FDP gegen CSU:Die Infektion

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In Bayern, da ist die Welt noch in Ordnung: Diese Botschaft will die FDP nach ihrem Krisentreffen verbreiten. Doch die Streitsucht in Berlin bedroht das schwarz-gelbe Bündnis im Freistaat.

S. Mayr, O. Przybilla, M. Szymanski und A. Ramelsberger

In Berlin lassen sie seit Tagen kein gutes Haar mehr aneinander: Dort streiten CSU und FDP so sehr, dass sich die große CDU schon kühne Alternativen überlegt, wenn die Kleinen nicht endlich Ruhe geben. Fast unheilbar scheint die Regierung in Berlin an Streitsucht erkrankt zu sein - und nun droht die Berliner Krankheit auch die schwarz-gelbe Koalition in Bayern zu infizieren.

Der Moment der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags in Bayern im Jahr 2008: "Wir haben die Koalition bis 2013 geschlossen", heißt es aus der FDP, für einen Bruch gebe es keinerlei Szenario. (Foto: AP)

Schon sagt der hessische FDP-Landeschef Jörg-Uwe Hahn seinen Parteifreunden in Bayern, was zu tun ist. Sie sollten im Ernstfall die Koalition mit CSU-Chef Horst Seehofer in München aufkündigen. Wenn die CSU weiterhin so gegen den FDP-Bundesgesundheitsminister schieße, dann könne die FDP in Bayern sich das "nicht mehr länger gefallen lassen", sagte Hahn in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Auch die bayerische FDP selbst ist über das Vorgehen der CSU empört. Generalsekretärin Miriam Gruß sagte nach Treffen der FDP-Basis in Augsburg und Bamberg: "Die CSU verhält sich nicht wie ein Koalitionspartner." So hoch schlugen die Wogen bei der Basis, dass die Führung der Liberalen am Ende des Treffens alle aufforderte, nicht noch zusätzliches Öl ins Feuer zu gießen - und versuchte, sich auch selbst merklich zu dämpfen.

FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte der Süddeutschen Zeitung: "Die Hessen brauchen den Bayern nicht zu sagen, wo es lang geht. Natürlich sind wir sauer darüber, wie man in Bayern mit unserem Gesundheitsminister umgeht. Aber der Streit auf Bundesebene wird die schwarz-gelbe Koalition in Bayern nicht in einen Abwärtssog ziehen. Hier in Bayern funktioniert die Koalition."

Die Bundesjustizministerin rief Seehofer auf, seine Blockadehaltung in der Gesundheitspolitik aufzugeben. "Es geht nicht an, dass er alle Vorschläge blockiert. Wir können nicht die Krankenkassenbeiträge erhöhen und gleichzeitig immer mehr die Leistungen kürzen." Für einen Bruch der Koalition in Bayern aber gebe es keinerlei Szenario. "Wir haben die Koalition bis 2013 geschlossen."

Auch FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil zeigte sich nicht begeistert über die Ratschläge aus Hessen: "Ich glaube nicht, dass es gut ist, wechselseitig über die Dauer von Koalitionen zu spekulieren. Es ist nicht die Sache des Kollegen Hahn, darüber zu befinden."

Generalsekretärin Gruß rief den bayerischen Koalitionspartner zu mehr Zusammenarbeit auf: "Die CSU muss ihr Verhalten gegenüber der FDP ändern, die Koalition in Bayern sehe ich aber keineswegs in Gefahr."

Die CSU hatte jüngst in Berlin wichtige Projekte der FDP torpediert, zuletzt die von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler favorisierte Prämie im Gesundheitswesen, auch Kopfpauschale genannt. Es sei "unglaublich", wie sich Seehofer verhalte, sagten FDP-Leute bei zwei Kreisvorsitzenden-Treffen am Wochenende in Augsburg und Bamberg. Der bayerische Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident Zeil sagte, der Umgangston zwischen den Koalitionspartnern FDP und CSU werde von den eigenen Anhängern als abstoßend empfunden. "Die Leute geben eine klare Rückmeldung. Sie finden nicht gut, wie vieles gelaufen ist. Ich sehe die Gefahr, dass sich in der Bevölkerung die Meinung verfestigt, das politische Personal genügt den Anforderungen nicht", sagte Zeil der SZ.

