Corona:Söder will "beim Lüften Dampf machen"

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Lüftungsanlagen für Klassenzimmer, Unterricht ohne Maske, spätere Sperrstunde und ein Auge auf Reiserückkehrer - Kabinett beschließt neue Regelungen

Von Johann Osel, München

Es sei "scheinbar alles im Lot", sagt Markus Söder: Die Corona-Inzidenz in Bayern sinkt weiter, aktuell auf 6,8, elf Landkreise melden die "sehr, sehr positive Zahl null". Doch wegen der sich verbreitenden Delta-Variante benötige es weiterhin "Grundparameter der Vorsicht" und "Klugheit im Umgang" mit dem Virus - auch mit Blick auf den Herbst. "Wir wollen "Lebensfreude nicht dämpfen", aber es seien Voraussetzungen zu treffen, um die Zahlen niedrig zu halten. Der Ministerrat hat sich am Dienstag mit der Strategie für die kommenden Wochen und mit mittelfristigen Maßnahmen beschäftigt. Ein Überblick.

Klassenzimmer: Die Regierung plant für die Zeit nach den Ferien Lüftungsanlagen in jedem Klassenzimmer. Dann soll jede Schule mit solchen mobilen Geräten ausgestattet sein, sagte Söder. 50 Prozent der Anschaffungskosten werde der Freistaat übernehmen, die andere Hälfte sollen die Kommunen tragen, die in der Regel Sachaufwandsträger der Schulen sind. Ziel sei es, nach der Urlaubszeit "die Schulen so sicher wie möglich zu machen". Jeder müsse da seinen Beitrag leisten - positive Signale von Städte- und Landkreistag höre er, es gehe noch um die Modalitäten. Man wolle "beim Lüften Dampf machen". Der Ministerpräsident warnte: Wer sich dem verweigere, der werde "öffentliche Debatten auslösen in seiner Region". Die Filter einzurichten sei für die Kommunen zwar nicht "rechtlich verpflichtend", merkte Kultusminister Michael Piazolo (FW) an; doch es sei "deutlich mehr als eine Bitte". Derzeit gebe es in 14 000 Klassenzimmern und in 1000 Kitas derlei Geräte. Im ersten Programm dazu sei es, damals mit Vollfinanzierung, zunächst um nicht lüftbare Räume gegangen. Die SPD-Fraktion warnte am Dienstag davor, die Verantwortung den Kommunen zuzuschieben - der Freistaat müsse mindestens 80 Prozent tragen. Die FDP sprach von einer "Luftnummer ohne Umsetzungsplan" - noch dazu "zu spät".

Masken in Schulen: An weiterführenden Schulen ist bei einer Inzidenz unter 25 keine Maske am Platz mehr zu tragen. Der Wert 25 ist neu in der Maßnahmen-Statik und offenbar Ergebnis eines Kompromisses der Koalitionspartner. Regelmäßiges Testen in Schulen soll ausgebaut werden, Söder sprach von drei Tests pro Woche.

Freizeit: Der Freistaat übernimmt für Grundschüler bei Neueintritt in Sportvereine den ersten Jahresbeitrag. Es gehe um "aktive Bewegungsförderung" sowie Sport unabhängig von sozialen Verhältnissen. Auch den Vereinen, die unter Austritten in der Krise litten, soll so geholfen werden. Zudem wird die Regierung das Frühschwimmerabzeichen fördern. Erstklässler und neue Vorschulkinder erhalten einen Gutschein für den "Seepferdchen"-Kurs; auch zur Förderung der Schwimmfähigkeit. Für alle Schulabsolventen soll es einen "Sommerpass" geben, mit dem sie freien Eintritt in staatliche Schlösser oder Museen sowie Gratis-Fahrten bei der bayerischen Seenschifffahrt erhalten. Finanzminister Albert Füracker sprach von einer "verdienten Belohnung", Wissenschaftsminister Bernd Sibler (beide CSU) lobte, die Absolventen hätten "bewiesen, dass sie auch in herausfordernden Situationen ihren Weg weitergehen können".

Gastronomie: Die Sperrstunde wird von Mitternacht auf 1 Uhr verschoben. Nachtgastronomie und Discos bleiben dicht, es gibt auch keine Perspektive. Das liege auch daran, dass die jugendliche Zielgruppe nicht geimpft ist, sagte Söder. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) gab an, hier hätte er sich Öffnungen gewünscht. Erfreulich für ihn sei etwa, dass überregionale Märkte wieder zugelassen werden.

Veranstaltungen: Unter Hygieneauflagen sind bei Sport und Kultur im Freien statt bisher 500 künftig bis zu 1500 Zuschauer erlaubt, davon bis zu 200 auf Stehplätzen mit Mindestabstand. In Hallen und Theatern sind weiter so viele Gäste gestattet, wie gemäß Abständen möglich, höchstens 1000; das gilt analog auch für Kongresse.

Reiserückkehrer: Söder fordert den Bund auf, bei Rückkehrern aus dem Sommerurlaub strikter Test- und Quarantänepflichten zu überprüfen. Die bisherige "Weigerung des Bundes" sei "enttäuschend". Über das Thema wird seit Tagen bundesweit debattiert. Bayern will ein Konzept etwa mit Schleierfahndung an den Grenzen vorlegen, doch gefragt sei der Bund. "Wir haben keine Lust, dass wir im September wieder da stehen, wo wir letztes Jahr waren", so Söder. 2020 galten die Urlauber als eine der Ursachen für den Wiederanstieg der Infektionen im Herbst.

© SZ vom 30.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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