Coronavirus:Impfkampagne in Bayern beginnt schleppend

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In Weißenhorn im schwäbischen Landkreis Neu-Ulm stehen Seniorinnen und Senioren im Impfzentrum bei der Anmeldung an. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Die in Oberfranken ausgelieferte Charge soll nicht genutzt werden, obwohl Experten sie als tauglich einstufen. Und die CSU-Politikerin Barbara Stamm fordert, dass auch Behinderten-Einrichtungen in die erste Gruppe kommen.

Von Dietrich Mittler, München

Trotz der Verzögerung des Corona-Impfstarts in Schwaben und in Oberfranken sieht sich die Staatsregierung im Kampf gegen Corona auf einem guten Weg. Vom Start am Sonntag bis Montagnachmittag meldeten die Gesundheitsämter landesweit 6000 Impfungen, großenteils in Pflege- und Seniorenheimen, wie Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) mitteilte. Am Sonntag hatten Unklarheiten bezüglich der Kühlketten regional für Irritationen gesorgt. Während in Schwaben die ersten Impfungen in ausgewählten Alten- und Pflegeheimen in den Abendstunden doch noch eingeleitet wurden, hatten sich die Landräte von Coburg, Lichtenfels, Kronach, Kulmbach, Bayreuth, Hof und Wunsiedel dazu entschieden, den Impfstart zu verschieben. Nach Auskunft des Bayerischen Landkreistags sollten nun aber auch dort die mobilen Impfteams mit ihrer Arbeit beginnen.

Der Lichtenfelser Landrat Christian Meißner (CSU) erklärte als Sprecher der oberfränkischen Landkreise, die Bevölkerung vertraue darauf, dass sie "einwandfreien Impfstoff" erhält. Nachdem am Sonntag aber Zweifel daran aufgekommen waren, dass die zentral beschafften Kühlboxen für den Impfstoff ordnungsgemäß funktionieren, sei die Entscheidung gefallen, noch nicht zu impfen. "Die Sicherheit der Patienten hat oberste Priorität", hieß es zur Begründung. Offenbar waren die Irritationen beim Auslesen der Temperaturlogger aufgetreten, die den Kühlboxen beigelegt sind.

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Auch Coburgs Landrat Sebastian Straubel (CSU) sah keine Alternative zur Verschiebung des Impfbeginns. "Es geht nicht darum, so schnell wie möglich zu impfen, sondern vielmehr darum, mit größter Sorgfalt und unter Einhaltung aller Sicherheitsansprüche zu impfen", sagte er. Obwohl inzwischen Experten des Gesundheitsministeriums und des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit den am Sonntag in Oberfranken ausgelieferten Impfstoff als tauglich eingestuft haben, wollten ihn die betroffenen Landkreise und kreisfreien Städte nicht verabreichen lassen - "da noch ein Restzweifel besteht". Aber: Der "problematische" Impfstoff solle jetzt zurückgeholt, erneut fachlich geprüft und neu bewertet werden. "Sollte das Ergebnis positiv sein, wird der Impfstoff schnellstmöglich verwendet", hieß es.

Unterdessen wächst in Teilen der Bevölkerung der Unmut darüber, dass in Deutschland im Vergleich zu anderen Nationen viel zu wenig Impfstoff bereitstehe und so in der Folge am Sonntag in München nur 250 Impfdosen zur Verfügung standen. Pro Landkreis waren es jeweils 100 Dosen. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte kürzlich darauf gedrängt, die Impfstoff-Produktion müsse dringend erhöht werden. "Endloses Warten" reduziere in der Bevölkerung die Bereitschaft, sich impfen zu lassen. Klaus Holetschek (CSU), Staatssekretär im Gesundheitsministerium, wies auf Nachfrage darauf hin, dass sich Bayern angesichts der hiesigen renommierten Pharma-Unternehmen geradezu als Standort zur Impfstoffproduktion anbiete. "Die Verfügbarkeit des Impfstoffs ist schon ein ganz zentraler Faktor", betonte Holetschek.

Dass die Menge des in der ersten Tranche ausgelieferten Impfstoffs "voraussichtlich sehr begrenzt ist", hatte das Gesundheitsministerium den Trägern von Alten- und Pflegeeinrichtungen bereits in einem vertraulichen Schreiben vom 15. Dezember zu verstehen gegeben. Es sei aber in der Folge mit weiteren regelmäßigen Lieferungen zu rechnen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums soll Bayern bis zum Jahresende rund 215 000 Impfdosen erhalten haben - davon allein jetzt zu Wochenbeginn 97 500 Dosen. Große Hoffnungen setzt das Gesundheitsministerium auch auf eine eigens entwickelte Software, mit der unter anderem die Terminplanung und die Impfdokumentation pannenfrei ablaufen soll.

Aktuell finden Impfungen indes nicht nur in den Alten- und Pflegeheimen statt. Am Universitätsklinikum Augsburg (UKA) etwa sollen an diesem Dienstag die ersten 20 Mitarbeiter der zentralen Notaufnahme gegen den Erreger Sars-CoV-2 geimpft werden. Nach Angaben einer UKA-Sprecherin seien am Tag darauf weitere 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Notaufnahme sowie einer Covid-19-Station an der Reihe.

In Bayerns Behinderten-Einrichtungen ist jedoch das Erstaunen groß, dass dort die Bewohnerinnen und Bewohner bei den Corona-Impfungen nun doch nicht die höchste Priorität genießen. Zunächst war dies so vorgesehen. In einem Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, machte Barbara Stamm (CSU) als Vorsitzende der Lebenshilfe in Bayern deutlich, dass der Sinneswandel "mit großer Verwunderung" zur Kenntnis genommen werde. Die Einrichtungen hätten aufgrund von Informationen aus dem bayerischen Gesundheitsministerium "mit großer Eile" alles unternommen, damit die Impfungen starten können - und nun komme es "in den nächsten Tagen" doch nicht "zu den dringend erwarteten Impfungen". Spahn solle doch bitte in einer "raschen Antwort" erklären, wie es zu diesem Sinneswandel kam.

Unverständnis für den Aufschub zeigt auch Ruth Waldmann, die sozialpolitische Sprecherin der Landtags-SPD. "Insbesondere schwerst- und mehrfachbehinderte Menschen sind massiv durch das Coronavirus gefährdet", sagte sie. Seit Beginn der Corona-Krise seien "viele von ihnen nahezu vollständig isoliert, weil sie so sehr geschützt werden müssen". Die bayerische Staatsregierung habe durchaus einen gewissen Entscheidungsspielraum bei der Auswahl jener, die zuerst geimpft werden sollen. "Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum man bei Pflegebedürftigen einen Unterschied macht, ob sie aus Altersgründen oder wegen einer Behinderung in besonderer Gefahr sind, schwer an Covid-19 zu erkranken", sagte Waldmann.

Das Gesundheitsministerium in München vertritt den Standpunkt, die nun so getroffene Priorisierung habe Sinn: "Jeder zweite Corona-bedingte Todesfall in Deutschland wird gegenwärtig bei den über 80-Jährigen verzeichnet. Diese leben sehr häufig in Senioren- oder Pflegeeinrichtungen." Es verstehe sich daher "von selbst, dass diese besonders betroffenen Personen deshalb vordringlich vor dieser Krankheit geschützt werden müssen".

© SZ vom 29.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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