Fürth vor dem Relegationsspiel:Dobb, dobb, dobb

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Da war doch schon mal was: 2012 feierte OB Thomas Jung mit seinen Bürgern den Aufstieg von Fürth. (Foto: Erich Malter/dpa)

"Irgendeinen Rekord brauchst du immer": Die SpVgg Greuther Fürth war 2012/13 das erste Team, das in einer Bundesliga-Saison ohne Heimsieg blieb. Am Sonntag will die ganze Stadt diesen Sieg gegen den HSV nachholen - und die Sache mit dem Stadionnamen vergessen.

Von Olaf Przybilla, Fürth

Thomas Jung geht Operettenhaftes nicht leicht über die Lippen, wäre es anders, hätten ihn die Fürther vermutlich niemals zum OB gewählt. Denn Operettenhaftigkeit ist so ziemlich das Letzte, womit man in dieser Stadt wesensmäßig punkten kann. Und so lohnt es sich also, einen emotionalen Ausbruch eines Fürther Oberbürgermeisters nicht allzu gering zu schätzen. Am Tag danach, am Tag nach dem ersten Relegationsspiel von Greuther Fürth, spricht er tatsächlich von den "Helden von Hamburg". Und wohlgemerkt, er sagt das - in Fürth muss man das immer ein bisschen im Blick haben - offenbar gänzlich ironiefrei. Sogar aus Nürnberg habe er Zustimmung bekommen, aus Nürnberg! In der momentan gängigen Fußballterminologie heißt das ungefähr, übersetzt ins örtliche Idiom: Dobb, dobb, dobb.

Horst Müller kann das noch ein wenig illustrieren, weil der Fürther Wirtschaftsreferent war dabei in Hamburg, hat sich dort in der Nacht noch a baar Bfüdsen neibfiffn (hat einem unklar-dünnen Bier zugesprochen), klingt übernächtigt, aber ortsuntypisch angefasst. "Da kommst du aus Fürth in die Weltstadt, und dann sagt dir der Taxifahrer, er ist für Fürth, und der Barkeeper sagt dir, er ist für Fürth, und da wirst du dann schon demütig."

Okay, klar, er ist nach dem Spiel auf St. Pauli in die Kneipe gegangen, da sind sie notfalls auch für den FC Bayern, wenn es gegen den HSV geht. Und trotzdem, allein schon dieses Detail: Im Stadion von Pauli haben am letzten Spieltag ein paar Zehntausend von "Greuther Fürth" gesungen, ohne dass irgendwelche Fürther anwesend waren. Gefeiert werden in Abwesenheit, als der notorische Nobody aus Mittelfranken-West? "Nichts für meine psychische Konstitution", sagt der Referent Müller, was sich auf Fränkisch gesprochen auch sehr apart anhört.

Die "Trolli"-Arena ist bald Geschichte

Andererseits: möglicher Aufstieg vo' Ferdd, war da nicht was? Die Geschichte von dieser Stadt und ihren Versuchen, erstklassig zu werden, lässt sich nicht erfinden: Als man vor zwei Jahren nach gefühlten 17 Versuchen einmal nicht am letzten Spieltag den Aufstieg vertölpelte und tatsächlich aufgestiegen ist, folgte anschließend das ernüchterndste Jahr der Stadthistorie. Keinen einzigen Heimsieg schafften die Fürther, und OB Jung wäre nicht OB von Fürth, würde er auf so was nicht von selbst zu sprechen kommen.

"Irgendeinen Rekord brauchst du immer", sagt Jung, und als man den von Tasmania Berlin als schlechtestes Bundesligateam aller Zeiten zu brechen sich nicht in der Lage sah, da habe man sich eben alternativ um den Titel "Erstes Team ohne Heimsieg" beworben. Und für was taugt es am Ende? Der OB ist sich darüber ziemlich im Klaren: "Wir haben uns diesen historisch ersten Heimsieg aufgespart für Sonntag." Wenn es so kommt, geht Jung in die Gustavstraße, eine Art fränkische Pauli-Filiale. Und wenn nicht? "Dann aufn Friedhof", sagt Jung.

Apropos Friedhof. Auf dem Areal, auf dem eigentlich längst ein neues Fürther Stadion stehen sollte, wird am Sonntag womöglich die eine oder andere Sturmschwalbe zu sehen sein, vielleicht auch Beutelmeisen oder andere seltene Vögel. Die Pläne aber für einen Neubau sind zerstoben, und Jung wäre kein guter OB für Fürth, würde er dem nicht etwas Gutes abgewinnen können. Nur in drei Stadien der Republik wird seit mehr als hundert Jahren ununterbrochen Fußball gespielt, und eines davon ist eben der Ronhof in Fürth. Nicht mal auf St. Pauli können sie da mithalten.

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:Zittern vor dem Zweitligisten

Wacher, agiler, fußballerisch besser. Greuther Fürth zeigt sich nach dem 0:0 im Relegations-Hinspiel euphorisiert. Der Hamburger SV dagegen agiert gegen das zweitklassige Team freudlos - sogar die Bundesliga-Uhr im Stadion hört kurzzeitig auf zu ticken.

Von Carsten Eberts

Wobei sich das Fürther Stadion momentan noch von dem selbst verschuldeten Namen "Trolli-Arena" beleidigen lassen muss. Aber das nicht mehr lange, genau genommen noch ein Spiel: jenes eben gegen Hamburg am Sonntag. Danach darf der Ronhof erst mal wieder Ronhof heißen, zumindest vorläufig, Fürth wird das erste Mal in der Geschichte die Absteiger aus Nürnberg überflügeln und Hamburg das erste Mal in der Geschichte zweitklassig sein. So viel Geschichte war nie in Fürth.

In der Gustavstraße könnte das zu Eruptionen führen, es gibt dort ein Wirtshaus, ein sehr schönes, wo sie das beim letzten Aufstieg leidvoll erfahren mussten. Seither werden die Biere dort praktischerweise aus dem Fenster gereicht. Das auch, weil der Wirt, der nebenher Arzt ist, versichert, dass ein unkontrollierter Umtrunk zur rechten Zeit "der Gesundheit nicht abträglich" sein soll. Hat jedenfalls Wirtschaftsreferent Müller so von ihm gehört. Und da verlässt er sich drauf.

© SZ vom 17.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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