Astronomie:529-2024 auf feurigem Ritt nach Bayern

Lesezeit: 2 min

Ein mutmaßliches Meteoritenteil wurde von vier polnischen Suchern auf einem Feld bei Ribbeck gefunden. Das Fundstück stammt nach Ansicht eines Experten des Museums für Naturkunde Berlin höchstwahrscheinlich von dem über Brandenburg niedergegangenen Asteroiden. (Foto: Cevin Dettlaff/dpa)

Am Samstag war im Himmel ein leuchtendes Ereignis zu beobachten - auch vom Freistaat aus. Der Meteoroid war allerdings kurz vor Erlöschen der Leuchtspur in zwei oder mehr Teile zerbrochen.

Von Helmut Hornung

Majestix wird so schnell nicht bange. Doch vor etwas fürchtet sich der wackere Häuptling des renitenten Gallierdorfs in den Asterix-Romanen dann doch: dass ihm der Himmel auf den Kopf fällt. Würde Majestix in diesen Tagen in Deutschland leben, stünden vermutlich tiefe Sorgenfalten in seinem Gesicht: Nachdem in der Nacht zum 21. Januar ein ungefähr ein Meter großes kosmisches Trumm nahe Berlin verglühte und ein Suchtrupp ein paar Tage später in Brandenburg einige Bruchstücke aufspürte, zog am vergangenen Samstag gegen 17.29 Uhr erneut eine helle Feuerkugel ihre Leuchtspur über den Himmel, dieses Mal eher im Süden der Republik.

Die International Meteor Organization registrierte bis Dienstag 346 Beobachtungen, die meisten aus Bayern und Österreich. Meldungen gab es unter anderem auch aus Tschechien, Slowenien und Kroatien. "Die Flugbahn des Eindringlings aus dem All verlief dabei sehr flach von Osten nach Westen", sagt Dieter Heinlein, der in Augsburg das Bavarian Meteorite Lab betreibt. Eine normale Sternschnuppe, wie man sie häufig über das Firmament flitzen sieht, sei dieses Ereignis mit der Nummer 529-2024 nicht gewesen. Denn die meisten Meteore leuchten viel schwächer. "Das liegt an der Größe der Teilchen, die in der Regel nur die Dimension von Staubkörnchen haben und teilweise lediglich Bruchteile von Millimetern groß sind", sagt der Physiker und Astronom.

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Brocken mit Durchmessern von wenigen Zentimetern oder Metern hingegen erscheinen am Himmel als helle Feuerkugeln oder Boliden. Das Objekt, das kürzlich nahe Berlin heruntergekommen ist, war größer als jenes am Samstag und damit kein Meteoroid mehr, sondern ein kleiner Asteroid. Tatsächlich steht die Erde unter Dauerfeuer, denn eine große Zahl von natürlichen Geschossen aus dem All prasselt ständig auf sie ein. Zu bestimmten Zeiten treten sie in Schwärmen auf wie die Perseiden im August oder die Geminiden Mitte Dezember. Dann lassen sich besonders viele Sternschnuppen beobachten.

Und alle Meteore oder Feuerkugeln leuchten nach demselben Prinzip: Mit hoher Geschwindigkeit treffen die mehr oder weniger großen Himmelskörper auf die Atmosphäre und erzeugen durch die Reibung an den Luftpartikeln in ungefähr 80 bis 100 Kilometer Höhe entlang der Flugbahn einen sogenannten Plasmakanal. Darin kommt es zu atomaren Prozessen, die schließlich Strahlung abgeben. Das rasche Verglühen des Teilchens aufgrund der Reibungshitze hingegen trägt nur sehr wenig zu dem Leuchteffekt bei.

Um Details über Flugbahn, Geschwindigkeit oder Masse eines Meteoroiden herauszufinden, reichen Augenzeugenberichte meist nicht aus - zumal sich manche widersprechen. Daher greifen Heinlein und seine Kollegen auf technische Hilfsmittel zurück, vor allem auf spezielle Kameras. So wurde auf Initiative Deutschlands im Jahr 2018 das europäische Feuerkugelnetzwerk AllSky 7 installiert. Einige Dutzend Videokameras überwachen heute in zwanzig europäischen Ländern sowie in den USA und Neuseeland bei Tag und Nacht den Himmel am jeweiligen Standort. Dieses Equipment soll auch das Ereignis 529-2024 weiter entschlüsseln helfen.

Eines der Rätsel haben die Forscherinnen und Forscher offenbar schon gelöst. Die Beobachtungen von Augenzeugen und Kameras zeigen übereinstimmend, dass der Meteoroid kurz vor dem Erlöschen der Leuchtspur in zwei oder mehr Teile zerbrochen ist. Schon spekulierten die Fachleute darüber, ob diese Brocken den feurigen Ritt durch die Atmosphäre überlebt und als Meteoriten auf den Boden gefallen sind - vielleicht sogar innerhalb Bayerns wie im April 2002 der berühmte Meteorit "Neuschwanstein". Jetzt hat Pavel Spurny von der tschechischen Sternwarte Ondřejov herausgefunden, dass offenbar alles Material in der Luft zerrieben wurde. Der Himmel ist also nicht auf die Erde gefallen. Majestix, der Gallier, würde aufatmen.

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