Frauen in der CSU:"Wir sind einfach zu wenig selbstbewusst"

Lesezeit: 4 min

Landtagspräsidentin Barbara Stamm erklärt, warum es Frauen in der CSU so schwer haben - und ob Bayern reif ist für eine Ministerpräsidentin.

Katja Auer

Können Frauen in der CSU ohne Quote etwas werden? Nein, glaubt Barbara Stamm, obwohl sie selbst keine solche Regelung brauchte, um Landtagspräsidentin und stellvertretende Parteichefin zu werden. Sie ist in dieser Frage eine Geläuterte.

SZ: Frau Stamm, wären Sie manchmal lieber ein Mann?

Barbara Stamm: Nein, wirklich nicht.

SZ: Aber dann hätten Sie es in der CSU einfacher gehabt.

Stamm: Vermutlich ja. Aber ich hab's ja am Anfang gar nicht so schwer gehabt. 1972 hat die CSU für den Würzburger Stadtrat ganz bewusst Frauen gesucht und angesprochen. Ich bin bis dahin in meiner Partei nie groß aufgefallen, war relativ unbekannt. Auch als Listenkandidatin für den Landtag bin ich angesprochen worden.

SZ: Das war am Anfang. Wie war es als junge Mutter?

Stamm: Schwierig, ganz, ganz schwierig - weil ich immer unter strengster Beobachtung stand. Am meisten hat mich die Frage aufgeregt: Was sagt denn Ihr Mann dazu? Da bin ich jedes Mal nervös geworden. Bis ich dann mal den Gegenangriff gemacht und gefragt habe, was sagt denn eigentlich Ihre Frau dazu? Einer Frau wurde von vornherein unterstellt, dass sie die Familie vernachlässigt. Natürlich hat man Defizite, aber die haben Väter doch genauso.

SZ: Lassen sich Frauen zu leicht verunsichern?

Stamm: Wir sind einfach zu wenig selbstbewusst. Das schlechte Gewissen war schon da, das ist es zum Teil heute noch. Jede schlechte Note meiner Kinder hat mich zum Nachdenken gebracht. Frauen sollten mehr dazu stehen, Verantwortung bewusst zu übernehmen und sich nicht selbst ein schlechtes Gewissen zu machen. Nur den Männern die Schuld zu geben, halte ich für falsch. Frauen verstehen es mitunter nicht, ihr Netzwerk zu knüpfen und es engmaschig zu gestalten. Und es ist auch nicht unbedingt so, dass Frauen Frauen fördern.

SZ: Aus Eifersucht?

Stamm: Die Eifersucht gibt es unter Männern auch und den Neid, aber vielleicht will man auch gar nicht in den Ruf kommen, dass Frau bewusst Frauen unterstützt.

SZ: In vielen Unternehmen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es eine Gleichberechtigung von Frauen ohne die Quote nicht geben wird. Nur bei der CSU noch nicht.

Stamm: Ich war jetzt schon sehr befremdet, dass wir nicht einmal allen Ernstes diese Diskussion führen können: Was haben wir erreicht? Wo haben wir in der CSU unsere Defizite? Wie müssen wir uns als moderne Volkspartei aufstellen? Die Zukunft meiner Partei ist doch davon abhängig, inwieweit ihr Frauen ein Gesicht geben. Ich bin immer wieder aufs Neue erschüttert, dass die CSU auch weiterhin für jüngere Frauen und solche mittleren Alters nicht attraktiv ist. Das belegen nach wie vor die Wahlergebnisse.

SZ: Verstehen Sie die jungen Frauen, die keine Quotenfrauen sein wollen?

Stamm: Nein, ich verstehe sie nicht. Denn mittlerweile ist es ja so, dass wir so viele tolle, hochqualifizierte Superfrauen haben, dass sie gar nicht als Quotenfrauen empfunden würden, selbst wenn sie über die Quote ein Amt erreichen.

SZ: Sie waren keine Quotenfrau.

