CSU-Parteitag in Würzburg:Und wieder heißt es Aufbruch

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Einst Corona-Mahner, nun fleißiger Frühlingsfestbesucher: Markus Söder, sagen Kritiker, zeigt oftmals zwei Gesichter. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Auf dem kleinen Parteitag in Würzburg sprudelt Markus Söder nur so vor Motivation. Statt auf außenpolitische Themen richtet er seinen Fokus auf innen, auf sein Bayernland. Doch wie ernst kann man ihn hier noch nehmen?

Von Andreas Glas, Würzburg

Am Ende seiner Ansprache wird Markus Söder eine opulente Brotzeit aufs Rednerpult gepackt haben. In Worten, versteht sich. Er fängt an mit einem Brokkoli-Burger. "Respektiere ich", sagt Söder, aber bitte keine Vorschriften, "was wir essen sollen". Er macht weiter mit dem Fleischgang. Die CSU sei "nicht die Kaviar-, sondern die Leberkäs-Etage", nicht "die Avocado-, sondern die Schnitzel-Etage". Zwischendurch spült Söder rhetorisch nach: Biersteuer erhöhen? "Sorry, so einen Quatsch machen wir nicht mit!"

Mit der Biersteuer hat er sein Publikum. Im fensterlosen Saal des Würzburger Kongresszentrums überschreitet das Applausometer die Höflichkeitsschwelle. Laptop und Lederhose, "Smartphone und Sonnenblume", das gehe "alles zusammen", sagt Söder, das mache Bayern ja "so sexy". Vom "Bavarian Way of Life" spricht der CSU-Chef. So amerikanisch, dass man kurz fürchtet, da könnte einer gleich aufs Pult klettern, um seine Motivationsrede fortzusetzen. Markus Söder, The Wolf of Würzburg?

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Was am Samstag hier stattfindet, nennt sich kleiner Parteitag. Ein Arbeitstreffen, ohne Wahlen. Das Etikett "klein" hat lange nicht mehr so gut zu einem CSU-Parteitag gepasst. Unter dem Parteichef Söder ist die CSU ja recht verlässlich geschrumpft, zuletzt bei der Bundestagswahl, als CDU und CSU aus der Regierung purzelten. Für sich allein genommen ist die CSU in Berlin nun eine Kleinpartei in der Opposition, nur die Linke ist kleiner. Auch Söder selbst wurde in den Ranglisten der beliebtesten Politikerinnen und Politiker eingedampft: Laut Umfragen sind die Menschen in Bayern teils sehr unzufrieden mit ihrem Ministerpräsidenten. Das alles hat Risse hinterlassen in der sonst so betonharten Selbstwertfassade dieser stolzen bayerischen Partei.

Folgerichtig ist Markus Söder, Sohn eines Maurermeisters, nach Würzburg gekommen, um die Risse zu verspachteln, oder wenigstens mit bunter Farbe drüber zu gehen. Die Pandemie sei hart gewesen, "viele Mitglieder haben uns da verlassen", sagt Söder, der genau weiß, dass etliche Parteiaustritte mit seinem strengen Corona-Kurs zu tun hatten. Trotzdem, die CSU dürfe "selbstbewusst sein, obwohl wir in Berlin nicht in der Regierung sind". Die CSU, das sei doch "die perfekte Mischung zwischen Staatstreue und Anarchie", streichelt Söder die Delegierten.

Augsburg, Nürnberg, München, Passau: Markus Söder tingelt von Bierzelt zu Bierzelt

Schon ein paar Wochen arbeitet er inzwischen daran, wieder ein freundlicheres Bild von seiner Partei zu pinseln, und von sich selbst natürlich. "Die Lebensfreude kehrt langsam zurück", sagt Söder zu Beginn seiner Parteitagsrede. Seit Neuestem ist Söder ja schwer verliebt in dieses Wort: Lebensfreude. Ein Wort, das nicht direkt jeder mit diesem Mann verknüpft, der sich in zwei Pandemiejahren nicht nur das Image als umsichtiger Viruswachtmeister erarbeitet hat, sondern bei einigen eben auch den Ruf als Spaßbremse.

