Blattmacher:Mut, der belohnt wird

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Mit Lehrer Alexander Lampe (links) haben vier Schüler stellvertretend für die Redaktion der Hans-Bayerlein-Schule im vergangenen Juli bei Landtagspräsidentin Barbara Stamm ihre Blattmacher-Urkunde abgeholt. (Foto: David-Pierce Brill)

Die Redaktion der Hans-Bayerlein-Schule wurde mit einem Heft über Schmerzen Bundessieger beim Schülerzeitungswettbewerb der Länder

Von Anna Günther, Passau

Ein Heft über Schmerzen? Ist das nicht zu deprimierend? Als die Redaktion der Kunterbunten Schatztruhe im September 2017 dieses Thema vorschlug, war Alexander Lampe nicht so begeistert. Der Förderschullehrer ist an der Passauer Hans-Bayerlein-Schule zuständig für die Schülerzeitung, immer im September arbeiten seine Schüler Themen aus, überlegen sich journalistischen Darstellungsformen und sammeln mögliche Geschichten. Dann entscheidet die Redaktion, welches Thema als Schwerpunkt im neuen Heft behandelt wird. Schmerzen wollten die elf Buben und das Mädchen haben. "Ich hätte lieber zum Thema Fußballweltmeisterschaft eine Zeitung gemacht", sagt der Lehrer. Er befürchtete, dass die Leser abgeschreckt würden.

Die Redaktion setzte sich durch. Zum Glück. Denn Lampe sollte sich irren. Der Mut seiner Schüler, offen über dieses schwierige und intime Thema zu schreiben, hat sich mehrmals ausgezahlt: Nicht nur die Juroren im Blattmacher-Wettbewerb, den die Süddeutsche Zeitung gemeinsam mit dem bayerischen Kultusministerium als Landesentscheid des Schülerzeitungswettbewerbes ausrichtet, lobten den Mut und die Texte der Schüler: Die 14. Ausgabe der Kunterbunten Schatztruhe räumte im vergangenen Sommer den ersten Platz beim Blattmacher in der Kategorie Förderschulen ab und wurde nun auch im Bundesentscheid zur besten Schülerzeitung einer deutschen Förderschule gekürt. Die bayerischen Hefte schneiden beim Bundesentscheid oft gut ab, diesmal ging sogar knapp die Hälfte der Preise in den Freistaat. Die Sensation gelang aber nur den Passauern: Sie wurden wieder Erste und bekamen dazu einen Sonderpreis. Auch die Juroren in Berlin belohnten die Offenheit der Schüler: Sie schreiben im Heft über Selbstverstümmelung, Trauer, Liebeskummer, Gewalt und Schmerzen nach einer Operation. Sie schreiben über Menschenhandel und Gewalt auf der Flucht. Leichtigkeit bringen Arzt-Witze und das Potpourri aus dem Schulleben.

Groß war die Überraschung auch in Passau, als Alexander Lampe die E-Mail aus Berlin öffnete: 1000 Euro bekommt die Redaktion der Kunterbunten Schatztruhe als Sieger. Mit weiteren 1000 Euro ist der Sonderpreis der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung dotiert, die Texte und Hefte zum Thema Schulgesundheit und Sicherheit auszeichnet. "Die Schüler sind stolz wie Oskar, und ich habe mich auch sehr gefreut", sagt Lampe. Das Gerangel sei groß, alle wollen im Juni mit zur Siegerehrung nach Berlin fahren. Acht Schüler nimmt Lampe mit, vier aus der Siegerredaktion, die zum Teil schon die Schule verlassen haben, und besonders engagierte aus dem aktuellen, neuen Team. Dafür muss er einen Teil des Preisgeldes einsetzen, aber das sei gut investiert, findet Lampe. Die Jugendpresse Deutschland und der Verband der Zeitungsverleger, die den Bundeswettbewerb ausrichten, übernehmen die Reisekosten für zwei Lehrer und zwei Schüler von den 37 Gewinnerzeitungen.

"Kunterbunte Schatztruhe" heißt die Zeitung, die in der Förderschule in Passau gemacht wird. (Foto: David-Pierce Brill)

Seit zehn Jahren betreut Lampe die Schülerzeitung am Sonderpädagogischen Förderzentrum in Passau. Der Förderschwerpunkt dieser Schule liegt bei Sprache, Lernen und sozial-emotionaler Entwicklung. "Gerade für unsere Schüler ist es wichtig, an Projekten zu arbeiten und dabei zu lernen, Kritik und Verbesserungen anzunehmen", sagt Lampe. Den Schülern werde in der Redaktionsarbeit schnell klar, dass sie nicht alles in 20 Minuten fertigmachen können und dass gute Geschichten Zeit brauchen. Die Fortschritte der Schüler-Redakteure könne er sehen, sagt Lampe.

Bei aller Freude über die Preise arbeitet die AG Schülerzeitung längst am 15. Heft, das bis zum Sommer fertig sein muss. Lampes Sehnsucht nach leichteren Inhalten bleibt allerdings auch diesmal ungestillt. Die Jugendlichen widmen sich im neuen Heft der Kunterbunten Schatztruhe dem Thema Geschlechterrollen.

Um engagierte Redaktionen zu fördern, veranstalten Kultusministerium und Süddeutsche Zeitung seit 2005 den Schülerzeitungswettbewerb Blattmacher. Auch in diesem Schuljahr 2018/19 küren Juroren aus Medien, Wirtschaft, Schulen und Politik die besten drei Print-Zeitungen aus Grund-, Mittel-, Förder- und Realschulen sowie aus Gymnasien und Beruflichen Schulen. Die Sieger bekommen Geldpreise und eine besondere journalistische Förderung. Längst haben Schülerzeitungen auch Online-Ausgaben, die ebenfalls im Wettbewerb ausgezeichnet werden. Bis Mittwoch, 26. Juni 2019 (Datum des Poststempels), können Redaktionen von Print- und Online-Schülerzeitungen Exemplare einschicken. Außerdem bekommt jede teilnehmende Schule ein SZ-Abo für drei Monate. Einzusenden sind je fünf Exemplare einer Ausgabe, die zwischen September 2018 und Juni 2019 erschienen ist. Bei Online-Schülerzeitungen genügt der Teilnahmebogen. Es werden wieder drei Print-Sieger pro Schulart sowie schulartübergreifend drei Onlinezeitungen ausgezeichnet und zur Siegerehrung Mitte Juli 2019 nach München eingeladen. Weitere Infos: sz.de/blattmacher.

© SZ vom 14.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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