Stamm: Das stimmt, das war natürlich auch schön, aber da gab es noch nicht so viele Frauen. Da mussten die Männer noch nicht befürchten, dass zu viele anmarschieren. Je mehr wir geworden sind, desto schwieriger ist es geworden.

SZ: War es jemals von Vorteil, in der CSU eine Frau zu sein?

Stamm: Nur solange man die Nase noch nicht zu weit rausgestreckt hat. Schwierig ist es geworden, als ich stellvertretende Fraktionsvorsitzende werden wollte. Da bin ich beim ersten Mal durchgefallen. Als ich den Posten dann hatte, habe ich meinen Sitz im Rundfunkrat aufgegeben, mit dem Wunsch, dass wieder eine Frau nachrückt. Aber mitnichten.

Und 2001 (als Stamm wegen der BSE-Krise als Ministerin zurücktreten musste, Anm. d. Red.) hatte ich zwei Möglichkeiten: entweder mich ganz zu verabschieden oder zu kämpfen. Ich habe mich für Letzteres entschieden, was unwahrscheinliche Kräfte kostete. Das war ein Aufbäumen. Ich sage immer wieder zu Frauen, dass sie sich durch Niederlagen nicht einschüchtern lassen sollen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, in welcher Hinsicht Horst Seehofer vorbildlich handelt und ob die CSU eine frauenfeindliche Partei ist.

SZ: Gibt es den biographischen Knick? Fast alle CSU-Frauen über 50 wollen die Quote, obwohl sie früher dagegen waren.

Stamm: Ich war auch vehement dagegen, aber ich sehe, dass die Mandate für Frauen nicht mehr geworden sind, im Gegenteil. Wenn meine Partei uneingeschränkt ja zur Frauenförderung sagen würde, wenn sie den Weg ebnen würde für die Frauen, dann würde ich ja nie auf die Idee kommen, eine innerparteiliche Quote zu fordern.

SZ: Ist die CSU eine frauenfeindliche Partei?

Stamm: Das würde ich nicht sagen. Nur die Präsentation der Partei lässt manchmal zu wünschen übrig. Es gibt immer noch Podien und Kommissionen, die nur mit Männern besetzt sind.

SZ: Dabei hat Ihr Parteichef doch versprochen, die CSU weiblicher zu machen.

Stamm: Horst Seehofer ist hier vorbildlich. Der hat jetzt Frauen in seinem Umfeld sichtbar in Führungspositionen gebracht.

SZ: Aber er ist nicht für die Quote.

Stamm: Überlassen wir es mal der Diskussion. Vielleicht können wir den Parteivorsitzenden noch überzeugen.

SZ: Warum reicht es nicht aus, dass eine Frau einfach gut ist?

Stamm: Ein Mandat ist dann halt wieder für Jahre blockiert. Ganz einfach.

SZ: Noch gibt es keine Quote. Was raten Sie den jungen Frauen, die in der CSU etwas werden wollen?

Stamm: Mutig zu sein, voranzugehen, gut zu sein, aber auch sich bemerkbar zu machen.

SZ: Man braucht also Ellenbogen.

Stamm: Ja. Es reicht nicht abzuwarten, bis die Berufung kommt.

SZ: Ist die Frauenunion ein Sprungbrett?

Stamm: Sie kann eines sein, muss es aber nicht. Ich hatte auch Männer, die mich unterstützt haben, sonst hätte ich nie diese Position erlangt.

SZ: Eine Frau braucht einen Mentor?

Stamm: Man braucht Leute, die einen unterstützen, viele Freunde und Freundinnen.

SZ: Glauben Sie, dass die CSU bald einmal eine weibliche Vorsitzende haben könnte? Oder dass es in Bayern eine Ministerpräsidentin gibt?

Stamm: Ob es das in absehbarer Zeit gibt, weiß ich nicht. Bevor Angela Merkel Kanzlerin wurde, bin ich gefragt worden, ob Deutschland reif sei für eine Frau. Ich fand die Frage völlig deplatziert. Sicher ist Deutschland reif für eine Frau. Das würde auch für Bayern gelten.

SZ: Auch für die CSU?

Stamm: Auch für die CSU.

© SZ vom 25.3.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: