Bezirk:Ein bisschen Altbayern macht die Schwaben noch bunter

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"Schwaben in Bayern": Man kann das Buch durchblättern und einfach nur die Fotos genießen. (Foto: Fritz Stettmayer/Kunstverlag Fink)

Warum es bis heute normal ist, dass dialektsprechende Südschwaben und Nordschwaben voneinander kein Wort verstehen. Eine Buchbesprechung.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Dieses Buch kommt wuchtig daher, in jeglicher Hinsicht. Drei Kilo schwer, 24 mal 30 Zentimeter groß, 424 Seiten dick. Es ist eine Mischung aus Atlas, Nachschlagewerk, Reiseführer und Bilderbuch. "Schwaben in Bayern" heißt der Band, den der Allgäuer Kunstverlag Fink zusammengestellt hat. Er ist für jeden Zugezogenen die perfekte Einführung in seine neue Heimat. Ein Standardwerk, in dem auch jeder alteingesessene Schwabe garantiert noch etwas dazulernt.

Von den Allgäuer Alpen bis zum Jurakalk im Riesbecken, von Augsburg bis Neu-Ulm, vom Bodensee bis zur Mündung des grünen Lechs in die blaue Donau bei Marxheim - Herausgeber Hans Frei und seine Mitautoren und Fotografen haben (fast) alles Sehens- und Wissenswerte in 19 Kapiteln zusammengefasst. Da bleibt kaum eine Frage offen.

Politiker im Kindergarten

Frei war 17 Jahre lang Heimatpfleger, danach Museumsdirektor des Bezirks und Honorarprofessor für Kulturgeografie. Die Fotografien von Fritz Stettmayer sowie Siegfried Geyer und Ulrich Wagner sind mitunter grandios. Andere wiederum hätte man getrost weglassen können. Politiker im Kindergarten posierend oder in der ersten Reihe herumsitzend wirken eher störend.

Man kann dieses Buch durchblättern und einfach nur die Fotos genießen. Man kann sich aber auch in die Texte vertiefen. Sie sind fundiert, ausführlich, aber nicht zu wissenschaftlich, obwohl der sperrige Untertitel dies befürchten lässt. Das Buch bietet auch Karten und Grafiken, jedes interessante Naturphänomen und Bauwerk wird erläutert. Wie ist der Rieskrater entstanden? Wo kann man die Spuren des Meteoriteneinschlags heute noch sehen und begehen? Das Buch erklärt alles, auch mit Skizzen, die sogar Kinder verstehen.

Der Name Schwaben kommt von der germanischen Völkerschaft der Sueben, die während der Völkerwanderung zwischen 300 und 600 ihre Heimat an Elbe und Ostsee nach und nach verließen und in Richtung Südwesten zogen. Vom Stamm der Schwaben ging der Name dann auf die Alemannen über, die sich zwischen Lech und Vogesen niedergelassen hatten. So kam es, dass es heute bayerische und baden-württembergische Schwaben gibt.

Diese wollten sich gleich zweimal zu einem selbständigen "Großschwaben" zusammenschließen: 1931 wurde in Augsburg der "Bund Schwaben und Reich" gegründet. Sein Ziel: Die kulturellen und wirtschaftlichen Interessen des "altschwäbischen Stammlandes" zu wahren - jenseits von Bayern. 1935 gab es sogar einen Schwabensender. Wer weiß, was aus diesen Initiativen geworden wäre, wenn sie vom NS-Regime nicht beendet worden wären.

Schon Napoleon hat an den Grenzen rumgewerkelt

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1946 keimten die Gedankenspiele nochmals auf: Es gab Pläne, ein "Oberschwaben" mit Augsburg als Hauptstadt und ein "Niederschwaben" (Stuttgart) zu etablieren. Aber auch hieraus wurde nichts, diesmal waren die US-Amerikaner schuld: "Die Besatzungsmacht nahm auf Separatistenbewegungen keine Rücksicht", stellt Historiker Wolfgang Fleischer trocken fest.

Die Umrisse von "Bayerisch-Schwaben" sind willkürlich entstanden, meist ungeachtet von Sprach- und Naturgrenzen. Auch Napoleon hat an den Grenzen rumgewerkelt, aber die derzeitige Form bekam der Bezirk erst bei der Gebietsreform 1972: Damals wurde der Landkreis Aichach-Friedberg gebildet - mit ihm wurden Teile Altbayerns trotz ihrer ganz anderen Sprache und Mentalität plötzlich zu Schwaben ernannt. Das tut manchen zwar bis heute weh. Aber den Bezirk machen die Altbayern noch bunter als er ohnehin schon ist mit seinen 1,8 Millionen Menschen.

Bis heute ist es ganz normal, dass dialektsprechende Südschwaben und Nordschwaben voneinander kein Wort verstehen. Man kann das bedauern - oder toll finden. Schwaben ist wohl der vielseitigste Bezirk Bayerns, dieses Buch ist der Beweis.

Schwaben in Bayern - Historisch-geographische Landeskunde eines Regierungsbezirks; Kunstverlag Fink, Lindenberg, 29,90 Euro.

© SZ vom 18.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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