Wirtschaft:In Bayerns letztem Stahlwerk bleibt an manchen Tagen der Ofen aus

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Ob an einem Tag in den Lech-Stahlwerken gearbeitet wird, entscheidet sich angesichts der volatilen Preislage kurzfristig. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Die Lech-Stahlwerke verbrauchen so viel Strom wie ganz Augsburg. Der ist inzwischen so teuer, dass der Betrieb zeitweise in die Zwangspause geht.

Von Maximilian Gerl, Meitingen

Normalerweise verladen in den Lech-Stahlwerken krallenbewehrte Kräne Schrott auf große, lorenähnliche Gefährte, die das Material zu den Öfen bugsieren. Dort schmilzt die Metallmasse dann bei 1700 Grad Celsius dahin. Die Zeiten aber sind bekanntlich alles andere als normal - und so bleiben die Öfen seit dieser Woche manchmal in Bayerns einzigem Stahlwerk aus. Denn aufgrund der hohen Energiepreise wird im schwäbischen Meitingen vorerst nur noch tageweise produziert. Alles andere sei nicht wirtschaftlich, berichtet der kaufmännische Geschäftsführer Thomas Friedrich am Telefon. "Die Grenze war jetzt fünf Tage in Folge erreicht."

Die Grenze: Die haben derzeit auch andere Unternehmen im Freistaat überschritten oder kommen ihr gefährlich nahe. Denn mit den Energiepreisen steigen die Betriebskosten in neue Höhen. Und für die Produktion von Glas und chemischen Erzeugnissen oder eben die Be- und Verarbeitung von Metall: Ohne massiven Energieaufwand geht es in manchen Branchen nicht.

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Strom wird etwa so viel verbraucht wie in Augsburg

Das gilt auch für die Lech-Stahlwerke. Deren Stromverbrauch entspricht nach Unternehmensangaben ungefähr dem einer Stadt mit 300 000 Einwohnern - wie dem nahen Augsburg zum Beispiel. Ein Großteil der Energie fließt in zwei Elektrolichtbogenöfen, die Altmetall in eine glühende Suppe verwandeln. Diese wird anschließend mit Legierungen versehen, zu sogenannten Knüppeln vergossen und gewalzt. Ein Prozedere, wie es früher häufiger in Bayern zu bestaunen war, bis vor allem die Konkurrenz aus Fernost zu mächtig wurde und die Betriebe hierzulande schließen mussten. Nur das Stahlwerk in Meitingen ist noch da. Es gehört zur Gruppe des Freilassinger Bauunternehmers Max Aicher und nimmt darin eine wichtige Rolle ein, als Zulieferer für Tochterbetriebe genauso wie als deren Kunde. Und das Werk ist wichtig für den Recyclingkreislauf. Aus Schrott wird hier Bau- und Betonstahl. Mehr als eine Million Tonnen davon verlassen jährlich die Werkstore.

Doch am Donnerstag herrscht eben: Zwangspause. Die steigenden Energiepreise sind zwar schon länger Thema, doch die derzeitige Situation ist auch für Geschäftsführer Friedrich neu. "Angefangen hat das im August", sagt er. Damals galten als Preistreiber die Folgen der Corona-Pandemie. Auch bei vielen Rohstoffen und Produkten herrscht ja seitdem Mangel, unter anderem weil die Weltwirtschaft schneller aus dem Pandemietief startete als gedacht. Anfang November meldeten die Lech-Stahlwerke dann, "Produktionsanlagen und Öfen stundenweise abzustellen", wie es in einer Mitteilung von damals heißt. Seit Januar 2021 hätten sich die monatlichen Preise für Strom und Erdgas an den Spotmärkten nahezu verdreifacht. Die steigenden Energiepreise führten außerdem zu Zusatzkosten durch Verschleiß und Materialeinsatz - etwa durch "das Abkühlen von Aggregaten, notwendiges Warmhalten von Pfannen sowie erhöhte An- und Abfahrvorgänge von komplexen Verfahren".

Der Krieg in der Ukraine hat die Energiepreisentwicklung nun noch einmal befeuert. Man zahle für Strom ungefähr das Zehnfache, sagt Friedrich, die Preisschwankungen an der Strombörse seien "extrem". Zudem seien auch die Preise für Schrott, Legierungen und weitere Zusatzstoffe gestiegen - und das Plus beim Benzin mache sich bei den Lkw-Lieferfahrten bemerkbar. Kurz: "Wir laufen in die Kostenfalle."

Ob gearbeitet wird, entscheidet sich kurzfristig

Heißt übersetzt: An manchen Tagen wird der Betrieb vorerst heruntergefahren, um Geld zu sparen. Ob gearbeitet wird oder nicht, entscheidet sich dabei angesichts der volatilen Preislage kurzfristig. So sollen am Wochenende die Öfen wieder laufen, ob am Montag auch, ist noch offen. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeutet das Überstunden- und Urlaubsabbau, Kurzarbeit. Am Standort arbeiten rund 800 Menschen, dazu weitere 200 bei anderen Firmen. Die Folgen dürften allerdings letztlich auch die Kunden zu spüren bekommen: "Wir müssen unsere Kosten weitergeben", sagt Friedrich.

In Meitingen lässt sich damit exemplarisch beobachten, was Wirtschaftsvertreter längst für andere Industriestandorte in Bayern fürchten: dass die teils gewaltigen Preissprünge bei Strom, Benzin, Gas und anderen Treibstoffen wenn nicht zu stillen Bändern, dann doch zu weiteren Preissteigerungen und Problemen führen. So gut wie alle fordern daher rasch Entlastungen. "Hohe Energiepreise sind ein entscheidender Faktor der sich beschleunigenden Inflation", warnte etwa der Bayerische Handwerkstag am Donnerstag. Die Politik müsse daher "die Verbrauchsteuern auf Strom und Energie vorübergehend auf ein Minimum" absenken. Die Abschaffung der EEG-Umlage sei ein richtiger Schritt, "dieser reicht aber nicht aus".

So gesehen teilt Friedrich derzeit einen Wunsch mit vielen Unternehmern im Freistaat. "Das Schönste wäre ein niedriger Energiepreis", sagt er. "Aber wie man den hinbekommt, ist die Frage." Nicht nur in Meitingen hoffen sie nun auf Antworten aus der Politik.

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