Fernsehen:Der Mann, der genau hinschaut

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Berndt Welz am Ufer des Ammersees in Stegen - einem seiner Lieblingsplätze im Fünfseenland. (Foto: Arlet Ulfers)

Regisseur Berndt Welz dokumentiert in seinen Filmen Gipfelbesteigungen ebenso wie den Klimawandel und Herztransplantationen. Die Leidenschaft des Echingers aber sind Insekten.

Von Carolin Fries, Schondorf

Berndt Welz will es genau wissen, deshalb geht er gerne ganz nah ran mit der Kamera - und recherchiert in die Tiefe. "Ich will ins Detail gehen", sagt der Filmemacher aus Eching am Ammersee. Darum sind in seinen Produktionen Gesichter auch mal so nah zu sehen, als stünde man den Protagonisten direkt gegenüber. Oder er zeigt Makroaufnahmen von Tieren, Baumrinden oder Materialien, mit denen Kunsthandwerker arbeiten.

Der 58 Jahre alte Journalist macht Dokumentarfilme, meistens setzt er sich darin kritisch mit Umwelt-, Klima- und Naturthemen auseinander. Mehrfach wurden seine Filme in den vergangenen Jahren bei internationalen Festivals ausgezeichnet, unter anderem beim "Green Screen"-Naturfilmfestival. Viel wertvoller aber ist für ihn, wenn er mit seinen Filmen etwas erreicht. So hat Welz in seiner ZDF-Dokumentation "Bayer, Bauern und die Bienen" von 2019 mit dazu beigetragen, dass der Chemiekonzern Bayer für Insekten hochgiftige Neonicotinoide vom Markt nimmt. Die Doku weist nach, dass die Mittel gar nicht erst hätten zugelassen werden dürfen. "Da macht man dann schon mal einen Sekt auf", sagt Welz und grinst.

Welz ist ein eher zurückhaltender, nachdenklicher Typ, der sich entschuldigt, wenn er einfach so drauflos erzählt. Dabei hat er eine ganze Menge erlebt und einiges zu berichten, wie sich beim Treffen in Stegen am Ammersee herausstellt. Die vergangenen Wochen hat der Regisseur in einem Münchner Studio sein aktuelles Material geschnitten, er hat es aus Asien mitgebracht. Es handelt von der Kautschuk-Produktion für Autoreifen. Für 3sat und das ZDF hat Welz die verschlungenen Lieferketten der Reifenhersteller verfolgt und ihr Bemühen, den Transparenz-Anforderungen der EU gerecht zu werden.

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Welz hat so viel erfahren und erlebt auf seiner Recherchereise, dass seine Augen leuchten, wenn er zu berichten beginnt. Schnell ist klar, dass er das Handwerk des Geschichtenerzählens versteht: Er umreißt die Szenerie, kommt dennoch schnell zum Punkt und erörtert die Problematik in einfacher, klarer Sprache. Das ist nicht immer leicht, denn in der Regel sind die Themen komplex. Welz versteht es, auch über das Schreinerhandwerk oder Apps zur Herzströme-Messung spannende Bilder und Protagonisten zu finden. Häufig rechnet der Zuschauer mit einem mahnenden Schlusswort des Regisseurs, doch Welz ist kein Prediger. Er zeigt, was ist. Ohne erhobenen Zeigefinger. Die einfache Lösung - oft gibt es sie auch gar nicht.

Berndt Welz im Karakorum-Gebirge. (Foto: privat)

Welz ist in Stuttgart aufgewachsen "mit viel Wald in der Nähe", wie er sagt. Er ist viel draußen und ist fasziniert von Insekten. Er leitet Ameisenstraßen um, beobachtet Bienen und fängt an, Hummeln in der Natur zu streicheln. "Das ist bis heute mein Hobby. Die kann man echt liebkosen", sagt er. Nach dem Abitur wollte er Biologie studieren, doch die Note reicht nicht. Also entscheidet er sich für Spanisch und Germanistik, später wechselt er zu Volkswirtschaftslehre. Schon mit zwölf Jahren habe er davon geträumt, einmal Journalist zu werden und für den Spiegel als Auslandskorrespondent zu arbeiten, sagt er. Er geht auf die Burda-Journalistenschule, volontiert bei der Münchner Abendzeitung - und landet schließlich über sein Hobby Mountainbiken beim Fernsehen.

