Franken:Po-Grapscher aus Nürnberg zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt

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  • Über zwei Jahre wurden immer wieder Frauen in Nürnberg beim Joggen am Wöhrder See körperlich belästigt.
  • Es dauerte lang, bis der Täter gefunden wurde.
  • Nun steht er vor Gericht und wird zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Der Richter geht damit über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus. Er begründet sein Urteil mit scharfen Worten.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Der Prozess gegen den sogenannten Po-Grapscher vom Wöhrder See wird als besonderes Verfahren in die Geschichte der Nürnberger Justiz eingehen. Und das hat mehrere Gründe. So ist es schon allein ungewöhnlich, dass einem Verfahren am Amtsgericht so viel mediale Aufmerksamkeit zuteil wird, wie das am Donnerstag geschehen ist. Das Delikt, weshalb sich ein Lagerarbeiter dort verantworten muss, ist auf dem Papier betrachtet alles andere als ein Kapitalverbrechen.

Angeklagt ist der 32-Jährige wegen "tätlicher Beleidigung" in sieben Fällen, das ist rein juristisch eine etwas schärfere Form der einfachen Beleidigung. Der Mann soll sich Joggerinnen von hinten mit dem Radl genähert haben, er soll sich mit der linken Hand am Lenker festgehalten, den Kopf gesenkt und mit der rechten Hand den Frauen auf den Hintern geschlagen haben.

Weil es innerhalb von zwei Jahren etliche Dutzend solcher Fälle gab - sieben konnten dem Mann mithilfe genetischer Spuren nachgewiesen werden -, hatte der Fall die Stadt zwei Sommer lang in Atem gehalten. Daher das große Interesse im Amtsgericht.

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Das aber ist nur der eine Grund, warum das Verfahren zu einem besonderen geworden ist. Für einen zumindest ungewöhnlichen Akzent sorgt auch Richter Thomas Pucher: Er geht in der Strafzumessung mit einer Bewährungsstrafe von acht Monaten weit über das hinaus, was zuvor Verteidigung und Staatsanwaltschaft gefordert hatten.

Dass die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung in fast allen Punkten identisch sind, kommt nicht allzu häufig vor, wäre aber noch nicht so auffällig: Beide, die Staatsanwältin und der Anwalt des Angeklagten, hoben darauf ab, dass der 32-Jährige ein Geständnis abgelegt, dass er tiefe Reue gezeigt und alle geschädigten Frauen persönlich und glaubhaft um Verzeihung gebeten habe. "Es tut mir sehr, sehr leid, es wird nie, nie wieder vorkommen", fällt etwa ein Dutzend Mal in diesem Verfahren.

Der Angeklagte habe Frauen herabgewürdigt, sagt der Richter

Beide führen ins Feld, dass der Mann nicht einschlägig vorbestraft sei, bei seinen Taten jeweils unter erheblichem Alkoholeinfluss stand und es sich, rein strafrechtlich betrachtet, bei seinen Touch-Attacken nur um "tätliche Beleidigungen" handele. Für die Öffentlichkeit möge das schwer nachvollziehbar sein, sagt der Anwalt, trotzdem plädiere er für eine Geldstrafe. Das hat zuvor auch die Staatsanwältin getan, mit denselben Argumenten. Identisch ist das jeweils von beiden geforderte Strafmaß: 180 Tagessätze.

Nach den Plädoyers erhebt sich Richter Pucher und fällt ein deutlich härteres Urteil. Er begründet die acht Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung in einprägsamen Worten. Der Angeklagte habe Frauen herabgewürdigt, sie zum Objekt degradiert: "Für Sie waren die Frauen, plakativ ausgedrückt, eine Wichsvorlage", sagt er.

Der Angeklagte habe wahrnehmen müssen, dass Medien immer wieder über den Fall berichteten, er hätte wissen müssen, wie immens die Verunsicherung in der Stadt war und was für einen Aufwand die Polizei habe betreiben müssen, um ihn zu fassen. Dies alles müsse man berücksichtigen, auch wenn der Tatvorwurf juristisch lediglich "Beleidigung" heiße. Werde sich der 32-Jährige "nur irgendeinen Blödsinn" erlauben während der Bewährungszeit, so werde er seine Haftstrafe umgehend antreten müssen, sagt Pucher.

Mehrere Minuten redet der Richter auf den Angeklagten ein, der versinkt förmlich im Stuhl. Eine Woche habe er Zeit, Berufung einzulegen, sagt Pucher am Ende, aber der Angeklagte stimmt dem Urteil sofort zu. Das tut daraufhin auch die Staatsanwältin. Es ist damit rechtskräftig.

Sechs der sieben Frauen hatten zuvor geschildert, wie verunsichert sie seit der Attacke sind, zum Teil bis heute. "Ich bin nicht zartbesaitet", sagt eine Lehrerin, "aber das lässt einen nicht los." Die siebte Geschädigte, eine Unternehmensberaterin, sagt, es gehe ihr wie zuvor, durch so was lasse sie sich nicht beeinträchtigen. "Dass das entsprechend geahndet wird", dafür sei sie aber auch. Immerhin habe der Angeklagte auch viele "nicht geschädigte Frauen massiv verunsichert".

© SZ vom 07.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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