Franken-Seele:Die Eigentorschützen

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Ob Dürers Selbstbildnis, die Heinrichskrone oder der 1. FC Nürnberg: Am Ende verlieren immer die Franken gegen die selbstbewussten Altbayern. Sie grämen sich kurz. Doch am Ende bleibt ihnen nur die Flucht in die Selbstironie.

Olaf Przybilla

Markus Söder hat sich nicht als primär nachdenklicher Mensch einen Namen gemacht, an diesem Abend aber erlebt man ihn anders. Die Franken haben Tags zuvor Abschied nehmen müssen von der Hoffnung, Dürers "Selbstbildnis im Pelzrock" für 102 Tage in der Heimat anschauen zu dürfen. Jetzt sitzt der Finanzminister aus Franken im Nürnberger Presseclub, man erwartet manches in so einem Moment, nicht jedoch einen Auftritt Söders als Selbstironiker. Genau das aber tritt ein. Dürer? Tja, sagt er, in den stilleren Stunden stelle er sich schon die Frage, "ob wir Franken uns in der Sache so ganz richtig aufgestellt hatten".

Die Aufstellung sah zumindest imposant aus: Das Germanische Nationalmuseum, der kulturelle Stolz der Franken, hatte im Hintergrund die beiden wichtigsten Köpfe in Nordbayern - Bayerns Städtetags-Chef Ulrich Maly und eben Söder - auf ein Gleis gesetzt: Das Gemälde könne zweifellos reisen, die Dürer-Heimholung scheitere nur an der Sturköpfigkeit der Ichlinge aus dem Süden. Der CSU-Mann und der SPD-Mann begannen also gemeinsam mit der Arbeit.

Söder ist ja bekannt dafür, sich beinahe alles zuzutrauen. In der Sache Selbstbildnis aber, sagt er, habe er sich allein auf die Dürer-Experten verlassen. Und die glaubten die Nürnberger bislang in ihrer Stadt sitzen zu haben: im Nationalmuseum, dem größten kulturhistorischen Haus in Deutschland, mit einer der größten Restaurationswerkstätten der Welt und einem international sehr gut beleumundeten Forscher-Stab - vor allem in Sachen Renaissance-Kunst. Mit diesen Leuten im Rücken zogen die Franken also in den Kampf ums Bild, der gesamte Landtag befeuerte sie auf ihrem Weg, und sogar die von altbayerisch-fränkischen Stammesfehden sonst eher befremdete Frankfurter Allgemeine Zeitung ergriff in einem großen Artikel Partei für die Bilder-Abholer aus Franken. Den Kampf - nicht nur Söder dürfte diesem Eindruck erlegen sein - konnten die Franken eigentlich gar nicht mehr verlieren.

Söder ist nicht nur in der Rolle als nachdenklicher Hamlet bislang nicht in Erscheinung getreten. Auch mit Slapstick-Einlagen hat er sich eher keinen Namen gemacht. Auch das ist am Abend nach dem Dürer-Debakel anders.

Er stelle sich nun immer "unsere Leute aus Franken" vor, sagt Söder, wie die zum Treffen in die Pinakothek reisen. Wie sie da auf den Ministerpräsidenten und den Kunstminister stoßen - und auf die zuvor nicht gerade sanftmütig gestimmten Kollegen von den Staatsgemäldesammlungen. Und er stelle sich vor, wie man gemeinsam das Bild anschaut. Wie die Leute aus München sagen: Ganz klar beschädigt, oder? Und wie die Nürnberger, die ein Jahr lang im Hintergrund exakt das Gegenteil verbreitet hatten, nun ganz schnell erwidern: Oh ja, beschädigt. Also gut, bleibt's halt in München. Söder kommt das ungefähr so vor, als hätte sich da eine Mannschaft monatelang auf das ganz große, entscheidende Spiel vorbereitet - und sich gegenseitig heiß gemacht. "Und dann läuft man aufs Spielfeld. Und denkt sich: Ach was: Schießen wir halt mal aufs eigene Tor." Großes Gelächter im Saal.

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