Weil die Berge seine Leidenschaft sind, begleitet er den Ausnahmebergsteiger Hans Kammerlander auf den K2 im Karakorum -Gebirge. "K2 - Tödliche Leidenschaft" heißt die Dokumentation, in der Welz die tragischen Erfahrungen veranschaulicht, denen Kletterer auf einem der höchsten Berge der Welt bei Temperaturen von minus 45 Grad Gefahren ausgesetzt sind. Aufgrund der hohen Lawinengefahr muss das Team 150 Meter unterhalb des Gipfels umkehren. Der Film erzählt auch vom Tod des rumänischen Bergsteigers Mihai Cioroianu, nachdem er von einem Stein getroffen worden war.

Welz erzählt von der gewaltigen Präsenz der Natur, den großen Temperaturunterschieden, dem Zusammenhalt des Teams. "Da habe ich Blut geleckt, auch längere Filme zu machen", sagt er. Jahre später ist er noch einmal in den höchsten Bergen Zentralasiens unterwegs: Er begleitet Georg Kronthaler auf dem Weg zum Gipfel des 8047 Meter hohen Broad Peak. Ein Jahr zuvor starb hier dessen Bruder nur wenige Meter vom Gipfel entfernt an Erschöpfung und Flüssigkeitsmangel, Georg Kronthaler musste ihn damals zurücklassen. Ein Jahr später will er zusammen mit Freunden die Leiche des toten Bruders bergen. Was für eine Mission! Der Film ist hochemotional.

Mit dem Filmteam unterwegs am K2. (Foto: privat)
Berndt Welz erlebt dort Temperaturen bis minus 25 Grad. (Foto: privat)
Der Regisseur vom Ammersee lernt interessante Menschen kennen und ist nachhaltig beeindruckt von den Naturgewalten. (Foto: privat)

Welz arbeitet für verschiedene Sender, schließlich landet er in der Chefredaktion bei ProSieben, wird stellvertretender Redaktionsleiter bei Süddeutsche TV, dem früheren Fernsehformat von Süddeutsche Zeitung, und Redaktionsleiter von Wunderwelt Wissen, bevor er sich selbständig macht. Denn eigentlich - das wird ihm spätestens nach einem Burn-out 2011 klar - will er nur "seine" Filme machen. "Für mich ist die Zusammenarbeit mit den Menschen entscheidend." Er arbeitet gerne in kleinen Teams mit Leuten, die ihr Handwerk beherrschen. Welz berichtet kritisch über den Bauernverband und den Jagdverband und wird dafür scharf kritisiert, er begleitet die Herztransplantation eines kleinen Mädchens und berichtet von den Folgen auf die hochalpinen Lagen in den Alpen durch den von Menschen gemachten Klimawandel. Knapp 50 Dokumentationen stellt er fertig, überwiegend stammen die Ideen von ihm.

Berndt Welz ist viel unterwegs, hier in einem Helikopter im Karakorum-Gebirge. (Foto: privat)

Eine besondere Leidenschaft entwickelt der Regisseur vom Ammersee für Insekten. Welz ist regelrecht fasziniert von der Intelligenz und Leistungsfähigkeit der kleinen Geschöpfe, die sogar eine eigene Persönlichkeit entwickeln können, wie Studien nahelegen. "So cool", sagt er. "Smarte Insekten - Wie winzige Gehirne Geniales leisten" heißt seine Dokumentation, die im Oktober erstmals im Fernsehen zu sehen war. Sie zeigt, wie Wespen, Bienen, Hummeln oder Ohrwürmer Gesichter erkennen, perfekt navigieren und schwierige Denkaufgaben lösen können. "Das sind unsere drittwichtigsten Nutztiere", sagt Welz über die Bienen, die unter Pestiziden und Artenschwund leiden. "Es ist ihr großes Pech, dass sie so klein sind."

Im kommenden Jahr will sich Welz den Wespen widmen und der Kakao-Produktion in Südamerika. Vielleicht schafft er auch noch einen dritten Film, Ideen hat er genug. Doch: Es soll auch noch Zeit bleiben für sein Hobby, das Marathon laufen und für die Familie. Welz hat zwei Kinder. Und gelegentlich wird auch die ein oder andere Hummel gekrault werden wollen.

"Makro - Wie Autoreifen den Regenwald bedrohen" von Berndt Welz wird am Dienstag, 12. Dezember, um 22.25 Uhr in 3sat erstmals ausgestrahlt. Am gleichen Tag um 10.05 Uhr berichtet das "Notizbuch" auf Bayern 2 im Bayerischen Rundfunk über die Kautschuk-Recherche von Berndt Welz.

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