CSU:Der Chef hat das letzte Wort

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Harmonie sieht anders aus: Ministerpräsident Horst Seehofer und Finanzminister Markus Söder (Archivbild). (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Regierungschef Seehofer ist sauer, weil Finanzminister Söder in einem Interview die Flüchtlingskrise mit dem Terror in Paris vermengt. Dieser sagt, er akzeptiere den Führungsanspruch seines Chefs - und redet munter weiter.

Von Daniela Kuhr, München

Wenn jemand den Eindruck macht, dass er sich an diesem Morgen auf seinen Auftritt vor der Parteizentrale der CSU so richtig gefreut hat, dann ist es Markus Söder. Mit festem Schritt geht Bayerns Finanzminister am Montag um kurz vor neun Uhr auf die wartenden Journalisten zu, stellt sich breitbeinig vor die Kameras, blickt aufgekratzt in die Runde und fragt: "Gibt's was Neues?"

Was für eine Frage. Als ob er nicht ganz genau wüsste, dass an diesem Morgen schon alle auf ihn gewartet haben. Gleich wird drinnen der Parteivorstand tagen, auf der Tagesordnung steht eine Resolution zu den Terroranschlägen von Paris. Außerdem will die Parteispitze über den Leitantrag für den CSU-Parteitag an diesem Wochenende beraten. Darin wird unter anderem ein Flüchtlingskontingent für Deutschland gefordert. Doch die Journalisten, die vor der Parteizentrale auf die eintreffenden Vorstandsmitglieder warten, interessiert zunächst einmal etwas ganz anderes: Wie hat die Führungsspitze in der CSU das Interview empfunden, das Söder am Wochenende einer Sonntagszeitung gegeben hat? Und vor allem: Wie denkt Söder selbst inzwischen über das, was er gesagt hat? Schließlich ist er das ganze Wochenende über heftig kritisiert worden. Auch und besonders aus der Union. Und vor allem von CSU-Chef Horst Seehofer.

"Besonnenheit und Entschlossenheit sind kein Widerspruch", beginnt Söder seinen Auftritt am Montagmorgen. Wer sich das ganze Interview durchlese, erkenne "die Differenziertheit in der Argumentation" - womit der Finanzminister sofort klarstellt: Nichts, aber auch gar nichts von dem, was er in der Welt am Sonntag gesagt hat, wird er zurückzunehmen. Weder den Satz, dass "nicht jeder Flüchtling ein IS-Terrorist" sei, dass es aber naiv sei zu glauben, unter den Flüchtlingen befinde sich kein einziger Bürgerkrieger. Noch seine Aufforderung an Bundeskanzlerin Angela Merkel, einzuräumen, dass die "zeitlich unbefristete Öffnung der Grenzen ein Fehler war". Und erst recht nicht, dass er verlangt hat, Deutschland müsse seine Grenzen besser kontrollieren. Gerade letzteres fordern schließlich so gut wie alle. Übrigens auch Seehofer. "Ich unterstütze den Ministerpräsidenten, der am Samstag deutlich gemacht hat, dass eine unkontrollierte Zuwanderung auf Dauer nicht möglich ist und dass wir wissen müssen, wer in unser Land kommt", sagt Söder - womit er den Beweis erbracht zu haben glaubt, dass Seehofer eigentlich genau das gleiche sagt wie er und dass sich der Ministerpräsident offenbar nur über das Interview geärgert hat, weil Söder überhaupt schon wieder den Mund aufgemacht hat.

Seehofer selbst sieht das allerdings ganz anders. Was ihn geärgert hat, war nicht die Forderung seines Finanzministers nach besseren Grenzkontrollen, sondern die Tatsache, dass Söder die Flüchtlingspolitik und die Frage nach einer effektiven Bekämpfung des Terrorismus' vermengt hat. Und vor allem: dass er schon wieder die Kanzlerin kritisiert hat. Für beides bestehe "überhaupt kein Anlass", hatte Seehofer gleich am Sonntag klargestellt - und aus seinem Unmut über Söder keinen Hehl gemacht. In derart ernsten Fragen sei ganz klar: "Der Ministerpräsident hat das letzte Wort." Das könne er einmal sagen, das könne er aber nicht auf Dauer sagen. "Punkt." Wohl um die Wogen zu glätten, sagte Söder am Montag, natürlich akzeptiere er den Führungsanspruch des Ministerpräsidenten.

In der Vorstandssitzung selbst sei das Thema nicht mehr angesprochen worden, jedenfalls nicht unmittelbar, hieß es anschließend aus Teilnehmerkreisen. Allerdings hätten einige Vorstandsmitglieder - wohl mit Blick auf den Finanzminister - dringend appelliert, jeder möge auf seine Wortwahl achten, da man sich in einer "leicht entflammbaren Situation" befinde.

Für den CSU-Parteitag am Wochenende beschloss der Vorstand einstimmig den besagten Leitantrag, in dem Flüchtlingskontingente mit einer klar definierten Obergrenze gefordert werden. "Deutschland kann die Flüchtlingsströme der Welt nicht allein schultern", heißt es da. "Wir sind in Vorleistung getreten. Deshalb soll Deutschland für nächstes Jahr ein Kontingent für Bürgerkriegsflüchtlinge entsprechend seiner leistbaren Kapazitäten festlegen." Das dürfte für erneute Debatten in der Koalition sorgen, da die Bundeskanzlerin feste Obergrenzen bislang ablehnt. Gleichzeitig fordert die CSU, dass auch auf EU-Ebene feste Flüchtlingskontingente und feste Verteilungsquoten vereinbart werden. Bayern müsse Bayern bleiben, heißt es in dem Antrag weiter. "Wir haben keine Angst vor Veränderung, aber wir wollen kein anderes Land."

Parallel dazu verabschiedete der Vorstand eine Resolution zu den Terroranschlägen von Paris. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer betonte, dass man das Thema "völlig getrennt" von der Flüchtlingsfrage betrachte. An der Grenze müsse intensiver kontrolliert werden, damit "umgehend wieder Klarheit" bestehe, "wer in unser Land kommt, wer durch unser Land fährt und wer sich hier aufhält", so die Resolution. Auch die Bundeswehr könne beim Schutz der Sicherheit "im Verbund mit anderen Sicherheitsbehörden" helfen.

© SZ vom 17.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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