Landtagsdebatte über Staatstrojaner:"Ich höre lieber zu als ab"

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Keine Spur von Nervosität: Die CSU-Fraktion hat Joachim Herrmann den Rücken gestärkt und auch Parteichef Seehofer steht hinter seinem Innenminister. Da stört auch die Kritik vom Koalitionspartner nicht - zunächst zumindest.

Birgit Kruse

Viel zu befürchten hat Joachim Herrmann nicht mehr. Horst Seehofer hat sich bereits hinter seinen Innenminister gestellt. Von umfangreicher Aufklärung spricht der CSU-Chef und davon, "dass nichts verschleiert wird".

Ministerpräsident Horst Seehofer und die CSU-Fraktion stärken Innenminister Joachim Herrmann den Rücken. (Foto: dpa)

Und auch die Fraktion hat erst wenige Stunden vor der Plenardebatte im Bayerischen Landtag Herrmann ihre Unterstützung zugesichert. Sogar Applaus habe es für die Äußerungen des Ministers gegeben, wird nach der Sitzung erzählt. Den verbalen Schlagabtausch, den es in den kommenden zwei Stunden im Plenum geben wird, wird Herrmann auch überstehen.

So blättert der Innenminister zunächst seelenruhig in seinen Unterlagen, während Andreas Fischer vom Koalitionspartner FDP am Rednerpult gegen den Einsatz des Staatstrojaners und das Verhalten des Freistaates wettert.

Auslöser für die Dringlichkeitsanträge der Fraktionen war eine Meldung des Chaos Computer Club vom Wochenende. Dieser hatte kritisiert, mit dem sogenannten Staatstrojaner könne nicht nur die Kommunikation überwacht, sondern auch der Computer komplett ferngesteuert werden. Dies ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung rechtswidrig.

Von einem "Datenschutzskandal", der das Land erschüttert, spricht Fischer nun und bezeichnet den Einsatz von Trojanern als "rechtstaatlich bedenklich". Eine Quellen-TKÜ, also das Abhören verschlüsselter Telekommunikation, sei völlig inakzeptabel. Umfassend, lückenlos und vor allem schnell müsse nun aufgeklärt werden, so seine Forderung. Denn für Fischer geht es um eine massive Verletzung der Privatsphäre - und das passt überhaupt nicht zum Grundverständnis der Liberalen.

Von all den Vorwürfen will die CSU nichts hören, die Kritik des kleinen Koalitionspartners perlt zunächst noch an Joachim Herrmann ab. Er kritisiert vielmehr, dass hier eine große politische Debatte mit reichlich Halbwissen geführt werde. "Wir haben überhaupt nichts zu verbergen", ruft er mit sonorer Stimme ins Plenum. Sein Parteichef Horst Seehofer sitzt wenige Meter neben ihm. Die Arme verschränkt, zustimmend nickend. Später wird er Herrmann für dessen Rede loben.

Doch zurück zum Innenminister, der je länger die Debatte dauert, immer ungehaltener wird. Immer wieder betont er, das es nichts zu verbergen gebe, dass alles im rechtlichen Rahmen verlaufen sei und dass man einer Prüfung nicht im Wege stehe.

Außerdem gebe es "keine Standardsoftware", die zum Einsatz gekommen sei. Vielmehr sei in jedem Fall die Software "für jeden Einzelfall konfiguriert" und vor dem Einsatz im Landeskriminalamt getestet worden.

Und auch die anderen CSU-Redner vor Herrmann rechtfertigten den Einsatz der Software - wie etwa Justizministerin Beate Merk. Unter viel Zustimmung der Fraktion betont sie ein ums andere Mal, dass die Überwachung nicht "aus Jux und Tollerei" geschehe, sondern zum Schutz der Menschen. "Wir tun das, was wir tun dürfen - nicht mehr aber auch nicht weniger."

Alexander König tritt ebenfalls für die Christsozialen ans Rednerpult, um eine Verteidigungsrede für den Innenminister zu halten. Nicht die Polizei und auch nicht die Justiz würden den Rechtsstaats gefährden, sondern die Kriminellen, stellt König gleich zu Beginn fest. Und diesen müsse man auf Augenhöhe mit den entsprechenden technischen Mitteln begegnen.

Selbstverständlich sei, dass die engen Rechtspfeiler dabei auch eingehalten worden sind und auch künftig werden. Das könne ebenso zugesichert werden wie die sorgfältige Prüfung der jetzt erhobenen Vorwürfe. Und noch etwas möchte König festhalten: Die Bürger könnte auch künftig darauf vertrauen, dass alle verfassungsrechtlichen Bürgerrechte eingehalten werden. Dafür gibt es einen Handschlag und wohlwollende Worte vom Ministerpräsidenten.

Als die Grünen-Abgeordnete Susanna Tausenfreund den Innenminister zum Zuhöhren ermahnt, entgegnet Herrmann keck: "Ich höre lieber zu als ab". Zu hören bekommt er von der Grünen-Politikerin vor allem Vorwürfe. Für sie sind alle rechtlichen Grundsätze über den Haufen geworfen worden. Sie sieht die Gefahr eines fließenden Übergangs von der Quellen-TKÜ zur rechtswidrigen Online-Überwachung.

Die Forderung der Grünen: den sofortige und dauerhafte Stopp. Denn eine Quellen-TKÜ sei dauerhaft nicht von einer Online-Überwachung zu unterscheiden. Und auch die Freien Wähler kritisieren die Staatsregierung und sehen klar den Innenminister in der Verantwortung, mit hoch sensiblen Überwachungsinstrumentarien auch sorgfältig umzugehen. Ein "derart lässiger" Umgang sei nicht akzeptabel, kritisiert Bernhard Pohl und fordert, wie seine Vorredner, eine umfassende Aufklärung. An dieser müsse sich der Innenminister letztlich auch messen lassen.

Bereits im Vorfeld der Debatte hatte Herrmann die Bundesregierung aufgefordert, Klarheit für künftige Computerüberwachungen zu schaffen. Es müsse eine "gemeinsame Linie" gefunden werde, wie deutschlandweit verfahren werde. Dazu sei ein rasches Treffen der Justiz- und Innenminister von Bund und Ländern notwendig. Und noch etwas stellte Herrmann in den Raum - die Einführung eines "Software-TÜVs". Auch darüber könne man in den nächsten Wochen in Ruhe beraten.

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