Füssen:Der Forggensee bleibt diesen Sommer trocken

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Im Sommer ist der Forggensee ein ganz normales Gewässer mit Ausflüglern und Booten. (Foto: picture alliance / dpa)
  • Mit 15,2 Quadratkilometern ist der Forggensee bei Füssen der größte Stausee in Deutschland.
  • In diesem Jahr allerdings wird es im Sommer entweder gar keinen Forggensee geben, nur einen kleinen oder einen, der nur wenige Wochen existiert.
  • Der Staudamm ist marode und muss saniert werden - darum kann der See kein Wasser führen.

Von Christian Rost

Er ist immerhin der fünftgrößte See Bayerns und flächenmäßig mit 15,2 Quadratkilometern der größte Stausee in Deutschland: der Forggensee im sogenannten Königswinkel im bayerischen Allgäu, am Fuße des Schlosses Neuschwanstein. Wenn solch ein See verschwindet, leidet die ganze Region. Im Winter ist es normal, dass der Forggensee abgestaut wird, um im Frühjahr das Wasser der Schneeschmelze aus den Bergen aufnehmen zu können.

Im Sommer war er bislang stets gut gefüllt, ein ganz normaler See also mit Schifffahrt, Seglern, Fischern, Badegästen und Touristen, die sich an der schönen Landschaft erfreuen. In diesem Jahr allerdings wird es im Sommer entweder gar keinen Forggensee geben, nur einen kleinen oder einen, der nur wenige Wochen existiert. Weil der Staudamm marode ist und saniert werden muss. Für das Tourismusgewerbe in der Region ist das eine Katastrophe.

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Der Forggensee ist kein natürlicher See, das lässt sich schon an seinem zweiten Namen, Speicher Roßhaupten, erkennen. Er dient einerseits zur Regelung der Stromerzeugung in den zahlreichen Lech-abwärts gelegenen Staustufen und andererseits als Rückstaubecken, wenn die Schneeschmelze beginnt und im Frühjahr der Sommerregen einsetzt. Heuer ist alles anders. Die Staustufe Roßhaupten, die in den Fünfzigerjahren am Nordende des heutigen Seebeckens errichtet wurde und mit ihren Turbinen rund 48 000 Haushalte mit Strom versorgt, fällt gewissermaßen aus. Die Uniper Kraftwerke GmbH, Betreiber der Turbinenanlagen, muss die Talsperre Roßhaupten sanieren.

In den kommenden Wochen werden, so Unternehmenssprecher Theodoros Reumschüssel, gezielt Zement-Injektionen in den Dammuntergrund eingebracht. Diese erste Phase der Arbeiten soll bis Ende Mai/Anfang Juni dauern. Erst danach kann ein Zeitplan für die Flutung des Sees erstellt werden, weil geprüft werden muss, ob das Stauwerk auch hält. "Die Sicherheit geht vor", sagt Reumschüssel. Der Leiter des Tourismusamtes in Füssen beurteilt die Situation aus anderer Sicht: "Das ist natürlich ein Problem."

Stefan Fredlmeier ist in Füssen für den Tourismus zuständig. Er weiß nicht, wie lange die Arbeiten dauern und welche Maßnahmen sonst noch nötig sein werden. Normalerweise ist der Forggensee jedes Jahr vom 1. Juni bis jeweils zum 15. Oktober tatsächlich ein richtiger See. Dann sind die Dampfer der Forggenseeschifffahrt unterwegs, der Segelclub Füssen hievt die Boote seiner Mitglieder ins Wasser, die Camper beziehen ihre Stellplätze am Ufer. Ohne See wird das schwierig. "Für die Touristen fällt der Reiseanlass weg", sagt Fredlmeier.

Noch ist unklar, wie lang die Sanierung dauert

Erst Ende Mai, also kurz vor Beginn der Tourismussaison, kann Kraftwerksbetreiber Uniper eine Prognose abgeben, wie lange er für die Sanierungsarbeiten am Damm braucht. Das könnte dann noch "mehrere Wochen dauern", heißt es, und das wäre verheerend für all jene, die am Forggensee vom Tourismus leben. Natürlich wird auch heuer der Besucherstrom zum Schloss des Märchenkönigs nicht abreißen - es ist die meistbesuchte Attraktion in Deutschland.

Aber nach Neuschwanstein fahren meist nur Tagestouristen. Für die Hoteliers, Vermieter von Ferienwohnungen und Campingplatzbetreiber in Füssen und Umgebung wird 2018 deshalb ein unkalkulierbares Jahr. Auch den Betreiber des Festspielhauses in Füssen, der das ambitionierte Projekt nach einigen Pleiten erst im vorigen Jahr übernommen hat und versucht, dort neues Leben einzuhauchen, dürfte nicht begeistert sein.

Im Winter hingegen gleicht der Stausee einer Mondlandschaft. (Foto: imago/MiS)

Fredlmeier sagt, es sei "eben ein Gesamterlebnis", sich erst ein Musical im Festspielhaus anzusehen und danach auf den See zu blicken. Wenn dort aber kein See sei, sondern nur eine Mondlandschaft, dann sei das Gesamterlebnis schon getrübt. Das gleiche gelte für die in den Sommermonaten geplanten Aufführungen des Musicals "Schwanenprinz" auf einem der Ausflugsschiffe. "Die können wir nicht im Trockendock veranstalten", meint der Tourismus-Chef.

Für die Hoteliers ist das eine Katastrophe

Wie viele Stornierungen von Buchungen aufgelaufen sind, darüber kann auch er keine Auskunft geben. "Da fehlt uns noch das Material." Die Hoteliers seien jedenfalls sehr besorgt, sagt Fredlmeier. Er wäre aber nicht Marketing-Chef der Region, wenn er der Situation nicht auch etwas Positives abgewinnen könnte. "Das gibt's nur alle 60, 80 oder 100 Jahre, dass der Forggensee im Sommer trocken liegt." Tatsächlich lassen sich in der Trockenperiode am Seegrund Dinge ausmachen, die sonst nur im Winter im abgestauten See offenliegen. Die Via Claudia Augusta zum Beispiel, die alte Römerstraße, taucht sozusagen wieder auf. Oder die Fundamente der Weiler, die einst bei der Flutung des Sees untergegangen sind. Forggen etwa, das dem See seinen Namen gegeben hat.

Lieber wäre es dem Tourismusort Füssen natürlich, wenn die Arbeiter den Staudamm möglichst rasch dicht bekommen, damit der Sommer wieder ein Sommer am See werden kann. Doch allein hängt dies nicht vom Kraftwerk ab. Ist der Damm erneuert, braucht es auch genügend Wasser, um den Forggensee zu füllen. Ende Mai ist üblicherweise schon viel Schmelzwasser den Lech hinabgeflossen. Dann kann den Anrainern nur noch das Wetter helfen. "Wir brauchen viel Wasser, um den See zu füllen", sagt Fredlmeier. "Wir hoffen auf einen verregneten Sommer." Da müsste es allerdings viel regnen. 100 Millionen Kubikmeter Wasser braucht es nach den Angaben des Kraftwerksbetreibers, damit wieder Schiffe fahren und die Leute baden können.

© SZ vom 28.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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