Hochschule:Schöner Wohnen im Studium

Studentenbuden sind immer dreckig und versifft? Das muss nicht sein. Manche Studenten sind um ihr Zuhause durchaus zu beneiden.

Von Alena Specht

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(Foto: dpa)

An die Zeit als Student denken viele mit Grauen zurück. Leben in winzigen Zimmern, die Bude ist verdreckt. In der Küche stapelt sich das Geschirr. Heutzutage sind viele Studenten froh, wenn sie überhaupt eine Unterkunft finden. Die Studentenzahlen steigen, Universitäts- und Hochschulstädte kommen kaum hinterher, neuen Wohnraum zu schaffen. Und wenn, ist dieser meist teuer. 650 Euro kostet durchschnittlich ein WG-Zimmer in München, 400 Euro in Erlangen und 380 Euro in Augsburg. Eine billigere Alternative, weil staatlich gefördert, sind Studentenwohnheime. "Wohnheime haben eine steigende Bedeutung beim studentischen Wohnen", sagt Stefan Brauckmann, Direktor des Moses Mendelssohn Instituts, einer Forschungseinrichtung zur Untersuchung von Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels. Aber die Wartelisten sind oft lang, nur bundesweit durchschnittlich 9,6 Prozent der Studenten bekommen einen Platz im Wohnheim. Oft wohnen dort dann Hunderte Studenten unter einem Dach, alles erinnert an Jugendherberge. Aber das geht auch anders. Die SZ hat sich auf die Suche nach Studentenwohnheimen der etwas anderen Art gemacht.

München

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(Foto: Studentenwerk München)

Wohnen auf engstem Raum. Seit Anfang Oktober lebt Debora Sinner auf 6,8 Quadratmetern in einem der sieben Wohnwürfel am südöstlichen Rand der Studentenstadt Freimann in München. "Man hat alles an einem Fleck und ist schön im Grünen", sagt die 22-jährige Studentin. "Ich komme ganz gut zurecht." Auch wenn der Alltag manchmal zur strategischen Herausforderung wird. Über eine Treppe gelangt man zur Haustür. Der Eingangsbereich ist das Bad, der Duschkopf hängt über der Toilette. Den Großteil des Innenraums nimmt die Küchenzeile ein. Gegenüber, etwa einen halben Meter nach unten versetzt, ist der Ess- und Lernbereich. Das Bett zum Ausklappen befindet sich darüber. "So minimalistisches Wohnen wollte ich schon immer mal ausprobieren." Bevor Sinner eingezogen ist, musste sie allerdings erst einiges aussortieren. Jetzt hat sie zwar weniger Sachen, dafür aber auch geringere Kosten. Nur 150 Euro zahlt sie an monatlicher Miete. Eingeengt fühlt sich die Studentin nicht. "Wir haben hier auch schon zu viert drin gekocht." Andere Bewohner hätten auch schon Partys in den Würfeln gefeiert. Aber "das weiß ich auch nicht, wie die das gemacht haben", sagt Sinner.

Nürnberg

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(Foto: Sina Pietrucha)

Der Nürnberger Weinstadel gehört nach der Burg zu den bekanntesten Bauwerken der Stadt. Seit 1950 leben Studenten in dem größten Fachwerkbau Deutschlands und dem dazugehörenden Wasserturm. "Viele kommen nicht auf die Idee, dass das ein Studentenwohnheim ist", sagt Rebecca Donner, Studentin an der Technische Hochschule Nürnberg. Sie wohnt seit drei Jahren im Weinstadel und ist als Heimleiterin Ansprechpartnerin bei Schwierigkeiten. Stress gibt es aber kaum. "Das ist eine große Gemeinschaft, wie in einer Familie", sagt Markus Krieger, Hausmeister des Wohnheims. "Jeder, der hier neu einzieht, zieht erst mal die Augenbrauen hoch", sagt Donner. Das Dach wölbt sich, die Wände sind krumm, es zieht und manchmal kommt Putz von der Decke. "Man sieht einfach, dass es ein altes Haus ist", sagt Krieger, aber "das Flair im Weinstadel ist nicht verloren gegangen". Man müsse ein paar kleine Abstriche machen, sagt Donner "Das macht die Lage aber wieder wett." Steht man auf der Holzgalerie über der Pegnitz, schaut man auf eine der wenigen grünen Stellen der Stadt. "Für mich ist das einer der schönsten Flecken in Nürnberg", sagt Donner.

