Bayerischer Wald:Breite Trassen in den Bergwald

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  • Im Bayerischen Wald werden an der 1000 Meter hohen Schareben Schneisen in den Wald geschlagen - für die industrielle Holzernte.
  • Die Einheimischen kritisieren, dass ohne Rücksicht auf die Natur und das Schutzgebiet für den Auerhahn zu große Wege in den Wald geschlagen werden.
  • Der zuständige Staatsforstbetrieb spricht man von "ganz normaler Forstwirtschaft".

Von Christian Sebald, München

Die Schareben ist ein gut tausend Meter hoher Gipfel im Bayerischen Wald nordwestlich vom Großen Arber. Ihre Hänge ziehen sich alte Mischwälder mit mächtigen Buchen und Fichten hinauf. Sie sind so ursprünglich, dass in ihnen sogar Auerhähne leben. So viele sogar, dass die Schareben ein Schutzgebiet für Auerwild ist.

Der Gipfel ist aber auch ein beliebtes Wandergebiet. Von Arnbruck im Zellertal her sind es nur gut zwei Stunden, von Drachselsried sogar noch etwas kürzer. Oben erwartet die Wanderer ein uriges Berggasthaus. "Die Schareben ist unser Hausberg, nicht nur für mich, sondern für viele hier", sagt Konrad Müller aus Arnbruck. "Ob zu Fuß oder mit dem Radl und im Winter mit den Ski, ich bin auf der Schareben, seit ich ein Kind bin."

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Inzwischen freilich mag Müller gar nicht mehr so oft hinaufgehen. "Was die Bayerischen Staatsforsten da seit gut einem Jahr im Bergwald veranstalten, ist ein Graus", sagt der Zimmerermeister. "Überall schlagen sie mit ihren Baggern Gassen und Wege in ihn hinein." So sehr ärgert sich Müller über die Bauwut im Staatswald, dass er sie akribisch dokumentiert hat. Seine Fotos zeigen lehmige Abgrabungen, aufgerissenes Erdreich, frisch planierte Trassen, Abflussfurchen, die sich tief in den Waldboden gegraben haben und anderes mehr.

"Das ist ein einziges Wald- und Bodenvernichtungsprogramm", schimpft der 46-Jährige, der sich auch bei der Bergwacht engagiert. "Der ganze Hang blutet aus." Nicht einmal auf das Auerwild-Schutzgebiet nähmen die Staatsforsten Rücksicht.

Wenig Verständnis für neue Rückewege

Müller ist nicht der einzige in Arnbruck und Drachselsried, der sich sehr über das Treiben der Staatsforsten ärgert. "Es gibt viele hier, die nicht verstehen, was das Ganze soll", sagt der Arnbrucker Bürgermeister Hermann Brandl. Auch sein Drachselsrieder Kollege Hans Hutter hat festgestellt, "dass das rumgeht unter den Leuten, viele machen sich Sorgen um die Auswirkungen".

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Zum Beispiel um den Hochwasserschutz. Bislang habe der Bergwald die Wassermassen auch bei einem richtig schlimmen Platzregen zuverlässig zurückgehalten. Neuerdings, da schössen sie immer direkt bis ins Zellertal hinab. "An anderer Stelle gibt der Freistaat Millionen aus für den Hochwasserschutz", sagt Müller. "Hier leistet er neuen Überflutungen Vorschub. Da fehlt mir jedes Verständnis."

Jürgen Völkl kann den Ärger nicht nachvollziehen. Er ist Chef des Staatsforstbetriebs Bodenmais und zuständig für die Wälder an der Schareben. "Das ist ganz normale Forstwirtschaft", sagt Völkl zu den Arbeiten, "so wie wir sie seit Jahren praktizieren."

Bei den frisch in den Wald hineinplanierten Trassen handelt es sich um sogenannte Rückewege - Wege also, auf denen gefällte Bäume aus dem Forst heraustransportiert werden. "Allerdings sind das alles keine neuen Rückewege", sagt der Forstbetriebschef, "wir modernisieren nur das alte Netz aus den 1960er Jahren."

Denn seither hat sich in der Forstwirtschaft praktisch alles geändert. Damals war die Holzfällerei schwerste Handarbeit. Heute ist sie hoch technisiert. Sogenannte Harvester sind Standard. Das sind gigantische Maschinen auf mehreren beweglichen Achsen. Mit ihnen können die Forstarbeiter einen Baumstamm umfassen, fällen, entasten und zum Abtransport auf andere Spezialfahrzeuge ablegen - binnen Minutenfrist.

Für die industrielle Holzernte, wie Fachleute die Holzfällerei nun nennen, müssen die Wälder aber besonders hergerichtet werden. Die einst zwei oder 2,5 Meter schmalen Rückewege reichen nicht aus. Sie müssen nun vier Meter breit sein. Außerdem braucht es alle 30 Meter eine etwas schmalere Rückegasse und alle 50 bis hundert Meter einen Rückeweg. An der Schareben stellen die Staatsforsten nun so ein modernes Wegenetz her. "Das sieht zwar während der Bauzeit nicht schön aus", gibt Forstbetriebschef Völkl zu. "Aber es wächst sich ein."

Naturschutz und moderne Forstwirtschaft

Und natürlich habe man alle Vorgaben genau berücksichtigt. Im Auerwild-Schutzgebiet habe man erst nach dem 15. Juli gearbeitet - bis dahin war nicht nur die Brutzeit der sensiblen Waldvögel vorbei. "Sondern die Jungvögel waren auch schon flugfähig", versichert Völkl und betont: "Der Auerhahn mag's ja außerdem, wenn's ein wenig lichter ist im Wald."

Völkl verweist auch ausdrücklich auf das Naturschutzkonzept, das sich sein Betrieb 2014 gegeben hat. Im Internet wirbt der Forstbetrieb Bodenmais auch damit, dass er je ein Projekt zum Schutz von Fledermäusen und zur Renaturierung eines Moores vorantreibt. So wie die Staatsforsten und die Forstverwaltung insgesamt ja 2015 zum "Aktionsjahr Waldnaturschutz" ausgerufen haben. In seinem Rahmen wollen sie beweisen, dass Naturschutz im Wald und moderne Forstwirtschaft kein Widerspruch sind.

In Arnbruck und in Drachselsried dürften die Staatsforsten damit freilich wenig Erfolg haben. Dort verstärkt sich vielmehr die Überzeugung, dass es ihnen vor allem um den Gewinn geht, den sie aus dem Wald herausholen können. So sagt es Müller und so beobachten es die beiden Bürgermeister Brandl und Hutter. Letzterer kann die Bürger sogar gut verstehen, "bei den Ausmaßen, die die Wegearbeiten droben an der Schareben angenommen haben".

© SZ vom 10.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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