Unter Bayern:Die Poesie des Krapferls

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Selten ist das Unaussprechliche in gefühligere Worte gekleidet worden als in jener Szene in Lisa Eckharts Roman "Omama", in der das Verhältnis von Notdurft und Porzellangeschirr endgültig geklärt wird.

Von Hans Kratzer

Die Kabarettistin Lisa Eckhart schildert in ihrem Roman "Omama" eine pralle Szene aus der österreichischen Provinz im Kriegsjahr 1945. Im Haus ihrer Großeltern waren damals russische Soldaten einquartiert, denen die Dörfler alles zutrauten. Das Anwesen zu verlassen, kam für die Großmutter nicht in Frage. Dass ihr der Russe die Bude verwüstet, stand für sie zweifelsfrei fest, aber sie wollte zumindest dabei sein und jeden seiner Griffe nach so mancher Kostbarkeit mit einem Seufzen kommentieren. Ihr Ansinnen war: Den Russen wenigstens darauf hinzuweisen, bitte nicht aus dem Nachttopf zu essen oder ein Krapferl ins Gmundener Porzellan zu setzen.

Ist das Unaussprechliche jemals gefühliger in Worte gefasst worden als eben hier? Ein Krapferl setzen, das ist reine Poesie auf jenem schmutzigen Feld, das der Autor Georg Queri 1912 in seinem skandalbehafteten Buch "Kraftbayrisch" im Kapitel "Cacare" beackert hat. Später eiferte ihm als Dokumentar der sprachlichen Derbheit der Regisseur Helmut Dietl nach. In seinem Film "Rossini" dämpft eine an Verstopfung leidende Dame die Ambitionen eines liebesbedürftigen Arztes mit den Worten: "Verschon' mich mit deinen Fantasien und gib mir etwas, damit ich endlich wieder scheißen kann!"

Queri wiederum bezeichnete das Produkt der Ausscheidung als Bolln. In der heutigen Kindersprache hat sich eher der Begriff Kacks durchgesetzt. Zudem setzt man die Kleinen nicht mehr aufs Topferl, bis ihr Hintern von einem roten Rand geziert wird. Im besten Fall lag dann ein schönes Wurschti im Topf. Heute dürfen die Kleinen jahrelang bequem in die Windel machen. Im Falle einer Verstopfung schob man den Kindern früher ein Stückchen Seife in den Auspuff, wie Eckhart diesen Vorgang beschreibt, was in der Regel im Darm eine Explosion auslöste.

Auf dem Land zogen sich die Erwachsenen zum Zwecke der Erleichterung auf ein Häusl mit Herzerl-Guckloch zurück. Diese Einrichtung hatte lediglich den Nachteil, dass man, auch in finsterer Nacht, den Hof überqueren musste, wenn nicht gerade ein Potschamperl (Nachthaferl) unterm Bett stand. Abgelegen wie es war, galt das Häusl aber als einer der wenigen Orte, an dem man auf einem Bauernhof seine Ruhe hatte. Dort ließ sich vieles erledigen, was einem sonst verleidet war. Oskar Maria Graf dokumentierte das in seinem Roman "Das Leben meiner Mutter" (1940): "Wo will ich s' denn beten, die zwölf Vaterunser . . . aufm Häusl halt."

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