Um diesen Ruf zu korrigieren, tingelt Söder jetzt wieder von Bierzelt zu Bierzelt, von Festanstich zu Festanstich. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat das gerade so formuliert, was nicht total freundlich gemeint war: "Man kann, so wie in Bayern geschehen, das Team Vorsicht auch auflösen und daraus ein Team Volksfest-Hopping machen."

Auf Twitter hat Söder seine Bierzeltstationen akkurat dokumentiert: Augsburger Plärrer, Nürnberger Volksfest, Münchner Frühlingsfest, Passauer Maifest. Und jetzt Würzburg, Kongresshalle statt Bierzelt, aber irgendwie ist dieser Parteitag trotzdem ein Fest für den Bühnenmenschen Söder, der bei den digitalen Pandemieparteitagen auf leibhaftiges Publikum verzichten musste.

Seine Forderung: "Einfach Steuern runter"

Um die Halle auf Temperatur zu bringen, packt Söder direkt den Hammer aus und kritisiert den Umgang der Bundesregierung mit dem Krieg gegen die Ukraine. Namentlich erwähnt er unter anderem Verteidigungsministerin Christine Lambrecht ("überfordert"), Olaf Scholz ("eines Kanzlers unwürdig") und Ex-Kanzler Gerhard Schröder ("sturer, alter, skurriler Mann").

Lange hält sich der CSU-Chef aber nicht auf mit Außenpolitik. Er richtet seinen Fokus nach innen, ins Bayernland, besonders in den Geldbeutel der Bayern. Die Menschen seien "tief besorgt", was der Krieg für sie bedeute. Heizen, Sprit, Lebensmittel, alles teurer. "Einfach Steuern runter", fordert Söder. Man müsse Normalverdiener entlasten, Handwerker, Menschen in sozialen Berufen, sie alle gehören für ihn zur Schnitzel-Etage. "Ist jetzt alles trostlos?, fragt Söder abrupt, und antwortet: "Aber nein!" Es folgt die übliche Superbayern-Strecke. Niedrige Arbeitslosigkeit, niedrige Schulden, höchste Sicherheit, alles "Verdienst der CSU".

Er sei "nur für Bayern im Einsatz", hat Söder neulich gesagt. Die einen sehen darin die überraschende Selbstverniedlichung eines Mannes, der seinen Platz vor kurzem noch im Kanzleramt sah und auf der Bühne der internationalen Politik. Die anderen deuten Söders neuen Bayern-Fokus als das, was er vermutlich ist: der Realismus eines Regionalparteichefs, der eingesehen hat, dass er inmitten eines weltbewegenden Krieges immer weniger Gehör findet außerhalb Bayerns. Und, das gehört natürlich auch zur Realität: Im Herbst 2023 ist Landtagswahl.

Unter Söder ist die CSU ja weiterhin auf der Suche nach sich selbst. Und immer mehr wirkt es, als habe sich die Partei auf dieser Suche verheddert in all den Rollen, die Söder ihr schon verpasst hat, und sich selbst: Asyl-Scharfmacher, Öko-Liberaler, jetzt wieder betont konservativ, nicht alle blicken da noch durch. "Oft kommt die Frage: Ja, wer sind wir?", das räumt Söder beim Parteitag offen ein. Und listet auf, wofür seine CSU steht, Stand April 2022 jedenfalls: Freiheit, Werte und Ordnung, Nachhaltigkeit. Dass ihm bis zur Landtagswahl mehr einfallen muss, das weiß Söder natürlich. "Es gibt eine Menge zu tun", sagt er in Würzburg.

Am Nachmittag, kurz vor halb drei, ist der Parteitag zu Ende. Bevor die Regie die Bayernhymne einspielt, fasst Stephan Mayer die Rede seines Parteichefs nochmal zusammen. "Ein klares Signal des Aufbruchs", ruft Söders neuer Generalsekretär in den Saal. Aufbruch, mal wieder, man hat das in den vergangenen Jahren oft gehört in der CSU. Die Frage ist jetzt nur, wie viele Aufbrüche diese Partei noch verkraftet.

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