Gesundheit:Auf Kosten der Patienten

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Ungleiche Behandlung? Privatversicherten werden mehr Untersuchungen angeboten als Kassenpatienten. (Foto: Philippe Merle/AFP)

Verbraucherschützer und Opposition sorgen sich um die unabhängige Beratung im Gesundheitswesen.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Wer sich von einem Arzt falsch behandelt fühlt oder mit seiner Krankenkasse um Geld streitet, hat dabei oft nicht die beste Ausgangsposition. Denn das deutsche Gesundheitssystem ist kompliziert. Wenn man sich hier auskennt, ist man im Vorteil - und im Zweifel kennen sich Ärzte besser aus als ihre Patienten. Für Bürger gibt es deshalb eine offizielle Stelle, die den gesetzlichen Auftrag hat, ihnen beizustehen: Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland, kurz UPD. "Weder Industrie und Krankenkassen noch weitere Leistungserbringer wie Behörden haben Einfluss darauf, welche Informationen die UPD an den Verbraucher weitergibt", steht auf deren Webseite. Doch ausgerechnet diese Stelle, die so vertrauenswürdig klingt, muss sich nun schon seit einiger Zeit gegen schwere Vorwürfe wehren. Es heißt, die Patientenberatung sei abhängig von den Kassen und der Wirtschaft.

Denn im vergangenen Herbst wurde bekannt, dass die UPD ihren Besitzer gewechselt hat. Sie gehört jetzt der Careforce Sanvartis Holding, einem Konzern, der ansonsten nach Personal für Gesundheitsfirmen sucht, zum Beispiel im Auftrag von Pharmaunternehmen. "Das Vertrauen in die Unabhängigkeit der größten Beratungsstelle für Patienten" sei "erschüttert", kommentierte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, den Verkauf. Schon zuvor hatten Verbraucherschützer und die Opposition im Bundestag kritisiert, wie sich die UPD verändert hat. Dies war schließlich nicht ihr erster Wechsel in die Wirtschaft.

Noch bis zum Jahr 2015 hatten Sozial- und Verbraucherverbände die Patientenberatung gemeinsam organisiert. Immer wieder kam der damalige Leiter der UPD, Sebastian Schmidt-Kaehler, jedoch in einen Konflikt mit dem Spitzenverband der Krankenkassen. Denn die UPD hatte dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung immer wieder Berichte vorgelegt, in denen Kassen in ein schlechtes Licht gerückt wurden: "Einzelne Aspekte wie beispielsweise die damalige Praxis vieler Krankenkassen beim Krankengeld-Fallmanagement wurden von der Presse intensiv aufgegriffen, was auf Seiten des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen keineswegs nur auf Wohlwollen stieß", schrieb Schmidt-Kaehler in einer Stellungnahme vor zwei Jahren. Das Problem: Die Krankenkassen bezahlen für die Unabhängige Patientenberatung Millionenbeträge. Sie finanzierten also lange eine Stelle, die sie nur kritisierte.

Als die Kassen und die Bundesregierung den Verbänden vor drei Jahren die UPD entzogen, verstanden das viele als Konsequenz aus diesem Konflikt. Die UPD wurde nun an das Unternehmen Sanvartis übergeben. Ein Callcenter, das für unterschiedliche Akteure im Gesundheitswesen arbeitete - auch für Krankenkassen. Der wissenschaftliche Beirat der Patientenberatung habe dem Verkauf an Sanvartis von Anfang an skeptisch gegenüber gestanden, sagt eines seiner Mitglieder, der Berliner Professor Raimund Geene: "Zwei Mitglieder traten deshalb zurück."

Im April 2017 schrieb Geene einen Brief an den damaligen Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU). Er habe festgestellt, dass Sanvartis das Geld für die Beratungsstellen gekürzt habe - und dafür die Kosten für die Projektleitung und für "Hardware, Software, Datenbanken und Qualitätssicherungsinstrumente" erhöht. Geene vermutet bis heute, dass sich die Besitzer auf diese Weise Gewinne sichern. Er sagt: "Die UPD wird ausgeplündert und kann keine Qualität mehr liefern."

Der neue Geschäftsführer der UPD, Thorben Krumwiede, widerspricht: "Wir haben als UPD mit verschiedenen Dienstleistungsunternehmen Verträge", sagt er. Fördermittel würden dabei immer effizient eingesetzt. Doch mittlerweile rechnet auch Krumwiede damit, dass der Bundesrechnungshof bald seine Patientenberatung überprüfen wird. Vom Rechnungshof heißt es, man habe sich die Fördervereinbarung zwischen den Krankenkassen und der UPD geben lassen. Weiter Schritte stünden noch aus.

Neben den finanziellen Fragen sind mittlerweile auch andere Kritikpunkte aufgetaucht. Im vergangenen September schrieben die Beiratsmitglieder einen Brief an Laumanns Nachfolger, Ralf Brauksiepe (CDU). Falsche Informationen auf der UPD-Webseiten führten Patienten "in die Irre", kritisierten die Wissenschaftler. Hinweise zur Krebsfrüherkennung oder zu Herzoperationen seien unvollständig oder falsch.

Die Geschäftsstelle des Patientenbeauftragten gab daraufhin Mitte November bekannt, man habe Beiratsmitglieder zu einem Workshop eingeladen. Geplant sei jetzt ein "Maßnahmenpaket, das unter anderem einen zusätzlichen Personalaufbau im Wissens- und Qualitätsmanagement beinhaltet". Der Patientenbeauftragte ist der Vorsitzende des Beirats, er ist qua Amt für die Vergabe und Kontrolle der Beratungsstellen zuständig.

Doch Ralf Brauksiepe war an diesem Workshop gar nicht mehr beteiligt. Der Patientenbeauftragte, der vorher Staatssekretär im Verteidigungsministerium gewesen war, hat sich Anfang November überraschend aus der Politik zurückgezogen. Auch er wechselte in die Wirtschaft. Brauksiepe ist nun Geschäftsführer des Wohnungskonzerns Vivawest. In dem halben Jahr, in dem Brauksiepe für die UPD verantwortlich gewesen war, habe er sich "nicht in dieses Thema eingearbeitet", sagt VdK-Chefin Bentele: "Er wirkte auf mich unwissend." Brauksiepes Nachfolger wird also Einiges aufarbeiten müssen in Sachen Unabhängigkeit. Bloß bis heute, heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium, steht nicht fest, wer diese Verantwortung übernehmen soll.

© SZ vom 03.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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