Energiewende:"Eine Unverschämtheit"

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Der Nachbar ist sauer: Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) spricht sich gegen zusätzliche Stromleitungen durch Hessen aus. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir kritisiert Ilse Aigners Trassenpläne

Von Daniela Kuhr, München

Eigentlich versteht sich Hessens grüner Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir ganz gut mit Ilse Aigner, seiner bayerischen Amtskollegin von der CSU. Doch das Verhältnis ist auf eine harte Probe gestellt, seit Aigners Pläne bekannt wurden, die umstrittene Nord-Süd-Trasse Südlink weiter nach Westen zu verschieben - also raus aus Bayern und dafür rein nach Baden-Württemberg und Hessen. "Damit würden mehr als 200 Kilometer an neuen Trassen quer durch Hessen verlaufen", sagt Al-Wazir bei einem Sommerfest der bayerischen Grünen in München. Nach den bisherigen Plänen dagegen wären es nicht mal 100 Kilometer. Deshalb sei der Vorschlag schlicht "eine Unverschämtheit".

Zumal Hessen "nichts, aber auch gar nichts" von der Verschiebung hätte. "Es ist eine Gleichstromleitung, da lässt sich nicht zwischendrin mal irgendwo ein bisschen Strom abzapfen", sagt Al-Wazir. Die Trasse diene allein der Versorgung des Südens. "Also wie, bitte, soll ich der hessischen Bevölkerung erklären, dass sie künftig doppelt so viele Stromleitungen bekommen sollen, nur weil die Bayern weniger haben wollen?" Schließlich seien es doch - neben Baden-Württemberg - in erster Linie die Bayern, die von der Trasse profitierten. "Immerhin scheint das ja nun auch die bayerische Landesregierung so zu sehen, denn in ihrer Stellungnahme stellt sie die Notwendigkeit von Südlink nicht mehr in Frage und geht davon aus, dass zwei Leitungsendpunkte in Bayern nötig sind.

Ob sein Verhältnis zu Aigner nun angespannt sei? "Sagen wir es mal so", sagt Al-Wazir, "Minister in Bayern haben es nicht gerade leicht". Der Chef dort lege "ganz besonderen Wert" darauf zu zeigen, dass er "der Chef" sei - womit Al-Wazir klar macht, wen er für den tatsächlichen Urheber des jüngsten Vorschlags hält: Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU). Der hatte zwar 2013 im Bundesrat den zunächst geplanten Trassenverläufen durch Bayern zugestimmt, als er aber Widerstand in der Bevölkerung spürte, erhob er plötzlich Einwände. Verständnis dafür hat Al-Wazir nicht.

"Natürlich trifft jeder mal eine Fehlentscheidung und muss insofern auch die Möglichkeit haben, diese später noch zu korrigieren", sagt der Grünen-Politiker. Würde etwa die Bundesnetzagentur jetzt feststellen, dass der Trassenbedarf gar nicht so groß war wie angenommen, "müssten wir das Projekt sofort stoppen". Doch davon könne keine Rede sein. "Der Bedarf ist unzweifelhaft da. Wenn Seehofer nun alles in Frage stellt, werden wir bei der Energiewende um Jahre zurückgeworfen." Dann warte er nur noch auf den Moment, wo Bayern verkünde, es könne seine Atomkraftwerke leider doch nicht abschalten, sonst habe man ja gar keinen Strom mehr.

Könnte dieser Streit das Verhältnis zwischen Bayern und Hessen auch bei der Debatte um den Länderfinanzausgleich belasten? Noch kämpfen die beiden gemeinsam darum, künftig weniger Geld an die anderen Bundesländer abgeben zu müssen. "Das werden wir sicher auch weiterhin gemeinsam machen", sagt Al-Wazir. "Die CSU und Horst Seehofer sind professionell genug, die Themen nicht zu vermischen." Ob er sich eine schwarz-grüne Koalition, wie sie in Hessen bereits praktiziert wird, auch in Bayern vorstellen kann? ""Ausschließen sollte man das nicht", sagt Al-Wazir. "Wir Grünen müssen klar sagen, was wir erreichen wollen - und dann schauen, mit wem das am besten gelingt."

© SZ vom 22.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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