Nachruf:Ein Leben für die deutsch-tschechische Versöhnung

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Der Ettaler Benediktinerpater Angelus Waldstein-Wartenberg ist gestorben. (Foto: imago/Michael Westermann)

Im Alter von 92 Jahren ist Benediktinerpater Angelus Waldstein-Wartenberg vor wenigen Tagen gestorben. Am Donnerstag wird er in der Gruft von Kloster Ettal beerdigt.

Im Jahr 1995 überreichte Staatspräsident Václav Havel dem Ettaler Benediktinerpater Angelus Waldstein-Wartenberg die Verdienstmedaille des Landes Tschechien. Es war eine außergewöhnliche Ehrung, mit der Havel würdigte, dass sich Pater Angelus sein Leben lang für die Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen einsetzte.

Als vielsprachiger Lehrer und Schulleiter des Benediktinergymnasiums Ettal reiste Pater Angelus seit den 60er-Jahren mit vielen Schüler- und Lehrergruppen nach Tschechien, um kulturellen Austausch zu pflegen und gegenseitiges Verständnis zu wecken. In Prag führte er die Gruppen gerne durch das Waldstein-Palais, in dem er als Bub aufgewachsen war. "Ich wollte ihnen zeigen, dass dort auch Europa ist", sagte er und deutete mit Freude auf die Ahnengalerie, wo noch feine Striche zu sehen waren, die sie damals als Kinder hingekritzelt hatten.

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Pater Angelus zeichnete sich als Friedensstifter und Versöhner aus, der nie auf Rückgabe des Familienbesitzes in Tschechien drängte und diese Geschichte als erledigt betrachtete. 2002 beschrieb ihn ein tschechischer Journalist als Europäer: "Böhmischer Herr, österreichischer Bürger, bayerischer Mönch und aus tschechischer Sicht auch Sudetendeutscher".

Pater Angelus wurde 1931 als Karl Albrecht Graf von Waldstein-Wartenberg im tschechischen Hirschberg geboren. 800 Jahre lang nahm die Familie in Böhmen eine wichtige Position ein, zu ihren Vorfahren zählte der Feldherr Wallenstein. Am Kriegsende war sie in der Tschechoslowakei nicht mehr geduldet. Der 14-jährige Karl landete in Ettal, wo er in das im Herbst 1945 wiedereröffnete Gymnasium eintrat. Nach dem Studium in Rom und München und der Priesterweihe (1956) übernahm er im Kloster auf vielen Posten Verantwortung. Von 1984 bis 1997 war er Direktor des Gymnasiums. Von 2007 bis 2012 war er Hausoberer der Klosterfiliale im sächsischen Wechselburg.

Pater Angelus pflegte einen Führungsstil, der ganz auf das Wohl des Menschen ausgerichtet war. Seine Haltung entsprang einer tiefen Gläubigkeit, die sich aufs Beste mit einer vielseitigen Bildung vermengte. Er schrieb Bücher und Aufsätze. Den starren Rahmen von Ämtern lockerte er mit Menschlichkeit, Selbstironie und Glaubwürdigkeit auf. Nicht selten beschritt er im Alltag unorthodoxe Wege. Wie er im Wirrwarr seines Zettel- und Schachtelimperiums stets den Überblick behielt, war bewundernswert.

Zu Tagungen reiste er häufig als Tramper an. Voller Gottvertrauen stand er - von Weitem am markanten Kopf mit Spitzbart, Brille, hoher Stirn und grauer, vom Wind zerzauster Mähne zu erkennen - im Habit mit ausgestrecktem Arm am Straßenrand. Von seiner Aura gebannt, nahmen jene, die ihn auflasen, oft einen Umweg in Kauf, um ihn sicher ans Ziel zu bringen.

Vor wenigen Tagen ist Pater Angelus nach kurzer Krankheit im Alter von 92 Jahren gestorben. Am Donnerstag wird er in der Gruft im Kloster Ettal beerdigt. Die Trauerfeier beginnt um 14 Uhr in der Basilika.

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