Kratzers Wortschatz:"Pfund sagt man nicht mehr"

Lesezeit: 1 min

Ein Sprachpolizist ermahnt die Twittergemeinde künftig nur noch Gramm zu sagen, und auch das Wort Schachtel steht heutzutage gegen Modewörter wie Box auf verlorenem Posten.

Kolumne von Hans Kratzer

Pfund

Auf dem Medium Twitter machte sich neulich ein Siebengescheiter darüber lustig, dass jemand das Wort Pfund verwendet hatte. "Pfund sagt man nicht mehr", belehrte er die Twittergemeinde, "es heißt 500 Gramm!" Ganz so streng wird man es freilich nicht sehen müssen. Als Gewichtsangabe ist das Pfund nach wie vor beliebt, auch wenn es als Messeinheit schon im 19. Jahrhundert offiziell abgeschafft wurde.

1858 hatte der Deutsche Zollverein festgelegt, dass ein Pfund 500 Gramm schwer sein soll. Bis dahin galt in Bayern das Wiener Pfund, das waren gut 560 Gramm. Ausgehend vom Wort Pfund wurden weitere Wörter entwickelt. Der Pfundhammel etwa, ein Schimpfwort für ein grobes, ungeschlacht auftretendes Mannsbild. Auch als Präfix zur Verstärkung dient das Pfund, etwa bei der Pfundsgaudi und beim Pfundskerl. Positiv klingt auch das Adjektiv pfundig, das aber wegen der Modewörter geil und super einen schweren Stand hat. Noch seltener hört man das alte Synonym bärig.

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Schachtel

In der Fotoredaktion der SZ werden die für die Produktion benötigten Bilder thematisch in sogenannten Lightboxen abgelegt. Kollegin P. verwendet statt Lightbox in einer Art liebevollem Trotz ein schöneres und viel poetischeres Wort: "Schau mal in die Lichtschachtel!" Leider wird die Schachtel mehr und mehr von der Box verdrängt. Dieses fürchterliche Wort ersetzt mittlerweile Litaneien von Begriffen und deutet an, dass sich Sprache künftig auf wenige infantile Kernwörter reduzieren könnte.

Neuerdings wird sogar der Strafraum im Fußball als Box bezeichnet. Die Schachtel hat dagegen Kraft und Farbe, nicht umsonst springt aus ihr der Schachterlteufel heraus. Sie hat aber auch eine dunkle Seite. Ältere Frauen werden oft als alte Schachteln bezeichnet. Dass es hier Nuancen gibt, zeigt ein Artikel im Münchener Stadtanzeiger vom August 1918, es ging um die französische Chansonette Yvette Guilbert: "Selbst als Yvette angejahrt war, hatte sie noch Zugkraft, denn auch eine alte Pariser Schachtel ist für einen deutschen Lebemann immer noch ein begehrenswertes Objekt."

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