Servus Leute! So flott richtet sich Georg Mayerhofer an Zuschauer und Leser. Dann tut er das, was ein Bauer seiner Ansicht nach heutzutage tun sollte: nicht nur Feldfrüchte anbauen, sondern auch Brücken bauen - in die Gesellschaft. Auf Facebook und seinem Blog will er "die Leute mitnehmen", zeigen, was auf den Äckern wächst, erklären, "wie komplex unser Job geworden ist" - und dass es daher keine simplen Lösungen gebe.
Zu erzählen hat der Niederbayer, Mitte 30, viel: Zum Beispiel hat er ein Konstrukt für bodenschonendes Düngen ausgetüftelt, er investiere in Artenschutz so viel, wie ihm möglich sei. Bei den "Viechern" in Gewässerschutzstreifen, sagt er, wenn man da zuschaue und zuhöre, "geht einem das Herz auf". Ein Preis der Branche ehrte ihn 2017: als "Landwirt des Jahres", "Ackerbauer mit Weitblick". Modern, kontaktfreudig, offen - vielleicht ist der Wunschlandwirt in der Vorstellung manchen Städters, der noch nie auf einem Bauernhof war und nun mit dem Volksbegehren für Artenvielfalt die Bienen retten will, recht nah dran an Georg Mayerhofer.
Dieses Volksbegehren aber lehnt Mayerhofer klar ab. Er ruft in einem Facebook-Video auf, sich die Unterschrift zu überlegen; und er führt das näher aus, wenn man ihn besucht in Parschalling im Kreis Passau. Die Hofstelle existiert seit dem 17. Jahrhundert. 270 Hektar bewirtschaftet er konventionell, in Kooperation führt er eine Biogasanlage, dazu kommt Schweinemast. 1200 Mastplätze sind es aktuell. Es ist ruhig auf dem Hof mittags, auch die Spielzeugtraktoren seiner Buben glänzen ungenutzt in der Wintersonne; im Saustall rumpelt es hie und da, die Biogasanlage raucht vor sich hin. Beim Wohnhaus sind die Bienen, Mayerhofer ist nebenbei Imker. Später wird der Tierarzt erwartet, weil sie vergangene Woche Ferkel hatten. Jetzt hat der Bauer, im gelben T-Shirt vom "Ring junger Landwirte", Zeit zum Reden in der Wohnstube.
Den Text des Volksbegehrens hat er auf Papier vor sich. "Ein gewisser Druck", sagt er, sei für die Branche ja nicht schlecht. Das sei wie bei den Hausaufgaben als Schüler. Aber: "Zu sagen, die Landwirtschaft ist der einzig Schuldige, das ist mir zu platt. Und auch, dass man uns etwas aufzwängen will, und der Rest der Gesellschaft tut nichts." Es sei so viel in Bewegung, am Willen mangele es nicht. Als "Demonstrationsbetrieb für Gewässer-, Boden- und Klimaschutz" empfängt er oft Gäste und gibt Einblicke dazu. "Aber man kann nicht in fünf Minuten alles ändern."
Kantiger formuliert das Georg Wimmer, Generalsekretär des Bayerischen Bauernverbandes: Der Bevölkerung werde durch das Volksbegehren "vorgegaukelt", dass man sich mit einer Unterschrift einfach "ein reines Gewissen erkaufen kann"; es finde ein "Bauern-Bashing" statt; Maßnahmen etwa gegen Mähroboter und Steinwüsten in Gärten suche man aber im Gesetzesentwurf vergeblich.
Norbert Schäffer wird energisch bei solchen Vorwürfen. Der Biologe ist Chef des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), sein Verband ist einer der Träger des Volksbegehrens. Schäffer ist viel unterwegs dieser Tage, überall konfrontieren Landwirte ihn damit, dass das Volksbegehren "Bauern-Bashing" sei. "Das ist Irreführung, unser Volksbegehren richtet sich an die Staatsregierung und nicht gegen die Bauern", kontert Schäffer.
"Aber den Bauern kommt beim Schutz der Artenvielfalt einfach eine Bedeutung zu wie keiner zweiten Bevölkerungsgruppe." Er zitiert dazu die Zahlen des Statistischen Landesamts. Danach gibt es ungefähr 92 000 Bauern in Bayern; sie bewirtschaften gut 3,1 Millionen Hektar Agrarland. "Das sind 45 Prozent der Landesfläche", sagt Schäffer. "Das ist gigantisch, da kommt keine andere Bevölkerungsgruppe ran. Alle Kleingärten zusammen sind nur ein Bruchteil davon."
Aber das ist es nicht alleine, was Schäffer ärgert. Alle wissenschaftlichen Analysen kommen zu dem Ergebnis, dass es die industrielle Landwirtschaft mit ihrem massiven Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln ist, auf deren Konto der dramatische Schwund von Flora und Fauna geht. Dabei flössen Milliarden Steuergeld in die Landwirtschaft. "Die Bevölkerung hat Anspruch auf den Schutz der Natur. Denn es ist auch ihre, nicht nur die der Bauern."
