Landgericht Ingolstadt:Haftstrafen in Prozess zu wirkungslosem Krebsmittel

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Die angeklagte Heilpraktikerin (2.v.r) kommt in den Gerichtssaal des Landgerichts Ingolstadt. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

In ihrer Verzweiflung hofften Krebskranke, dass ihnen eine Heilpraktikerin helfen könnte. Doch die angebliche Heilerin war eine Betrügerin. Die Kranken zahlten vierstellige Beträge und bekamen dafür ein wirkungsloses Mittel. Nun gab es dafür das Urteil.

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Ingolstadt (dpa/lby) - Nach dem Verkauf eines völlig wirkungslosen Krebsmittels an eine Reihe schwer kranker Patienten sind eine Heilpraktikerin und der Anbieter des Mittels zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Die Frau bekam am Freitag vom Landgericht in Ingolstadt wegen Betrugs und weiterer Straftaten eine dreijährige Haftstrafe, den Mann verurteilte die Kammer zu insgesamt sechs Jahren und neun Monaten. Zudem ordnete das Gericht an, bei den Angeklagten fünfstellige Eurobeträge einzuziehen, um den Gewinn aus dem Verkauf des angeblichen Wundermittels abzuschöpfen.

Wie der Vorsitzende Richter Konrad Kliegl betonte, haben die Patienten bis zu rund 6000 Euro für das Mittel gezahlt. Es sei den Patienten vorgegaukelt geworden, dass mit dem Präparat binnen kurzer Zeit Krebs geheilt werden könne und es sich um ein richtiges Arzneimittel handele. Tatsächlich war das Mittel nicht als solches zugelassen. Die Versprechungen seien „falsch beziehungsweise frei erfunden“ gewesen, betonte der Richter.

Opfer des Schwindels waren Patienten, die Krebs oder andere schwere Erkrankungen hatten. Teils sind die Betroffenen mittlerweile gestorben. Einige der geprellten Kunden bekamen auch ihr Geld von den Angeklagten zurück, wenn sie den Betrug erkannt und mit entsprechenden Schritten gegen das beschuldigte Duo gedroht hatten.

Das Gericht betonte, dass durch das Verfahren nicht die Arbeit von allen Heilpraktikern in Verruf geraten sollte. „Mit dem Heilpraktikerwesen als solchem hat der Prozess nichts zu tun“, meinte der Richter.

Die verurteilte Heilpraktikerin bezeichnete Kliegl als gute Verkäuferin, die aber ihre Patienten belogen und Dinge ins Blaue hinein versprochen habe. Die Frau hatte sich auch als Professorin ausgegeben und wurde deswegen auch wegen Titelmissbrauchs verurteilt. Den Professorentitel hatte sie von einem dubiosen US-Anbieter erhalten, bei dem man laut Gericht auch Heiligsprechungen ordern kann. Der amerikanische Titel-Händler stammte wiederum aus dem Umfeld des mitangeklagten Verkäufers des Krebsmittels.

Das Verfahren lief zwei Jahre lang, 64 Verhandlungstage waren nötig. Es ist laut Kliegl der bisher längste Prozess des Ingolstädter Landgerichts gewesen. Es mussten immer wieder neue Termine geplant werden, ursprünglich sollte schon im Februar 2022 das Urteil gesprochen werden. Der Richter warf der Verteidigung vor, dass sie durch unnötige Anträge das Verfahren verzögert habe. Die Anwälte der beiden Angeklagten hatten Freisprüche für ihre Mandanten verlangt, die Staatsanwaltschaft noch längere Haftstrafen (Az. 1 KLs 42 Js 9059/19).

Der Fall des Krebs-Mittels wurde vor dem Prozess durch Berichte von „Stern TV“ auf RTL bekannt. Die Recherchen wurden von der Ingolstädter Strafkammer auch als Beweismittel für den Prozess genutzt. Ein renommierter Arzneimittelforscher der Universität Bremen bezeichnete in einem der Fernsehbeiträge den Verkauf des teuren Präparats als „Geschäftemacherei“ mit dem Leiden der Patienten. „Es ist letzten Endes Abzocke gegenüber denen, die wirklich in ihrer Krankheit nach einem Strohhalm suchen“, sagte der Wissenschaftler.

© dpa-infocom, dpa:230615-99-69452/4

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