Natur:Schön anzusehen, aber gefährlich

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Sattgrüne Wiesen, leuchtende Blüten und viel Sonne: Im Frühjahr ist die Natur in Bayern besonders schön, wie hier bei Glonn im Landkreis Ebersberg. Doch Vorsicht, eine Reihe heimischer Pflanzen enthalten Giftstoffe, sie können gefährlich sein. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Beim Giftnotruf München gehen jedes Jahr Zehntausende Anrufe aus allen Ecken Bayerns ein. Der zweithäufigste Beratungsgrund bei Notfällen mit Kindern: giftige Pflanzen.

Von Clemens Sarholz

Das Frühjahr bringt sattgrüne Wiesen, leuchtende Blumen, Laub und Sonne. Doch was das Auge erfreut, kann gefährlich sein, wie die Oberärztin Katrin Romanek vom Giftnotruf München sagt. Dort gehen im Jahr rund 45 000 Anrufe ein, vier Fünftel davon kommen aus allen Gegenden Bayerns. Meist haben die Anrufer Fragen zu pharmazeutischen Produkten oder Haushaltschemikalien. Aber jetzt beginnt die Zeit, in der es immer öfter um giftige Pflanzen geht. "Expositionen gegenüber Pflanzen sind sehr häufig", sagt die Toxikologin Romanek etwas gespreizt. Bei Kindern unter 14 Jahren sind sie sogar der zweithäufigste Grund für die Anrufe. "Meistens passiert aber nichts", sagt Romanek. Es gibt jedoch Pflanzen, bei denen sie hellhörig wird. Diese zehn heimischen Giftpflanzen sollte man kennen.

Schierling

De Gefleckte Schierling gehört zu den potentesten heimischen Gilftpflanzen. (Foto: Imago)

Vom "Schierlingsbecher" haben viele schon gehört. Darin befand sich in der Antike ein Getränk aus dem Saft des Gefleckten Schierlings. Zum Tode Verurteilte mussten den Schierlingsbecher mit dem tödlichen Getränk leeren. Sokrates war wohl das berühmteste Opfer dieser Hinrichtungsmethode. Der Philosoph, der von 469 bis 399 vor Christus im antiken Griechenland lebte, starb bei vollem Bewusstsein an einer Atemlähmung. Der Gefleckte Schierling ist nicht sehr häufig in Deutschland, sagt Romanek, allerdings gehöre er zu den potentesten heimischen Giftpflanzen. Die Pflanze soll nach Mäuseurin stinken.

Eisenhut

Der Blaue Eisenhut heißt auch Wolfswurz, weil früher Jäger Pfeilspitzen damit vergiftet haben sollen. (Foto: Mauritius Images)

Der Blaue Eisenhut stammt der Legende nach direkt aus der Hölle: Als Herkules den Zerberus aus der Unterwelt verschleppte und ihn an der Kette ans Tageslicht zerrte, triefte dem dreiköpfigen Höllenhund der Speichel aus den Mäulern. Aus dem Geifer am Boden wuchsen neue, schöne Blumen: Blauer Eisenhut. Eltern sollten es vermeiden, die Stauden im Garten anzupflanzen, auch wenn man, schon eine "relevante Menge davon essen muss", um daran zu sterben, wie Romanek sagt. "Etwa eine Handvoll." Ihren Zweitnamen "Wolfswurz" erhielt die Pflanze vermutlich, weil früher Jäger Pfeilspitzen mit Blauem Eisenhut vergiftet haben sollen, um Wölfe zu erlegen.

Herbstzeitlose

Die Herbstzeitlose ist ein tödlicher Doppelgänger des Bärlauchs. (Foto: Leonhard Simon)

Bärlauch schmeckt ähnlich wie Knoblauch und wird gerne für Salat oder Pesto gesammelt. Doch er hat einen tödlichen Doppelgänger, wie Romanek sagt: die Herbstzeitlose . 2021 hat sich ein Mann aus dem Landkreis Freising eine Soße aus vermeintlichem Bärlauch zubereitet. In Wirklichkeit waren es Herbstzeitlose. Obwohl er nur ein paar Löffel davon aß, hat er es nicht überlebt. Gegen das Gift Colchicin der Herbstzeitlose gibt es kein spezifisches Gegengift. Die Therapie kann sich nur auf die Symptome beziehen.

Maiglöckchen

Maiglöckchen duften bezaubernd, aber auch sie können schwere Vergiftungen auslösen. (Foto: Gottfried Czepluch/Imago)

Der Grundsatz "dosis facit venenum" - die Dosis macht das Gift - gilt für viele Giftpflanzen, auch bei Maiglöckchen. Sie sehen schön aus, duften bezaubernd und das Gift kann tödlich sein. Auch für Haustiere. Im Jahr 1867 hat der Göttinger Pharmakologe Wilhelm Marmé Tierversuche mit dem Wirkstoff Convallatoxin durchgeführt, der in Maiglöckchen enthalten ist, und die tödliche Dosis für Hunde ermittelt. Vergiftungserscheinungen beim Menschen können Durchfall, Sehstörungen und sogar Herzrhythmusstörungen sein.

Eibe

Die roten Beeren der Eibe sehen verlockend aus, giftig sind freilich vor allem die Nadeln. (Foto: Sarah Lee/Garden World/Mauritius Images)

Die Eibe wurde einst als heiliger Baum verehrt. Wegen ihr gebe es besonders häufig Nachfragen, sagt Romanek, da die roten Beeren so verlockend aussähen - die aber bis auf die Kerne nicht giftig seien, und die auch nur dann, wenn man sie zerbeiße. Giftig sind vor allem die Nadeln der Eibe. Sie enthalten Taxin, das in einer Menge von 20 bis 100 Gramm für Erwachsene tödlich sein kann. Eine Vergiftung führt zu Atemlähmung, Erbrechen und Herzversagen. Die Eibe ist, wie eine Reihe von Giftpflanzen, gleichzeitig eine Heilpflanze. Neuerdings wird aus ihren Nadeln ein Medikament hergestellt, das in der Krebstherapie Anwendung findet.

