Prozess:Der Untergang der Wurstwelten

Gericht verhandelt über ´Gülle-Mord" in Schwaben

Bei dem Prozess vor dem Augsburger Landgericht sagten 32 Zeugen aus.

(Foto: dpa)
  • Vor dem Landgericht Augsburg mussten sich vier Frauen und Männer verantworten, die Teil eines Kapitalanlagebetrugssystems waren.
  • Das war offenbar so ausgeklügelt, dass teils sogar die Finanzvermittler daran glaubten.
  • Der Prozess war umfangreich: An 21 Verhandlungstagen sagten insgesamt 32 Zeugen aus. Doch der Drahtzieher ist wohl in den USA untergetaucht.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Es ging um technische Geräte, die den Stromverbrauch im Haushalt halbieren sollten, und es ging um die Wurst, sozusagen: Um eine Metzgerei-Kette in Nordrhein-Westfalen, einen Familienbetrieb, der wachsen und immer weiter wachsen sollte. In Wirklichkeit aber, so stellte es am Montag das Landgericht Augsburg fest, ging es um Betrug: Die Wundergeräte, die Metzgereien, alles "nur Luftnummern", wie der Vorsitzende Richter Christian Engelsberger sagte, Kleinanlegern sollte so das Geld aus der Tasche gezogen werden. Das gelang trefflich über viele Jahre, der Schaden geht in die Millionen.

Am Ende eines umfangreichen Prozesses mit 21 Verhandlungstagen und den Aussagen von 32 Zeugen fällte die neunte Strafkammer am Montag das Urteil: Drei Angeklagte müssen ins Gefängnis, eine Angeklagte kommt mit einer Bewährungsstrafe davon. Der mutmaßliche Hauptverantwortliche aber ist immer noch auf freiem Fuß - wohl untergetaucht in den USA.

"Wurstwelten-Prozess" nennen sie den Betrugsfall in Augsburg, der deutschlandweite Auswirkungen auf Anleger hat, allerdings hier verhandelt wird, weil die Finanzprodukte teils aus der Stadt heraus vertrieben wurden. Es ist ein komplexes Firmengeflecht, das die Ermittler zu durchleuchten hatten, unter anderem mit einer Firma namens Wurstwelten, die aus ein paar defizitären Metzgereien bestand. "Ein umfangreiches, komplexes und auch rechtlich schwieriges Verfahren", sagte Richter Engelsberger, an dessen Ende sich aber laut Strafkammer ein klares Bild abzeichnete: Die Angeklagten waren demnach Teil eines Kapitalanlagebetrugssystems, das so ausgeklügelt war, dass teils sogar die Finanzvermittler daran glaubten.

Das Unternehmensgeflecht habe aus mehr als 200 Firmen bestanden, großteils Briefkastenfirmen. Es habe durch die Anleger über mehr als zwölf Millionen Euro Kapital verfügt, aber nichts sei in die - ohnehin dubiosen - Geschäftsideen investiert worden, die mit teils falschen Behauptungen beworben wurden. Stattdessen soll der untergetauchte Firmenpatriach Geld abgezweigt haben: unter anderem eine Million Dollar für eine Immobilie in den USA.

Es ist der Vater von drei der Angeklagten, der vierte Angeklagte arbeitete als Vertriebsleiter. Den Anlegern wurde etwa vorgegaukelt, dass das Filialnetz der Metzgereien ausgeweitet werde, was nie geschah. Die sogenannten Halbstrom-Geräte, die den Verbrauch anderer technischer Geräte im Haushalt drastisch reduzieren sollten, waren laut Ermittlungen ein Schwindel: Erstens verfügten die Betrüger nur über etwa 100 Stück dieser Geräte, zweitens erbrächten sie nicht annähernd die beschriebene Leistung. Damit sei klar, sagte der Richter, dass das Modell "von Anfang an auf Betrug" angelegt gewesen sei.

Die angeklagten Geschwister sagten auch gegen ihren Vater aus

Anlegern seien 15 Prozent Rendite bei 180 Tagen Anlagedauer versprochen worden. Solche Versprechungen klängen zwar nicht unbedingt serös, die Anleger seien aber geschickt getäuscht worden: Teils seien ihnen die Produkte von Vermittlern angetragen worden, mit denen sie bereits erfolgreich zusammengearbeitet hätten. Zunächst seien auch Zinsen bezahlt worden, wodurch neue Anleger durch Empfehlungen gewonnen wurden, bis eben kein Geld mehr für den Betrug da war. Übrig bleiben Anleger, die teils Hunderttausende Euro investierten und dabei ihre Altersvorsorge verloren.

Die Angeklagten, das rechnete ihnen die Strafkammer an, hatten umfassend ausgesagt und die Ermittlungen so deutlich erleichtert. Die drei Geschwister sagten auch gegen ihren Vater aus: Falls er eines Tages verhaftet wird, können die Aussagen so gegen ihn verwendet werden. Sie hätten das Betrugssystem auch nicht erfunden und teils gar nicht komplett durchschaut. Ohne den Vater, sagte Richter Engelsberger, wäre es nie so weit gekommen. Er sei eine dominante Person gewesen, es habe den Geschwistern nicht leicht fallen können, sich schließlich von ihm loszusagen. Spätestens aber, als er sich Ende des Jahres 2015 in die USA abgesetzt und entgegen seinen Versprechungen nicht mehr zurückgekehrt sei, hätten die Geschwister den Betrug komplett durchschauen und stoppen müssen.

Der Richter machte den Angeklagten deutlich, dass er am unteren Ende des Strafrahmens geblieben sei. Die 39 Jahre alte Tochter wurde zu drei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Ihr 36 Jahre alter Bruder bekam zwei Jahre und zehn Monate Haft. Eine weitere Tochter des Initiators wurde nicht wegen der betrügerischen Geschäfte verurteilt, sondern erhielt unter anderem wegen Insolvenzverschleppung eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten. Der Vertriebschef muss drei Jahre ins Gefängnis - er war bereits einschlägig vorbestraft wegen Betrugs mit Versicherungen.

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