Bildungspolitik:Schwere Schulaufgaben

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Otto Lederer (links) hat sich von den Argumenten für das G9 überzeugen lassen, Gerhard Waschler verteidigt das achtjährige Gymnasium. Fotos: privat (l.), Robert Haas (Foto: privat (l.), Robert Haas)

Viele Bayern wünschen sich das neunjährige Gymnasium zurück, aber die CSU ziert sich noch. In der Fraktion hängen noch einige am G 8

Von Anna Günther, München

Wo ist das Problem? Und wieso dauert das so lange? Diese Fragen stellen sich Eltern, Lehrer und Schüler in Bayern. Umfragen und Anmeldezahlen für den G-9-Versuch Mittelstufe Plus zeigen seit Monaten deutlich: Die große Mehrheit wünscht sich das neunjährige Gymnasium zurück. Aber die CSU-Landtagsfraktion ziert sich, verweist auf die laufende Dialogphase und will sich für die Entscheidung bis Ende Februar Zeit nehmen. Derweil müssen Schulleiter Eltern und Schüler vertrösten, Infoabende aufschieben oder informell die Haltung der Eltern abfragen, um planen zu können. In der CSU-Fraktion ringen unterdessen Vertreter unterschiedlicher Positionen um eine Lösung.

Die Prinzipienreiter: Finanzpolitische Gründe und der Wunsch nach Ruhe am Gymnasium scheint den CSU-Fraktionsvorsitzenden Thomas Kreuzer beim G 8 zu halten. Die Rückkehr zum G 9 dürfte auf die nächsten Jahre verteilt 1000 zusätzliche Lehrerstellen kosten, das finden einige zu teuer. Und eine Reform bringt wieder Trubel ins System. Trubel, der in den vergangenen zwölf Jahren mit Nachbesserungen wie dem Flexijahr bekämpft werden sollte. Ob die Ruhesuchenden in der Fraktion das G 9 möglich machen, hängt auch daran, welcher Trubel schneller erstickt ist und ob ein G 9 auch an Real- und Mittelschulen größere Schülerwanderungen auslösen könnte. Gerhard Waschler, der bildungspolitische Sprecher der CSU, verteidigt das G 8 im Landtag stets so energisch, dass er jede Kritik an der Laufzeit als Angriff auf das bayerische Gymnasium an sich versteht und zum Gegenangriff übergeht. Auch die Erinnerung an die "Prügel", die er nach der G-8-Einführung von der Basis bezog, dürfte ein Grund für die Haltung des Passauer Hochschullehrers sein. Insider berichten aber, dass Waschler hinter den Kulissen seine Kehrtwende einleitet. "Manche müssen halt immer auf Seiten der Sieger stehen", sagt einer.

Die Pragmatiker: An Pfiffe und verbale Attacken erinnert sich auch Staatssekretär Bernd Sibler. Hört man ihm genau zu, ist klar, wohin er tendiert - zum G 9. Auch die meisten niederbayerischen Gymnasien haben sich längst für ein G 9 entschieden. Und als Wissenschaftsstaatssekretär mahnt er schon jetzt, die finanziellen Folgen für die Hochschulen zu bedenken, wenn ihnen ein Abiturjahrgang fehlt. Offiziell aber müssen Sibler und sein Kollege Georg Eisenreich das Diplomatie-Tänzchen durchziehen und auf den Dialogprozess samt Entscheidung der Fraktion verweisen. Der ehemalige Gymnasiallehrer Otto Lederer aus Rosenheim ist Vizevorsitzender des parteiinternen Arbeitskreises Bildung und Kultus und überzeugt vom achtjährigen Gymnasium. Aber Lederer blieb stets offen für gute Argumente. Seine Meinung behielt er für sich, bis ihm seine Direktoren daheim klarmachten, dass sie ein G 9 haben wollen. Er akzeptiere mittlerweile das allgemeine Stimmungsbild, heißt es. Sofern das Gymnasium durch die Reform nicht an Niveau verliere. Vize-Fraktionschef Karl Freller hat als ehemaliger Kultusstaatssekretär sein eigenes Modell erarbeitet. Allerdings hat sein G 8 mit Zusatzjahr wenig Anhänger gefunden.

Die Mutigen: Klar bekannten sich bisher nur die jüngeren CSU-Politiker zum G 9. Die Junge Union hatte sich vor gut einer Woche klar für eine Rückkehr zum G 9 ausgesprochen und ein eigenes Konzept vorgelegt, in dem auch die Oberstufe reformiert und der Lehrplan wieder angereichert werden soll. Noch früher positionierte sich der schwäbische Abgeordnete Peter Tomaschko, der für mehr Lernzeit und Ruhe am Gymnasium die zusätzlichen Kosten in Kauf nehmen würde.

Der Minister: Ludwig Spaenle wirkt wie gefangen im Versuch, es allen recht zu machen. Einerseits will Ministerpräsident Horst Seehofer ein Konzept für ein neunjähriges Gymnasium. Andererseits muss Spaenle die Befindlichkeiten der Fraktion beachten, um überhaupt eine Reform durchzukriegen. Sein Plan ist in der Fraktion umstritten, die geplanten Wahlmischmodelle sind seit vergangener Woche nach monatelanger Kritik der Verbände vom Tisch. Um weitere Unruhe zu vermeiden werden nun doch nicht die Schulen entscheiden, ob sie acht oder neun Jahre oder beides anbieten wollen. Stattdessen soll es eine Ansage aus dem Ministerium geben.

Die schweigende Mehrheit: Ausscherer sind in der Fraktion selten, intern aber diskutiert auch die CSU. Damit nicht nur die Bildungspolitiker die Abgeordneten beeinflussen, hatten die Verbände ihre Schulleiter und Eltern losgeschickt, um den Wahlkreisabgeordneten die Stimmung an den Gymnasien zu erklären. Offenbar mit Erfolg, denn die Stimmung dreht sich - auch wenn sich kaum jemand offen äußert. Das letzte Wort hat aber wohl der Ministerpräsident. Wie pragmatisch Seehofer das G-8-G-9-Gerangel sieht, ist kein Geheimnis. Die Koalition mit dem Wähler nimmt Seehofer ernst. Hauptsache, der Streit um das G 9 wird vor der Landtagswahl 2018 abgeräumt.

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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