Garmisch-Partenkirchen:Wenn der Bürgermeister flüchtet

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Ein smarter Macher für seine Fans, ein rücksichtsloser Machtmensch für seine Gegner: Bürgermeister Thomas Schmid. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Er ist smart, gewieft und vermutlich bald weg: Der noch amtierende Bürgermeister von Garmisch-Partenkirchen, Thomas Schmid, muss in die Stichwahl - und schmeißt deshalb hin. Die meisten seiner Anhänger und Gegner sind ratlos. Nur ein paar Verschwörungstheorien könnten seine Flucht erklären.

Von Heiner Effern

Bürgermeister Thomas Schmid liebte die große Bühne. Das war bei der Ski-Weltmeisterschaft 2011 zu spüren, als die Kanzlerin und der große Sport nach Garmisch-Partenkirchen kamen. Bei der spektakulären Eröffnungsfeier begrüßte Schmid die internationalen Gäste von der Bühne herab, geschliffen wie immer. Nur dass eine so ausführliche Rede gar nicht geplant gewesen sein soll. Doch solche Marginalien interessierten Schmid nicht, den selbstbewussten Macher aus Garmisch-Partenkirchen, als den ihn zumindest seine Anhänger sehen. Und nun soll die Ära des smarten Redners, des gewieften Taktikers mit einer schnöden Email enden?

Am Mittwochvormittag verschickte Schmid eine persönliche Erklärung. Gut eine Woche ist es noch hin bis zur Stichwahl, die er als Kandidat mit 33,2 Prozent erreicht hat. Doch er hat keine Chance, weil sich SPD, CSU, Grüne und FDP gegen ihn verbündet haben. Schmid wünscht nun "dem Marktgemeinderat alles Gute und eine glückliche Hand bei den anstehenden, wichtigen Entscheidungen". Er könne sich ohne das Vertrauen und den Rückhalt der Bürger nicht "für weitere sechs Jahre als Bürgermeister einbringen", schreibt er. Es ist ein Abschied, Satz für Satz. Schmid selbst ist schon weg, im Urlaub.

Man ist ratlos

Anhänger und Gegner sind ratlos. "Ich kann es menschlich verstehen, politisch nicht", sagt Peter Samstag, in den vergangenen Jahren Fraktionssprecher von Schmids Liste, dem Christlich Sozialem Bündnis (CSB). Er habe noch am Sonntag auf Schmid eingeredet, dass er seine Wähler nicht enttäuschen könne. Vergeblich. "Die Heckenschützen im Ort haben laufend auf ihn geschossen, berechtigt oder nicht. So etwas zermürbt." Gemeint ist vor allem die CSU, insbesondere deren Fraktionssprecherin Elisabeth Koch. Die findet die Kapitulation Schmids verantwortungslos. "Das zeigt sein Demokratieverständnis. Er hat keines, er hat sich als absolutistischer Herrscher gesehen." Koch empfiehlt, trotzdem zur Wahl zu gehen - und für die SPD-Kandidatin Sigrid Meierhofer zu stimmen. "Wir brauchen jetzt klare Verhältnisse für einen Neuanfang. Und dann müssen wir wieder dazu kommen, vernünftig miteinander zu reden."

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Läuft alles normal, dann wird Garmisch-Partenkirchen künftig von einer SPD-Frau regiert. Das war jahrzehntelang so wahrscheinlich wie ein Vulkanausbruch auf der Zugspitze. Die gelernte Anästhesistin Meierhofer sitzt seit 2002 im Gemeinderat. Auch sie zählt zu den hartnäckigsten Kritikern Schmids, besonders die mangelnde Transparenz seiner Entscheidungen prangerte sie an. Sie fühlt sich aber noch nicht als Siegerin. "Wir machen ganz normal Wahlkampf." Schmids Entscheidung habe sie wenig überrascht, da er auch die Mehrheit im Gemeinderat verloren hat. "Er hätte seinen Stil komplett ändern müssen. Ich bezweifle, dass er das gekonnt hätte."

Schmids Stil prägte Garmisch-Partenkirchen zwölf Jahre lang. Die CSU war vor der Kommunalwahl 2002 noch mächtig stolz, einen so weltgewandten Kandidaten gefunden zu haben. Einen Diplomaten gar - zur Vorstellung flog er aus Kanada ein. Schmid erhielt auf Anhieb 74,9 Prozent. Sechs Jahre später hatten sich Bürgermeister und CSU aber so zerstritten, dass Schmid von seiner Partei nicht mehr aufgestellt wurde. Zu selbstbewusst, zu eigensinnig, zu dominant, zu wenig gesprächsbereit - die Liste der Vorwürfe war lang. Die Bürger sahen das anders. Schmid trat mit einer eigenen Liste an, erzielte im ersten Wahlgang 52,2 Prozent und sein CSB wurde sofort stärkste Fraktion.

Der Diplomat ging kompromisslos vor

Schmid stand fortan im Kreuzfeuer der Kritik, doch er zeigte sich öffentlich davon unbeeindruckt. Er zog die Modernisierung des Skigebiets durch, der Markt ging dafür mit Ausgaben im hohen zweistelligen Millionenbereich bis an seine Grenzen. Auch beim Bau der neuen Sprungschanze ging er keine Kompromisse ein. Das neue, elegante Wahrzeichen kostete statt der geschätzten zehn etwa 16,5 Millionen Euro. Der Kommunale Prüfungsverband stellte schwere Fehler bei Vergabe und Bau fest, doch in einer hochemotionalen Gemeinderatssitzung ließ sich Schmid sich von seiner Ratsmehrheit von jeglicher Schuld freisprechen.

Zu dieser Zeit war das Dorf längst in zwei Lager gespalten. Besonders sichtbar wurde dies bei der gescheiterten Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2018. Schmid scherte sich in seiner hemdsärmligen Art nicht um die Sorgen der Bauern, die ihre Wiesen zur Verfügung stellen sollten. Die CSU jedoch verbündete sich mit ihren alten Stammwählern und positionierte sich gegen die Winterspiele und gegen Schmid. Zudem lief es politisch schlecht für Schmid: Seine Pläne für ein Fünf-Sterne-Hotel scheiterten ein ums andere Mal. Bei einer Bürgerbefragung stimmten nur 27,2 Prozent der Wähler für den von ihm forcierten Neubau des Kongresszentrums.

Doch Schmid wäre nicht Schmid, wenn nicht schon wieder Verschwörungstheorien im Spiel wären. Seine Kapitulation könnte viele CSU-Anhänger davon abhalten, eine SPD-Kandidatin zu wählen, nur um den Bürgermeister loszuwerden, heißt es. Sollte Schmid deshalb wider Erwarten die Stichwahl gewinnen, könnte er sein Amt immer noch antreten. Doch langjährige Weggefährten wie sein Fraktionschef Samstag glauben daran nicht.

© SZ vom 21.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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