" intensiv gefördert, ein Ideenwettbewerb ist mit 30 000 Euro dotiert. Und mit einem Inkubator-Gebäude stellt das Gründerzentrum kostenlos Büros und Besprechungsräume zur Verfügung. Am 13. Juni veranstaltet das SCE hier, an der Lothstraße 21, einen Tag der offenen Tür.

"Wichtiger ist die Frage: Gibt es dafür einen Markt?"

Es gehe nicht mehr nur darum, den Studenten beizubringen, wie man einen Businessplan schreibt, sagt Klaus Sailer, der Leiter des SCE. Man wolle vielmehr unternehmerisch denkende Persönlichkeiten ausbilden, die kreativ und teamfähig sind und mit Unsicherheit umgehen können. Das Businessplan-Schreiben würden sie immer noch lernen, aber einfach dadurch, dass sie es tun. Die Ausbildung am Institut beruhe nicht zuletzt auf Praxisseminaren, in denen die Studenten Geschäftsideen zu konkreten Themen entwickeln sollen. Derzeit würde bereits ein Drittel der Studierenden im Laufe des Studiums an einem solchen Projekt teilnehmen, sagt Sailer. Und jedes zehnte Übungsprojekt münde am Ende in ein Start-up.

Präsident Leitner ist das noch nicht genug: "Mein Ziel ist, dass jeder Student lernen kann, wie man eine Firma gründet, und zwar nicht, indem er es im Handbuch nachliest, sondern indem er es tut", sagt er. Die Hochschule will deshalb nachlegen: Das SCE soll zwei zusätzliche Professoren erhalten, und in allen Fächern sollen die Entrepreneurship-Seminare des Instituts als Studienleistungen anerkannt werden.

Der Erfolg am Markt ist freilich auch mit dem SCE nicht garantiert. 200 Teams würden jedes Jahr beraten, sagt Sailer. Etwa die Hälfte bleibe bei der Stange, wenn die Berater ihnen sagen, dass noch viel zu tun ist. 50 Gründerteams würden jährlich in den Inkubator aufgenommen, 20 gründeten am Ende erfolgreich aus. Und immerhin die Hälfte jener Firmen überlebe die ersten drei Jahre. Vorbilder der Gründer sind dabei Lokalmatadoren wie "Freeletics": Die Münchner Firma wurde vor fünf Jahren als Start-up vom SCE gefördert. Wenig später sorgte sie mit ihrer Fitness-App international für Furore und erwirtschaftete binnen weniger Jahre Millionenumsätze - ohne externe Investoren.

Auch den Wasserpistolen von Sebastian Walter und den anderen Gründern von Spyra rechnet das SCE Chancen aus. "Wir waren von Anfang an selbst begeistert von der Idee", sagt Morten Edzards, der das Projekt im SCE betreut. "Wobei eigentlich egal ist, wie gut uns eine Idee persönlich gefällt. Wichtiger ist die Frage: Gibt es dafür einen Markt?" In dem Fall habe sie neben der Idee auch die Ernsthaftigkeit überzeugt, mit der das Team sich vorstellte. Viele Vorarbeiten waren bereits erledigt; Walter hatte sogar schon nach einschlägigen Patenten gesucht. Verbesserungsfähig war in Edzards Augen vor allem noch eins: die Zusammensetzung des Teams.

Die richtigen Leute zu finden sei ein entscheidender Schritt, sagt Edzards. "Die beste Idee bringt nichts, wenn das Team sie nicht umsetzen kann." Walter ist Spieledesigner, mit ihm arbeiteten zuletzt noch der Ingenieur Matthias Bittner und der Software-Ingenieur Markus Rohm. Die drei hatten sich auch durch des SCE gefunden: Sie kannten sich aus einer Zusatzausbildung für Unternehmensgründer, dem "Academic Program for Entrepreneurship", am Institut. Auf Anraten von Edzards holte Walter nun noch Rike Brand als weitere Gründerin mit ins Team, eine Fachfrau für Kommunikation. In ihrem etwa 30 Quadratmeter großen Büro an der Lothstraße arbeiten sie jetzt zu viert.

Was noch zu tun ist? Man dürfe nicht unterschätzen, wie viel Zeit und Arbeit in einem Start-up stecken, sagt Sebastian Walter. Tage- und nächtelang habe er an der Technik gefeilt. Das sei ihm nicht immer leicht gefallen. "Es wird Winter, draußen schneit's, die Leute stellen Weihnachtsbäume auf, dann fällt auch noch die Heizung aus, und man sitzt da, Tag für Tag, und bastelt an einer Wasserpistole", erzählt er. "Da fragt man sich manchmal schon: Was mache ich hier eigentlich?" Verdient hat er in der Zeit nichts, er lebt und finanziert seine Arbeit von seinem Ersparten. Alleine in benötigtes Material, von Dichtungen bis zum 3D-Drucker, haben die Gründer bisher etwa 30 000 Euro investiert.

Wenn alles glatt läuft, steht das Gerät 2018 im Laden

Auch jetzt müssen die Gründer noch an der Technik feilen. Der Prototyp wiegt rund fünf Kilogramm, das fertige Produkt soll später nur eineinhalb Kilo auf die Waage bringen. Klären müssen sie auch, wie teuer die Produktion wird - und dann diskutieren, wie viel Geld sie für eine Wasserpistole verlangen wollen. Walter will einen Preis von weniger als 100 Euro. Die Förderer im SCE halten das für zu günstig. Das teuerste Konkurrenzprodukt kostet derzeit etwa 40 Euro.

Vor allem aber arbeitet Rike Brand, die Fachfrau für Kommunikation, nun daran, das Projekt zu präsentieren. In den kommenden Wochen will sich Spyra um verschiedene Förderprogramme bewerben. Und im September wird sich entscheiden, ob der Einstieg in den Markt fürs Erste gelingt: Die vier Gründer möchten über die Crowdfunding-Plattform "Kickstarter" Geld von Interessenten einsammeln, so wäre die erste Serienproduktion bereits vorfinanziert. Ein Jahr würde es dauern, schätzen sie. Wenn alles gut läuft, könnten die ersten Wasserpistolen im Spätsommer 2018 im Laden stehen.

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