Dabei richtet sich seine Kritik weniger gegen die Bauern. Sondern vor allem gegen die Politik. "Denn sie trägt die Verantwortung für das System der industriellen Landwirtschaft", sagt Schäffer. Die Bauern sind für ihn Opfer "einer völlig verfehlten Agrarpolitik". Der ungebremste Artenverlust müsse jedem klar machen, dass die bisherige Agrarpolitik gescheitert sei.
Die Forderungen des Volksbegehrens, etwa nach Uferrandstreifen, auf denen nicht geackert werden darf, oder einem Biotopverbund von mindestens zehn Prozent des Offenlandes haben für Schäffer nichts mit "Bauern-Bashing" zu tun. Für ihn handelt es sich um Minimalstandards einer nachhaltigen Landwirtschaft, "die ihren Namen verdient". Auch wolle man sie "mit den Bauern, nicht gegen sie" umsetzen: "Das wird nicht ohne neue Förderprogramme gehen. Unser Volksbegehren ist ein gigantisches Investitionsprogramm in eine nachhaltige Landwirtschaft."
Im Bauernverband dagegen warnen sie vor einem weiteren Niedergang, und sogar vor einem Hofsterben. Geld würde er wohl verlieren, wenn etwa die Förderung für Gewässerrandstreifen wegfalle, falls diese Pflicht seien, sagt Mayerhofer. Ihn treibt etwas anderes mehr um, das ihm das Volksbegehren streitig mache: Flexibilität. Zum Beispiel bei den gewünschten strengen Regeln für Hecken: "Ich muss wirtschaften, mein Boden ist mein Kapital. Wenn ich da den Ackerstatus verliere, ist das ein Wertverlust." Oder bei Pflanzenschutzmitteln: Da erprobe er mechanische Alternativen und versuche zu reduzieren, müsse jedoch flexibel bleiben bei Bedarf. "Ich tue, was ich kann. Aber die Gesetze der Ökonomie sind schlecht auszuhebeln."
Und die 30-Prozent-Öko-Quote im Volksbegehren? "Wie soll das gehen? Mit Zwang?", fragt Mayerhofer. Der Markt mit entsprechenden Preisen sei nicht da, er kenne Bauern, die Bio-Produkte als konventionelle verkaufen, um sie abzusetzen. Und solange jeder gern im Schnellimbiss sitze, brauche man da nicht zu träumen. Er habe seine Lage sondiert. Die Schweine, "die krieg' ich nie in Öko rein", außer mit einer halben Million Euro Investment, mindestens. Einen Fachmann für Öko-Landbau habe er bestellt. Die Umstellung gehe nur für den ganzen Betrieb und das sei schier unmöglich; häppchenweise probieren würde Mayerhofer gern, wenn er denn dürfte.
Ihn empört die Vorschreiberei, die Quoten; Reden mit den Bauern, gemeinsames Entwickeln von Ideen, kluge Anreize - das wäre sinnvoller. Wie man in Niederbayern sage: "Die Leute mit der Pelzhaube einfangen." Die Zukunft der Landwirtschaft ist für ihn ein Zusammenwachsen von Öko und konventionell, ein Hybrid, das Beste aus beidem. Und man dürfe den Bedarf an Lebensmitteln nicht außer Acht lassen.
Schäffer hingegen kann die Furcht vor der 30-Prozent-Öko-Quote nicht nachvollziehen. "Das ist genauso wie bei vielen anderen Forderungen von uns", sagt der LBV-Chef. "Wir verlangen, dass die Staatsregierung sie sich als Ziel vornimmt und ihre Agrarpolitik darauf ausrichtet." Keiner wolle und könne Bauern zum Umstellen zwingen. Vorbild des Volksbegehrens sei vielmehr das Öko-Programm des früheren Agrarministers Helmut Brunner (CSU). Der hatte 2012 angekündigt, die Zahl der Biobauern bis 2020 zu verdoppeln - unter anderem durch neue Kooperationen mit Vermarktern.
"Jetzt haben wir gut 9000 Biohöfe in Bayern", sagt der Chef von Bioland Bayern, Josef Wetzstein. "Das sind zehn Prozent der bayerischen Bauern. Bald begrüßen wir den zehntausendsten Biobauern." 2012 gab es nur sechs Prozent Biobauern. Für Wetzstein ist das 30-Prozent-Ziel "durchaus zu schaffen". Zumal die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln boomt. Das zeigt die neue Kooperation von Bioland und Lidl. "Die Discounter-Kette wäre sie nicht eingegangen, wenn ihre Marktstrategen keine Absatzchancen für unsere Produkte sähen", sagt Wetzstein. "Und wir haben einen neuen Markt." Bioland unterstützt das Volksbegehren.
Georg Mayerhofer sagt, manchmal verliere er "momentan ein bisschen den Mut". Angesichts der scharfen Debatte, angesichts der "Spaltung" - durch das Volksbegehren, aber etwa auch durch die "Wir haben es satt"-Demos. Da gehe vieles "unter die Gürtellinie", auf Facebook herrsche "Krieg". Wenn er mit Leuten diskutiere, seien einige "ideologisch verbohrt", andere "gar nicht so weit weg". Als Feind sieht er keinen. Dass manche Bauern die Initiatoren des Volksbegehrens "Öko-Populisten" nennen, sei ihm "zu happig", das sei nicht dazu geeignet, Brücken zu bauen. Das Volksbegehren sei es aber ebenfalls nicht.