Betrugsverdacht:Kirchenpfleger auf der Flucht

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Der 44-Jährige soll aus der Kasse einer Kirchengemeinde in Hof 1,4 Millionen Euro abgezweigt haben. Er hat sich mit seiner Komplizin wohl nach Argentinien abgesetzt. Nun sucht die Polizei mit einem Kopfgeld nach den beiden.

Von Olaf Przybilla, Hof

Pfarrer Holger Fiedler holt tief Luft, dann sagt er: "Der Mensch in seiner Tiefe ist interessant." Fiedler hat den Kirchenpfleger Erwin Kaus noch kennengelernt, vor fünf Jahren war das, da war Fiedler noch gar nicht Pfarrer in der katholischen Hofer Sankt-Marien-Gemeinde. Aber Kaus kannte man einfach. Die mit ihm zu tun hatten, berichten von einem leutseligen, eloquenten und vertrauenswürdigen Mann, von dem die Rede ging, der verstehe etwas von Geld. Bis der Kirchenpfleger plötzlich weg war, 2012 war das.

Allein die Kirchenstiftung in Hof soll der heute 44-Jährige um etwa 1,4 Millionen Euro betrogen haben. Auf der Fahndungsliste des Bundeskriminalamts steht Erwin Kaus inzwischen, außerdem sind nun 5000 Dollar für denjenigen ausgelobt worden, der Hinweise liefern kann, um ihn zu fassen.

Die Fahnder vermuten Kaus in Argentinien. Das Kopfgeld für den Kirchenpfleger ist aber nicht der einzige Grund, warum Kaus gerade wieder ein Thema ist in Hof. Dort schließt in diesen Tagen auch der Kinderhort im Jugendhilfehaus Sankt Elisabeth, etwa 30 Kinder und deren Eltern sind davon betroffen. Viele bringen das eine mit dem anderen in eine ziemliche direkte Verbindung. War es nicht der Kirchenpfleger, der für dieses Jugendhilfehaus zuständig war? Und fehlt nicht das notwendige Geld genau deshalb, weil Kaus weg ist?

Kaus soll mit insgesamt zwei Millionen Euro unterwegs sein

Pfarrer Fiedler bringen solche Debatten in Rage. Stünde das in einem kausalen Zusammenhang, dann hätte man den Hort doch wohl schon 2012 schließen müssen, als eben das Geld weg war. Die Wahrheit sei vielmehr, dass die Aufgaben für eine überschaubare Pfarrei einfach zu groß geworden seien. Und man Zuständigkeiten abgeben müsse.

Als Pfarrer mache er sich einfach Sorgen um den Ruf des Jugendhilfehauses, wenn es nun immer heiße: Hätte man dem Mann eben besser auf die Finger schauen müssen. Aber klar, das räumt Fiedler unumwunden ein: Dass man diesem Menschen so ein Vertrauen geschenkt habe, "das tut natürlich immens weh".

Über Summen will der Leitende Oberstaatsanwalt Gerhard Schmitt nicht reden, nur die 1,4 Millionen aus der Kirchenstiftung könne er so bestätigen, sagt er. Es gehe aber auch noch um anderes Geld, das Kaus sich offenbar privat geliehen hat. Sollten die von früheren Freunden genannten Beträge stimmen, summiert sich das fehlende Geld auf etwa zwei Millionen Euro, mit denen Kaus unterwegs ist.

Begleitet wird er dabei wohl von seiner mutmaßlichen Komplizin Dolores Benavídes Iglesias, die früher eine Gaststätte in Sachsen betrieben hat. Sie spricht Spanisch. Was einer der Gründe ist, warum die beiden momentan in Argentinien vermutet werden.

Liebesgrüße aus Las Vegas statt Geschäftsreise

Mit dieser Begleiterin hat es eine eigene Bewandtnis. Es gibt ein Foto vom Kirchenpfleger, das ihn als glücklichen Bräutigam in Las Vegas zeigt, in einer Kapelle speziell für Brautleute aus Europa. Neben ihm posiert Iglesias, ebenfalls strahlend. Offiziell soll sich der Kirchenpfleger zu dieser Zeit auf einer "Geschäftsreise" befunden haben.

Im Internet konnten die Fahnder später nachlesen, wie großartig Kaus und Iglesias die Trauung in Vegas fanden. Wie sehr sie den Veranstaltern danken, wie perfekt alles organisiert und wie ergreifend der Platz auf der Terrasse mit dem Blick auf die Wasserspiele war. Liebesgrüße aus Vegas von einem wenig später international gesuchten Paar. Auch an die Ehefrau aus Hof. Das nennt man wohl Chuzpe.

Chefermittler Schmitt lässt das ziemlich kalt. "Irgendwann kriegen wir sie alle", sagt er, man sei da sehr zuversichtlich. Wie exakt es dem Kirchenpfleger Kaus gelungen ist, das Geld aus der Kirchenstiftung zu nehmen, sei noch nicht klar. Um das genauer zu erfahren, müsse man den Mann eben erst mal vernehmen. Aber dass dieser Typus Mensch überhaupt so weit kommen kann, verblüffe ihn längst nicht mehr.

Schmitt erinnert an den Bürgermeister im oberfränkischen Zapfendorf, der erst im Mai verurteilt wurde, weil er mit dem Geld aus der Gemeindekasse die angebliche Zigarrenfabrik eines Freundes in der Dominikanischen Republik finanzieren wollte. 280 000 Euro, das Geld ist weg. Der Bürgermeister wurde noch im Gerichtssaal als Inbegriff für Vertrauenswürdigkeit gepriesen.

Der Gesuchte war ehrenamtlicher Finanzvorstand der Kirchenstiftung

Genau wie der Kirchenpfleger. Der wurde in der Zeit zwischen 2009 und 2012 als rechte Hand des damaligen Pfarrers beschrieben. Eine Art Finanzvorstand der Kirchenstiftung, auch wenn er das Amt nur ehrenamtlich ausübte. Kaus war zunächst in einer Bank tätig, danach wurde er Wirtschaftsberater. Für die katholische Kirche wachte er im Diözesansteuerausschuss über den Haushalt am Bistum Bamberg. Dass die Gemeindekonten in Hof leergeräumt sind, flog erst auf, als man den Kindergarten renovieren wollte.

Aber gleich 1,4 Millionen in einer Gemeinde? Das Jugendhilfehaus war ein Prestigeprojekt, sagt Pfarrer Fiedler; als es eingeweiht wurde, kam sogar die Ministerin. Hundert Mitarbeiter, ein Mehrgenerationenhaus, damit habe man schon glänzen können.

Nur wie die Kosten gedeckt sind, ob es eine korrekte Buchführung gibt, das habe irgendwann keiner mehr im Blick gehabt. Man habe es eben Kaus überlassen. Und klar habe man längst Konsequenzen daraus gezogen: "Da ist jetzt eine ganz andere Transparenz drinnen", sagt Fiedler.

© SZ vom 29.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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