Verwendung von Corona-Gästelisten:Nur noch Mustermanns im Biergarten

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Ein Zettel für die Gäste-Regstrierung liegt in einem Restaurant auf einem Tisch. (Foto: Carsten Rehder/dpa)

Wenn Gästelisten von Restaurants willkürlich für Ermittlungen benutzt werden, torpediert der Staat den Infektionsschutz.

Kommentar von Johann Osel

Dass Gäste in Lokalen persönliche Daten angeben müssen, um mögliche Corona-Ansteckungen nachvollziehen zu können, ist an sich schon ein hitziges Thema. Viele Bürger sehen sich dadurch staatlich überwacht, andere befürchten die Preisgabe ihrer Telefonnummer für fremde Augen; zumal, weil mancher Gastronom die Listen einfach offen auslegt. Neuen Zündstoff hat die Causa jetzt durch das Vorgehen der bayerischen Polizei erhalten.

Wie durch eine FDP-Anfrage bekannt geworden war, wurden bis Ende Juli Gästedaten in zwei Dutzend Fällen für Ermittlungen genutzt - nicht nur bei Kapitaldelikten, sondern auch bei weniger gravierenden Taten wie Diebstahl, Fahrerflucht, Betrug oder Beleidigung. Die Opposition sieht den Datenschutz verletzt und ebenso das Vertrauen der Bürger in die Polizei.

Nötig ist vor allem Klarheit - die muss der Staat schaffen

Das Innenministerium betont, dass das rechtlich zulässig sei, dass keineswegs wahllos auf Daten zugegriffen werde und geringfügigere Verbrechen auch zu bekämpfen seien. Beide Seiten haben recht. Es geht ja im Grunde weniger um die Listenzugriffe selbst als um Kommunikation und Transparenz.

Es stimmt schon: Auch Betrugsopfer dürfen erwarten, dass so umfassend wie rechtlich gedeckt ermittelt wird. Das gilt auch für den Adressaten einer (im konkreten Fall antisemitischen) Beleidigung. Das Problem ist, dass Innenminister Joachim Herrmann, als im Juli Einzelfälle publik wurden, nur davon sprach, dass es beim Zugriff auf die Gästelisten um Leben und Tod gehe - also um Mordfälle oder vermisste Wanderer. Nicht mit offenen Karten zu spielen und erste Kritik beleidigt abzutun, war ein Fehler.

Nötig ist Klarheit: eine genaue Definition, wann und warum derlei Daten eingesehen werden. Eine gesetzliche Regelung mit Bund oder Innenministerkonferenz böte sich hier an. Zweckentfremdung ohne Klarheit für den Bürger torpediert die Disziplin beim Listeneintrag, letztlich den Infektionsschutz. Dann geht noch öfter Manfred Mustermann ins Wirtshaus.

© SZ vom 04.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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