Kirchenasyl:Unzufriedenheit mit Richterspruch

Lesezeit: 3 Min.

Das Verfahren gegen Pfarrer Ulrich Gampert aus Immenstadt wurde eingestellt. (Foto: Benjamin Liss/dpa)
  • Pfarrer Ulrich Gampert aus Immenstadt musste sich vor Gericht verantworten, weil er einem jungen Afghanen Kirchenasyl gewährte.
  • Die Richterin stellte das Verfahren "wegen geringer Schuld" und gegen eine Geldbuße ein.
  • Sie stellte dezidiert klar, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt - und kein Grundsatzurteil, wie viele gehofft hatten.

Von Dietrich Mittler, Immenstadt

Eine Nacht hat Pfarrer Ulrich Gampert aus Immenstadt nun Zeit gehabt, sich von der Gerichtsverhandlung zu erholen, die hinter ihm liegt. Er ist am Mittwochabend ohne Verurteilung aus dem Sonthofener Amtsgericht gegangen - wie auch der junge Afghane Reza Jafari, dem Gampert im Gemeindehaus der evangelisch-lutherischen Auferstehungskirche 14 Monate lang Kirchenasyl gewährt hatte. Dennoch, der 64-jährige Geistliche fragt sich: War es wirklich richtig, dass er das Angebot des Gerichts angenommen hat, das Verfahren "wegen geringer Schuld" einzustellen? Und das mit der Auflage, 3000 Euro an das Integrationsprojekt "Haus International" in Kempten zu zahlen. "Persönlich kann ich das akzeptieren", sagte der Pfarrer am Donnerstag, "aber nach wie vor bin ich der Meinung, dass Kirchenasyl zu gewähren keine strafbare Handlung ist." Und: Die zuvor angestrebte juristische Grundsatzentscheidung ist ausgeblieben.

Das bedauert nicht nur Pastor Gampert. "Als Landeskirche hätten wir gerne eine grundsätzliche Klärung bekommen, ob die Gewährung von Kirchenasyl Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt ist", sagt Oberkirchenrat Michael Martin. Aber die Sonthofener Amtsrichterin Brigitte Gramatte-Dresse hatte dezidiert klargestellt, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handele. "Das ist kein Grundsatzurteil", hatte sie gesagt und Gampert fast beschworen: "Machen wir es so? Okay, dann machen wir es so." Später betonte sie aber auch: "Wenn Sie erneut ein Kirchenasyl machen, dann sitze ich wieder hier."

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Auszuschließen ist das nicht. Ulrich Gampert sagte auch am Tag nach der Verhandlung: "Wenn die Situation wieder so unausweichlich wäre wie in Rezas Fall, wenn also Gefahr für Leib und Leben bestünde, dann würden der Kirchenvorstand - und damit auch ich als Mitglied - hoffentlich wieder so entscheiden." Schließlich gehe es darum, "die Bedrohung eines Menschenlebens abzuwenden".

Gamperts Verteidiger, der Münchner Rechtsanwalt Franz Bethäuser, hätte indes lieber eine Grundsatzentscheidung erstritten. Freilich sei er zufrieden, dass er den gegen seinen Mandanten verhängten Strafbefehl in Höhe von 4000 Euro habe abwenden können. Aber Bethäusers Ziel war ein eindeutiger Freispruch. Sein Mandant jedoch habe auch das Wohl des jungen Flüchtlings im Blick gehabt: "Wenn Pfarrer Gampert da nicht mitgemacht hätte, weiß ich nicht, ob auch Reza Jafari straffrei rausgegangen wäre."

Wäre es nach Anwalt Bethäuser gegangen, dann hätte vor Gericht nicht nur Innenminister Joachim Herrmann (CSU) als Zeuge erscheinen müssen, sondern auch der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard Sommer. Im Grunde handele es sich bei der Vereinbarung des Bamf mit den Kirchen im Jahr 2015 um ein sehr diffuses Übereinkommen, das durch die einseitig vom Bamf erweiterte Fassung nicht besser wurde. "Auf den ersten Blick", so Bethäuser, "ist es zwar nicht legal, jemandem zu helfen, der illegal hier ist." Aber das sei ja nur der erste Blick. "Die Frage ist doch, ob ein Mensch illegal hier ist, wenn er sich in die Obhut einer Kirche begibt." Und könne es tatsächlich strafbar sein, wenn ein Geistlicher einen Flüchtling beherbergt und verköstigt - bei umgehender Information der Behörden. "Ist das schon Beihilfe zum illegalen Aufenthalt?", fragt Bethäuser.

Er ist nicht der einzige, der sich aufregt. Im Unterstützerkreis von Kirchenasylen ist der Unmut groß: "Auch dieses Verfahren gegen Pfarrer Gampert hatte im Grunde nur einen Zweck - nämlich künftig Kirchenasyl zu verhindern", sagte Hans-Günther Schramm, einer der Sprecher vom Ökumenischen Kirchenasylnetz Bayern. Stephan Theo Reichel, Kurator und Geschäftsführer des Vereins "Matteo - Kirche und Asyl", findet es wiederum skandalös, dass die drohende "lebensbedrohende Abschiebung" des jungen Afghanen im Verfahren nun gar keine Rolle spielte.

Auch auf politischer Ebene schlagen die Wogen hoch. Gülseren Demirel, die asylpolitische Sprecherin der Landtagsgrünen, sagte: "Dass die Staatsanwaltschaft nicht Halt vor der Kirchentür macht, lässt mich fassungslos zurück." Die Freien Wähler begrüßten "den weisen Beschluss" des Sonthofener Gerichts. Auch Kirchen müssten sich an die geltende Rechtslage halten, "denn wir können nicht mit zweierlei Maß messen - hier die Kirchen, dort der Rest der Bevölkerung". So sieht das zwar auch die SPD-Abgeordnete Alexandra Hiersemann, aber es sei schon fragwürdig, wenn sich Geistliche an die Vereinbarungen mit dem Bamf hielten, und dann komme der Staatsanwalt und kriminalisiere sie.

CSU-Generalsekretär Markus Blume, zugleich Mitglied der evangelischen Landessynode, warnte: "Kirchenasyl kann nur eine Ultima Ratio sein und muss auf bestimmte Einzelfälle gemäß der Vereinbarung zwischen den Kirchen und dem Bamf beschränkt bleiben. Wer Kirchenasyl darüber hinaus ausweiten oder gar rechtlich verankern möchte, gefährdet das Kirchenasyl als Ganzes."

© SZ vom 20.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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