Der Andrang bei den Basis-Treffen war so groß wie selten bei einer Kreisvorsitzenden-Versammlung der Liberalen. Die Helfer in Augsburg mussten zusätzliche Stühle heranschleppen. Etwa 120 Vertreter der FDP-Basis drängten sich am Samstag im Hotel Riegele, um mit der Parteispitze über den Absturz der FDP bei Wählerumfragen zu diskutieren. Zwar verwahrten sich viele Teilnehmer gegen den Begriff "Krisensitzung", doch bestätigten Kreisvorsitzende, dass deutliche Worte fielen. "Es gibt Unmut", sagte Johannes Pabst vom Kreisverband Augsburg-Land. "Wir fühlen uns im Stich gelassen."

Vor allem Bundes-Parteichef Guido Westerwelle stand im Fokus der Kritik. "Er hatte einen misslungenen Start, und ich hätte mir gewünscht, dass er sich intensiver auf sein Amt als Außenminister vorbereitet", sagte Pabst. Noch deutlicher wurde der FDP-Kreisvorsitzende von Erlangen, Christian Wolff. Der Spagat Westerwelles zwischen Außenamt und Parteivorsitz gelinge nicht. "Die Kritik daran ist parteiintern heftig", berichtete er. Die Trennung der beiden Ämter dürfe nicht erst in ferner Zukunft vollzogen werden.

"Wir müssen jetzt handeln", forderte Wolff. Große Hoffnungen setze die Basis dabei auf Christian Lindner, den jungen Generalsekretär der Partei. Auch der Kreisvorsitzende in Aschaffenburg, Helmut Kaltenhauser, will beobachtet haben, dass es an der Basis eine Mehrheit für die Trennung von Ministeramt und Parteivorsitz gibt. "Die Schwierigkeit wird es sein, das ohne Gesichtsverlust für Westerwelle zu bewerkstelligen", sagte Kaltenhauser.

Geschimpft wurde aber auch über die Kommunikation in der Partei, die nicht funktioniere. In der Diskussion um Steuererleichterungen, die derzeit nicht finanzierbar sind, habe sich die Partei "unglaubwürdig" gemacht, hieß es. Die Basis habe Mühe, Entscheidungen aus Berlin den Anhängern zu begründen. Generalsekretärin Gruß sagte: "Die Leute sind das ständige Gezänk leid."

Scharfe Kritik an der Parteiführung übten auch zwei schwäbische FDP-Stadträte. "Die Stimmung an der Basis ist unter aller Kanone", sagte Bruno Steinmetz aus Kempten. Er kritisiert vor allem das geplatzte Steuersenkungs-Versprechen der Liberalen: "Man kann doch im Wahlkampf nicht große Töne spucken, obwohl man weiß, dass die Versprechen nicht zu halten sind." Der 77-jährige ehemalige Leiter des Tiefbauamts sieht nur einen Ausweg aus diesem Glaubwürdigkeitsproblem: "Man müsste den Mut haben, dem Bürger klarzumachen, wie die Situation ist." Steinmetz: "Ich hoffe zwar, dass dieses Tief vorübergeht, aber ich habe große Bedenken."

Der Neu-Ulmer Stadtrat Alfred Schönig rügte in einem offenen Brief die Fehler der FDP-Führung. "Die FDP nährt leider das Bild, eine Klientelpartei zu sein", sagt Schönig. "Wenn den Bürgern Kürzungen aufgebürdet werden, dann müssen sich diese über alle gesellschaftlichen Gruppen erstrecken - also auch auf die Besserverdienenden."

© SZ vom 14.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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