Geburtshilfe:Warum Geburtsabteilungen es schwer haben

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  • Im Kreiskrankenhaus Schrobenhausen werden in den kommenden Wochen nur noch geplante Kaiserschnitte durchgeführt.
  • Bayernweit fehlt es an Hebammen, die in der Geburtshilfe arbeiten möchten.
  • Außerdem ist es schwierig, Kreißsäle wirtschaftlich rentabel zu führen.

Von Dietrich Mittler, München

Um 8.25 Uhr hat die kleine Emilia am Montagmorgen im Kreiskrankenhaus Schrobenhausen das Licht der Welt erblickt. Sie wird bis Anfang Juni das letzte Baby sein, das dort durch eine natürliche Geburt zur Welt gekommen ist. Die Klinik stellt für die kommenden zwei Monate die Geburtshilfe ein. "Nur noch planbare Geburten, also durch Kaiserschnitt, sind bei uns in den kommenden Wochen möglich", sagt Dietmar Eine, der Geschäftsführer des Krankenhauses.

Für andere Schwangere bleibt der Kreißsaal geschlossen. "Wir können dort nicht mehr alle Dienste mit Hebammen besetzen", sagt Eine - und diesen Satz hat er in den zurückliegenden Tagen oft sagen müssen. Der Fall Schrobenhausen hat in der ganzen Republik Schlagzeilen gemacht - ist er doch längst kein Einzelfall.

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"Man kann in ganz Bayern feststellen, dass es da immer wieder Probleme gibt", sagt Eduard Fuchshuber, der Sprecher der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG). Spontan fallen ihm einige Fälle ein, in denen sich Ähnliches bereits abgespielt hat: im niederbayerischen Zwiesel etwa. Dort informierten die Hebammen die Bevölkerung im Dezember 2013 in einer Zeitungsanzeige darüber, dass sie zum 1. Januar 2014 ihren Dienst aufgeben werden.

Auch Zwiesel machte damals Schlagzeilen, und viele kleinere Kliniken begannen, nun erst recht um ihre Geburtsabteilungen zu bangen. Die Gründe liegen auf der Hand: Die kleineren Geburtsabteilungen - und hier ist die Rede von Abteilungen mit weniger als 1000 Geburten im Jahr - laufen nicht rentabel. Oft genug, und das ist auch in Schrobenhausen der Fall, tun sich dann Bürgermeister und Landrat zusammen, um die notgedrungen entstehenden Defizite zu decken.

Warum Hebammen kaum noch in der Geburtshilfe arbeiten

Aber dann kommt schon Problem zwei: der Fachkräftemangel. "Die gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmendaten, unter denen Hebammen arbeiten, sind extrem schwierig. Und die Auswirkungen davon spüren wir gerade am eigenen Leib", sagt Roland Weigert, der Landrat des Kreises Neuburg-Schrobenhausen.

Es liegt aber nicht allein daran, dass sich nicht genug Nachwuchskräfte finden lassen. Routinierte, hochprofessionelle Hebammen entscheiden sich immer öfter, aus der Geburtshilfe auszusteigen und nur noch die Geburtsvor- und Nachsorge zu machen. "Die treten quasi die Flucht nach vorne an", sagt BKG-Sprecher Fuchshuber.

Astrid Giesen, die Vorsitzende des Bayerischen Hebammen Landesverbands, bestätigt das: Grundsätzlich hänge es damit zusammen, dass der Zeitpunkt einer Geburt eben unkalkulierbar sei, dass Hebammen in der Geburtshilfe quasi rund um die Uhr verfügbar sein müssten. Viele wollen das aber so nicht mehr auf sich nehmen - nicht allein wegen der hohen Arbeitsdichte, sondern auch aus Haftungsgründen.

Giesen kennt noch andere Zeiten: "Als ich zu arbeiten angefangen habe, gab es in meinem Bereich zwei alte Hebammen, die haben beide zwei Wochen Urlaub im Jahr gemacht - eine Woche für die Steuererklärung, eine Woche für den Hausputz. Ansonsten waren sie rund um die Uhr für die Frauen da."

Dass es heute nicht mehr so laufe, sei gut, sagt Giesen: "Jede Frau hat Anrecht auf eine ausgeruhte Hebamme." Auf den Hebammen laste ohnehin enormer Druck, verantwortlich dafür sei das deutsche Haftungsrecht: "Es muss ein Schuldiger gefunden werden, der dann auch zur Verantwortung gezogen wird." Anstatt sich zusammenzusetzen und Lösungen zu finden, wie sich künftig solche Fehler vermeiden lassen, werde gerichtet. Das schrecke ab.

Einige der Hebammen wollen keine Geburtshilfe mehr leisten

Dass nun im Krankenhaus Schrobenhausen - nur 300 Geburten im Jahr und damit ein Draufzahlgeschäft - der Kreißsaal für normale Geburten zubleibt, liegt ebenfalls daran, dass einige der Hebammen keine Geburtshilfe mehr leisten wollen. Ein normaler Schichtdienst lässt sich so nicht mehr aufrechterhalten. Zudem wurde auch noch eine weitere Hebamme krank.

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Dietmar Eine hätte das Problem gerne schnell gelöst: etwa dadurch, freiberufliche Hebammen einzustellen. Nur für Altgediente lohnt sich ein Abschied aus der Selbständigkeit nicht - und neue finden, das ist ein anderes Kapitel. Immerhin, bis Juni soll das Problem gelöst sein. Zwiesel hat es ja auch geschafft. Zwei Monate lang aber müssen Schwangere aus Schrobenhausen nun eben in die Klinik im nahen Neuburg ausweichen.

© SZ vom 05.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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