Bayerische Pfarreien:Bereitschaft für Kirchenasyl sinkt

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Ein Asylbewerber steht vor einer Kirche. (Foto: Dietrich Mittler)
  • Die Bereitschaft von katholischen und evangelischen Gemeinden, Kirchenasyl zu gewähren, um Flüchtlinge vor Abschiebung zu schützen, geht offenbar spürbar zurück.
  • Der ökumenische Asylhelferverein Matteo zeigt sich besorgt und übt Kritik an Länderinnenministern und dem Asylbundesamt.
  • Derzeit lebten geschätzt noch etwa 100 Flüchtlinge unter dem Schutz bayerischer Pfarreien.

Von Bernd Kastner, Augsburg

Die Bereitschaft von katholischen und evangelischen Gemeinden, Kirchenasyl zu gewähren, um Flüchtlinge vor Abschiebung zu schützen, geht offenbar spürbar zurück. "Uns brechen die Plätze weg", sagte Stephan Reichel am Donnerstag. Er ist Geschäftsführer des ökumenischen Asylhelfervereins Matteo, der vor einem Jahr gegründet wurde und zahlreiche Unterstützer in Kirchenkreisen hat. Derzeit lebten geschätzt noch etwa 100 Flüchtlinge unter dem Schutz bayerischer Pfarreien. Meist droht ihnen gemäß der Dublin-Regel die Abschiebung in das europäische Land, wo sie erstmals registriert wurden. In Italien oder Bulgarien herrschen aber sehr schlechte, bisweilen menschenunwürdige Bedingungen für Schutzsuchende.

Reichel und die Matteo-Vorsitzende Anne-Kathrin Kapp-Kleineadam kritisierten die derzeitigen Regeln fürs Kirchenasyl, die sie verantwortlich machen für die sinkende Bereitschaft: "Wir lehnen die Regeln ab", sagte Reichel, "wir akzeptieren das nicht." Vor allem stört er sich an der seit Mitte des Jahres deutlich verlängerten Frist, die ein Flüchtling in einer Gemeinde ausharren muss. Waren es früher sechs, sind es inzwischen 18 Monate, ehe die Bundesrepublik das Asylverfahren in einem Dublin-Fall doch übernimmt.

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"Für mich ist das individuelle Grundrecht auf Asyl unantastbar", sagt der bayerische Ministerpräsident in einem Interview. Darin verteidigt er auch den UN-Migrationspakt.

Reichel monierte, dass die Kirchenasylregeln einseitig von den Länderinnenministern und dem Asylbundesamt (Bamf) verändert worden seien: "Der Dialog wurde eingestellt." Auch die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland lehne die verschärften Regeln ab. Reichel, der früher Kirchenasylkoordinator der Evangelischen Landeskirche war, will zum früheren Prozedere zurückkehren, als die Gemeinden und das Bamf kooperiert hätten. In der Beratung weise er jetzt die Pfarreien auf das zeitliche Risiko beim Kirchenasyl hin, es sei eine große Belastung für alle Beteiligten. Er sei aber zuversichtlich, dass die 18-Monats-Frist gerichtlich gestoppt werde, sagte Reichel. Dass Kirchenasyl überhaupt nötig sei in Deutschland, sei "ein Skandal". Auch wenn diese Form des vorübergehenden Schutzes nicht zur Regel werden dürfe, äußerte er sich enttäuscht, dass es in den übergeordneten Gremien der Kirchen "zu viel Vorsicht" gebe.

"Es ist der Versuch, eine Lösung zu finden in menschlich sehr schwierigen Lagen." So beschreibt Christine Kamm, bis vor kurzem grüne Landtagsabgeordnete und bei Matteo aktiv, Kirchenasyl. Meist endeten diese Fälle zugunsten der Flüchtlinge, die doch Schutz bekämen in Deutschland. Kirchenasyl sei "eine riesige Erfolgsgeschichte", so Kamm. Die Berliner Schriftstellerin Anja Tuckermann schloss sich der Matteo-Kritik an den sogenannten Anker-Zentren an, wo Flüchtlinge zwangseinquartiert sind; es ist vor allem die CSU, die solche Großunterkünfte fordert. In diesen Zentren fehle es meist an adäquater Betreuung und Zugang zu Rechtsberatung: Es sei ein "Skandal, dass es so wenig psychologische Betreuung gibt", sagte Tuckermann. Sie hat mit der Journalistin Kristina Milz das am Samstag erscheinende Buch "Todesursache: Flucht" (Verlag Hirnkost) herausgegeben. Es enthält eine Liste von 35 597 Menschen, die in den vergangenen 25 Jahren auf der Flucht nach und in Europa gestorben sind.

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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