Gemeiner Goldregen

Der Gemeine Goldregen blüht leuchtend gelb, eine einzige Schote kann aber für eine "klinisch relevante Vergiftung" ausreichen. (Foto: Farina Graßmann/Imago)

Der Name rührt von den zahlreichen hängenden gelben Trauben des Goldregens her, die im Mai in ihrer Blüte stehen. Romanek empfiehlt eine Überwachung, wenn Kinder im Verdacht stehen, an den hübschen Blüten gelutscht oder sie im Spiel gegessen zu haben - die Schoten des Goldregens erinnern an Bohnen oder Erbsen, was leicht zu Verwechslungen führen kann. Eine einzige Schote reiche aus, sagt sie, um eine "klinisch relevante Vergiftung" auszulösen. Diese seien jedoch selten. Der Goldregen diente Soldaten einst als Tabakersatz. Heute finden sich seine Inhaltsstoffe in Medikamenten, die bei Rauchentwöhnungen helfen sollen.

Schwarze Tollkirsche

Die Schwarze Tollkirsche wird bisweilen bewusst konsumiert, weil sie Rauschzustände auslöst. (Foto: Imago)

Der lateinische Name Atropa belladonna kommt vermutlich daher, dass Frauen in der Renaissance Tollkirschen gegessen haben, um ihre Pupillen zu weiten, was damals als attraktiv galt. Die Tollkirsche wird heute noch für die Herstellung von Augentropfen eingesetzt. Absichtlich wird sie von Menschen zu Rauschzwecken konsumiert - seltener werden die Beeren von Kindern verspeist, wie Romanek sagt. Sie können Herzrasen, Halluzinationen und andere Rauschzustände auslösen.

Schwarzes Bilsenkraut

Einst wurde Schwarzes Bilsenkraut angeblich sogar Bier beigemengt. (Foto: Imago)

Rausch- und Heilmittel zugleich - das Schwarze Bilsenkraut gilt seit Jahrtausenden als Pflanze mit starker Wirkung. Der römische Gelehrte Plinius der Ältere (23 oder 24 bis 79 nach Christus) beschrieb bereits die Wirkung. Bis zur Einführung des deutschen Reinheitsgebots im Jahr 1516 wurde das Schwarze Bilsenkraut mitunter auch Bier beigemengt. Einige behaupten sogar, dass der Name Pils vom Bilsenkraut abstammt. Die Pflanze enthält sogenannte Tropanalkaloide, die Teile des Nervensystems hemmen können. Es wirkt schmerzstillend, narkotisch und halluzinogen. Romanek warnt ausdrücklich vor dem Verzehr dieser Pflanze.

Pfaffenhütchen

Alle Pflanzenteile des Pfaffenhütchens enthalten Gifte, vor allem aber die Früchte. (Foto: Imago)

Das Pfaffenhütchen zeigt im Herbst seine leuchtenden Früchte. Aus seinem Holz wurden früher Orgelpfeifen, Schuhnägel und Stricknadeln hergestellt. Jedoch sind auch in allen Pflanzenteilen Gifte enthalten, die Fieber, Koliken und Herzrhythmusstörungen auslösen können. Laut Romanek komme es häufig vor, dass Kinder etwas von den Früchten verschlucken, jedoch bleiben die meisten Verdachtsfälle beschwerdefrei. Ein Todesfall ist der Toxikologin nicht bekannt.

Weißer Germer

Weißer Germer wurde im antiken Griechenland oft als Brechmittel verabreicht, Alexander der Große ist womöglich an einer Überdosis gestorben. (Foto: Imago)

Die Pflanze, die auch Brechwurz genannt wird, wächst hierzulande hauptsächlich in den Alpen. Man kann den Weißen Germer leicht mit dem Gelben Enzian verwechseln, der ebenfalls in den Bergen gut gedeiht und sowohl ein wichtiges Heilkraut bei Verdauungsbeschwerden als auch einen feinen Schnaps ergibt. Der Weiße Germer enthält giftige Alkaloide, die Übelkeit, Erbrechen und heftigste Durchfälle auslösen können - und im schlimmsten Fall tödlich sein können. Wissenschaftler vermuten, dass Alexander der Große am Gift des Weißen Germers gestorben sei - die Pflanze wurde im antiken Griechenland oft als Brechmittel verabreicht.

Der Giftnotruf München ist unter 089/19 24-0 rund um die Uhr erreichbar. Sollten Kinder giftige Pflanzen verzehrt haben, rät Romanek den Eltern, Ruhe zu bewahren, ein Foto der Pflanze oder des Baumes zu machen und ein Stück der Pflanze mit zum Arzt oder zur Ärztin zu nehmen. Hilfreich sei auch, die Pflanze mit einer App zu identifizieren. Die meisten Verdachtsfälle verliefen glimpflich, von 50 Anrufern schickt Romanek einen Verdachtsfall in die Klinik. Prophylaktisch kann man Kindern Aktivkohle geben, die die Giftstoffe im Magen binden soll, damit sie nicht in den Blutkreislauf gelangen. Kinder sollten nicht zum Erbrechen gebracht werden, auch sollte man sie weder Salzwasser noch Milch trinken lassen.

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