Mitten in Bayern:Abgesang auf den Kirtamontag

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Von Hans Kratzer

Die Zeit hält sich an kein Tempolimit, sie rast dahin wie ein Rennfahrer auf der Geraden. Schon wieder ist ein Wochenanfang angebrochen, und es ist sogar ein besonderer Tag: Kirchweihmontag. Doch leider ist der Glanz dieses Festes verblasst. Als Ludwig Thoma seine Bauernromane schuf, galt die Kirchweih noch als größtes Fest im Jahreslauf: "Hint im Hof grunzt die Sau; der Bauer wetzt das Messer", schilderte Thoma die Szenerie, die stets eine mehrtägige Verrenkung des Magens nach sich zog. Dies geschah unter Zuführung von Leberknödeln und Bratwürsten, von Gansjung mit Knödeln, Tellerfleisch mit Kren, Schweinsbraten mit Sauerkraut, Ente mit Salat. Schmalznudeln, Schuxen und Zwetschgenbavesen schob man hinterher.

Bis 1866 hatte jedes Dorf seine eigene Kirchweih, und zwar am Festtag des Kirchenpatrons. Weil dadurch die Zahl der Feiertage überhand nahm, wurde die Kirchweih auf den dritten Sonntag im Oktober verlegt. In der Oberpfalz hat die Bevölkerung diesen Erlass ignoriert. Deshalb ist dort an jedem Wochenende Kirwa, aber stets in einem anderen Dorf. Auf die Ammersrichter Kirwa folgen die Wolfsfelder, die Saltendorfer, und die Gebenbacher Kirwa, gefolgt von der Kirchenreinbacher und der Ursulapoppenrichter Kirwa, bis die Kühlenfelser Kirwa die Saison abrundet. Die Menschen in der Oberpfalz leben quasi im Kirwa-Paradies.

Aber auch die allgemeine Kirchweih im Oktober war voller Wonnen. Die Tanzmusik, das Stampfen und Juchzen, das sich auf der Kirtahutschn fortsetzte, wo die Mädchen kreischten, wenn ihre Verehrer die Schaukel bis zum Balken hinauf trieben. Alte Quellen belegen, was sich danach nicht vermeiden ließ - der Staudenkirta: "Man trifft in Wäldchen und im Dickichte der Stauden die Paare in nicht allzu weiter Entfernung voneinander, Aphroditen Opfer bringend." Oft endete das Fest auch mit einer Rauferei. Dann kehrten die Gäste mit "pluottigen koepffen" heim, wie Sebastian Franck 1534 klagte.

"A guater Kirta dauert bis zum Irta", lautet ein alter Spruch. Das heißt übersetzt: "Eine gute Kirchweih dauert bis zum Dienstag." Das Wort Irta ist so wertvoll wie eine Schmalznudel, denn es stammt aus der Antike und wurde von den Ostgoten in unsere Sprache vermittelt. Man sollte also demütig sein und an diesem Montag keinen Donut essen, wenn die Bäckereien zur Kirchweih Schmalzgebäck, Striezel und Bauernkrapfen feilbieten. Ja sogar Powidl-Tatschkerl aus Böhmen sind zum Greifen nahe, mit Zwetschgen gefüllte Teigtaschen, die ein Gaudibursch in Covidl-Tascherl umbenannt hat.

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