Gesundheitspolitik:"Ich bin ein Kümmerer"

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"Das Beste draus machen" - Patientenbeauftragter Peter Bauer in der Uniklinik Augsburg, an einer simulierten Bushaltestelle für Demenzkranke. (Foto: Dietrich Mittler)

Als Patienten- und Pflegebeauftragter der Staatsregierung tourt Peter Bauer durch Bayern. Viele Menschen wünschen sich, er könnte zaubern. Er aber spürt seine Grenzen.

Von Dietrich Mittler, München

Mit Goethes Faust hat sich Peter Bauer bislang eher nicht verglichen, dabei wäre der Gedanke durchaus überlegenswert. Faustens legendären Ausspruch "Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust" könnte Bayerns neuer Patienten- und Pflegebeauftragter mit Fug und Recht auch für sich beanspruchen. Passionierter Kunstsammler, der er ist - "das ist für mich ewiges Leben, unzerstörbar" -, sah er sich in der zurückliegenden Legislaturperiode zum Beispiel im Wissenschafts- und Kunstausschuss ganz gut aufgehoben. "Aber gut, das geht halt nicht mehr, ich konzentriere mich jetzt auf die neue Aufgabe", sagt der 69-Jährige.

Bauer, der auch als Sozial- und Gesundheitspolitiker für die Freien Wähler im Landtag sitzt, hat seinen Terminkalender im Kopf: Am Dienstag das Treffen mit der Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml (CSU). Am Mittwoch besucht er die Messe "Altenpflege 2019" in Nürnberg. Peter Bauer, der heimatverbundene Franke, ist nun viel auf Tour. Anfang dieser Woche hat er sich im neuen Universitätsklinikum Augsburg unter anderem auf der Station für Tumor-Patienten umgesehen, hat mit dem Ärztlichen Direktor, der Pflegedirektorin und der Patientenfürsprecherin gesprochen - keine leichten Gespräche, der Mangel an qualifizierten Pflegekräften trifft auch die großen Häuser. "Wir können jede Hand gebrauchen", heißt es da, und Bauer soll Abhilfe schaffen, gerne auch Konzepte entwickeln.

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Der sagt: "Ich kann nicht zaubern, ich mache Ihnen auch keine Versprechungen. Außer, dass ich mich mit aller Kraft für eine Verbesserung der Pflegesituation einsetzen werde." Bauer würde öfter solche Gespräche führen. Doch als Abgeordneter einer Regierungskoalition, die nicht unbedingt über eine üppige Mehrheit verfügt, gilt auch für ihn als Patienten- und Pflegebeauftragten strikte Anwesenheitspflicht bei den wöchentlichen Plenarsitzungen, den Fraktionssitzungen und den Sitzungen des Gesundheitsausschusses. Da sind sie auch schon wieder, die zwei Seelen in seiner Brust: "Ich fühle die Verpflichtung, dass ich mich noch mehr um die Bedürfnisse der Patienten und der Pflegenden kümmere. Aber dann klopft halt die Fraktion an und sagt: "Du bleibst da, alle müssen an den Sitzungstagen da sein!"

Immerhin den Mittwoch hat sich Bauer für seine Tätigkeit als Patienten- und Pflegebeauftragter reserviert. Ist auch dringend notwendig angesichts der vielen Anfragen von Patienten, Pflegebedürftigen und deren Angehörigen, die sich in ihrer Not an seine Geschäftsstelle wenden. Kürzlich erst schrieb eine Heimbewohnerin, dass im Heim niemand auf ihren Diabetes eingehe. Oder da ist dieser 89-jährige Ehemann, der bislang vergeblich versucht hat, für seine Frau wegen Demenz einen höheren Pflegegrad zu bekommen. "Was kann ich noch tun?", schreibt der.

Hinzu kommen da die Anfragen von Unternehmen aus der Gesundheitsbranche, von Ärzten, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Pflegefachkräften und von Bürgern, die um ihr Krankenhaus kämpfen - wie etwa jene aus Hersbruck in Mittelfranken, denen die Freien Wähler im Landtagswahlkampf demonstrativ zur Seite standen. Die Bürger hoffen nun darauf, dass den Worten auch Taten folgen.

"Insgesamt waren das Tausende von Anfragen über die Jahre hinweg", sagt Hermann Imhof (CSU), Bauers Amtsvorgänger. Imhof ist in der Gesundheits- und Pflegebranche unvergessen - sein Kampf um mehr Kurzzeitpflegeplätze, das Ringen um einen einheitlichen Tarifvertrag für junge Pflegekräfte, sein Drängen auf eine berufsständische Kammer für Pflegekräfte. "Ich führe die Geschäfte so weiter, wie es mir Hermann Imhof hinterlassen hat", sagt Bauer. Das erfordert aber, harte Kante zu zeigen - auch gegenüber der Staatsregierung, gegenüber der eigenen Partei. Doch zu Bauer gehören eben Sätze wie diese: "Ich habe das neue Amt mit Demut angenommen. Ich möchte das Beste draus machen. Ich hoffe, dass mir das gelingt."

Feinfühligkeit und Sensibilität sind indes nicht immer die Qualitäten, die im harten politischen Geschäft die Oberhand behalten. Bauer hat das zu spüren bekommen. Er ist verletzlich. Seit Oktober 2008 sitzt er im Landtag, war stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, saß im Parlamentarischen Kontrollgremium, nahm an den Koalitionsverhandlungen teil. Aber bei der Vergabe von Minister- und Staatssekretärsposten haben andere das Rennen gemacht. Bauer hingegen wurde mit seinem Amt einer der vielen Beauftragten der Staatsregierung. Ein Posten, gegen den die Freien Wähler vor der Wahl noch Sturm gelaufen waren.

Jahrelang hat Bauer als Gutachter der AOK Mängelrüge-Gutachten verfasst

Bauer selbst mag das neue Amt, und was für ihn bereits als Lokalpolitiker gegolten habe, gelte für ihn auch heute: "Ich bin ein Kümmerer", beschreibt er sich selbst. Wer ihn im Gespräch beobachtet, übersieht da womöglich seine andere Seite. Zu der gehört auch sein Ehrgeiz. Bauer hat Pharmazie, Chemie, Biologie und Zahnmedizin studiert, war Stipendiat der elitären Konrad-Adenauer-Stiftung, hat gemeinsam mit seiner Frau eine Zahnarztpraxis aufgebaut, hat sich nebenbei - weil zeitgleich keine deutsche Universität einen Platz für ihn frei hatte - in der peruanischen Hauptstadt Lima habilitiert.

Auch Standfestigkeit und Konsequenz sind Bauer durchaus nicht fremd: Jahrelang hat er als Gutachter der AOK Mängelrüge-Gutachten verfasst, um pfuschenden Zahnarztkollegen auf die Spur zu kommen. Indes, Konsequenz kann sehr einsam machen. Bauer bekam das zu spüren, als er 2017 im Untersuchungsausschuss seine eigenen Schlüsse aus der sogenannten Modellbauaffäre um die ehemalige Staatskanzleichefin Christine Haderthauer zog. "Wichtige Fragen", so sagt er bis heute, "sind da nicht geklärt worden." Manchmal denkt er darüber nach, ob es nicht schöner wäre, mit seinem Enkel zu spielen. Aber loslassen von der Politik? Da sind eben doch zwei Seelen in seiner Brust.

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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