Erlangen

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(Foto: Markus Dippold)

Zimmer in Studentenwohnheimen sind immer klein und eng? Nicht bei Markus Dippold. Im Wohnheim Ludwig-Erhard-Haus der gemeinnützigen Stiftung zur Förderung Deutscher Studenten in Erlangen wohnt er auf 34 Quadratmetern. Den Platz braucht der 22-jährige Student auch. Er sitzt wegen einer chronischen Muskelkrankheit in einem elektrischen Rollstuhl. Das Wohnheim wurde 2017 mit einen Anbau erweitert. Die acht Zimmer im Erdgeschoss des Neubaus sind speziell auf die Bedürfnisse von Studenten mit Behinderung ausgerichtet. Nicht nur durch die Größe. Eine Begleitperson kann während des Dienstes in einem eigenen Apartment mit im Wohnheim wohnen. Markus Dippold benötigt eine 24-Stunden-Assistenz. Acht Assistenten wechseln sich in Schichten ab. "Ich brauche für jeden Handgriff Hilfe. Sie sind meine Arme und Beine", sagt der Student. "Das extra Zimmer ist schon was Besonderes. Sonst ist man oft nur durch eine Tür getrennt oder es gibt gar kein separates Zimmer", sagt Dippold. "So haben sowohl ich als auch die Assistenten ihre Privatsphäre. Ich könnte mir nicht vorstellen, den ganzen Tag im selben Zimmer zu sitzen."

Regensburg

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(Foto: Robert Klughardt)

Der mittelalterliche Turm ragt mit neun Stockwerken und 50 Metern Höhe weit über die Dächer Regensburgs hinaus. Früher diente der Patrizierturm als Wachturm, Wohnturm und Gaststätte; seit 1985 wohnen Studenten in dem denkmalgeschützten Gebäude. "In den Siebzigerjahren wollte solche Häuser niemand", sagt Michael Baldauf, Hausmeister. "Das ist schon was Besonderes." Die Wohnungen seien modern und auf heutigem Standard. Aber "man kann das nicht mit einem typischen Wohnheim vergleichen". Die Zimmer sind unterschiedlich groß, das eine hat ein altes Flügelfenster, das andere ein Podest oder eine Säule mitten im Raum. Die Massivholzdielen im Gemeinschaftsraum sind schief, die Decken und Türen niedrig. "Wir haben mit dem alten Gebäude gearbeitet", sagt Nicolas Müller vom Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz. Auch im zweiten und dritten Stock des Turms sind Wohnungen untergebracht. Damit ist das Wohnheim "der höchste bewohnte Turm nördlich der Alpen", sagt Baldauf. Eine alte hölzerne Wendeltreppe führt in das Turmzimmer unter dem Dach. "Im Goldenen Turm ist eben alles ein bisschen anders", findet Baldauf.

Bamberg

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(Foto: Joseph Stiftung)

Wo heute Studenten wohnen, standen im 12. Jahrhundert Korn-, Schleif-, Tabak- und Poliermühlen. Ende der Siebzigerjahre übernahm die Joseph-Stiftung, ein kirchliches Wohnungsunternehmen, die nach der Stilllegung stark verfallenen "Oberen Mühlen". Nach aufwendigen Renovierungsarbeiten bezogen 1983 Studenten die fünf Gebäude direkt am Ufer der Regnitz. Ein Hotel und ein Restaurant gehören mit zum Quartier. Dazwischen liegt unter der Wasseroberfläche Europas einziges Unterflur-Flusswasserkraftwerk. Vier Turbinen erzeugen Strom, um Wohnheim, Hotel und Restaurant zu versorgen. Und es bleibt sogar noch etwas übrig. Nur rund 20 Prozent würden verbraucht, der Rest in das städtische Netz eingespeist, sagt Wolfgang Pfeuffer, Vorstandssprecher der Joseph-Stiftung. Die Wärmeversorgung erfolgt über regenerativ erzeugte Fernwärme. Damit sind die "Oberen Mühlen" besonders ökologisch und entsprechen durch das von oben nicht sichtbare Kraftwerk den Auflagen des Denkmalschutzes. Zwei der Mühlengebäude des Wohnheims wurden komplett erhalten. Freitragende Balken in den Zimmern erinnern an die historische Vergangenheit.

© SZ vom 23.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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