Sozialpolitik:Arme Familien leiden unter Streit ums Familiengeld

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Die Leidtragenden des Streits sind sozial schwache Familien, die auf jeden Cent angewiesen sind. (Foto: dpa)

Auch die Krippenkosten könnten die Ämter bald nicht mehr erstatten - wie das Beispiel einer Familie aus Würzburg zeigt.

Von Dietrich Mittler, München

Der Streit darüber, ob das in Bayern ausgezahlte Familiengeld auf Sozialleistungen angerechnet werden muss oder nicht, treibt weiterhin Blüten. Während Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) betont, dass es nicht angerechnet werden darf, ist Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) vom Gegenteil überzeugt. Die Leidtragenden des Streits sind finanziell schwache Familien, die auf jeden Cent angewiesen sind - jüngstes Beispiel in Würzburg. Dort wird einer Familie das Familiengeld bereits auf Hartz-IV-Leistungen angerechnet. Und: Das städtische Jugendamt steht überdies auf dem Standpunkt, künftig für solche Familien mit Blick auf das Familiengeld auch die Krippenkosten nicht mehr erstatten zu müssen. "Das muss sofort abgestellt werden", fordert Schreyer. Die Stadt, so die Ministerin, treffe "mit der doppelten Anrechnung eine falsche Entscheidung".

Das Grundproblem ist indes, dass derzeit in Bayern die zwei konträren Rechtsauffassungen von Schreyer und Heil aufeinanderprallen. In den sogenannten Optionskommunen, zu denen die Städte Ingolstadt, Schweinfurt, Erlangen, Kaufbeuren und die Landkreise Würzburg, Ansbach, München, Miesbach, Günzburg sowie Oberallgäu gehören, ist der Freistaat für die Jobcenter zuständig. Dort wird also das Familiengeld nicht auf Sozialleistungen angerechnet.

Anders in den übrigen Kommunen Bayerns, wo der Bund in den Jobcentern das Sagen hat. In der Stadt Würzburg, in der genau das der Fall ist, kommt ein weiteres Problem hinzu: "Nach unserer Gesetzesauslegung, die auch von Experten aus dem Jugendhilferecht und anderen unterfränkischen und bayerischen Jugendämtern geteilt wird, müssten wir tatsächlich zum Ergebnis gelangen, dass eine Anrechnung (des Familiengelds) auch bei der Erstattung der Krippenbeiträge durch die Kommune zu erfolgen hat."

Sprich: eine doppelte Belastung für jene Familiengeld-Empfänger, die neben der Kürzung der Hartz-IV-Leistungen nun zudem damit rechnen müssen, dass künftig auch die kommunale Erstattung des Krippengelds an die Träger der Krippe ausbleibt. Noch, so beruhigt die Stadt Würzburg, sei das nicht der Fall. Bis zur Klärung der Rechtslage übernehme die Stadt die Krippenkosten - aber "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht".

© SZ vom 03.11.2018 / dm - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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