Urteil in Augsburg:Vater starb vor Geburt - Kein Geld für Tochter

Lesezeit: 2 min

Die Zahlung für die Dreijährige verweigerte die Versicherung mit Verweis auf die Gesetzeslage - das Gericht gab ihr Recht. (Foto: U. J. Alexander/Imago)

Eine Dreijährige, deren Vater vor ihrer Geburt verunglückte, klagte auf Hinterbliebenengeld. Doch die Versicherung muss nicht zahlen, urteilte das Oberlandesgericht.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Hat ein ungeborenes Kind schon ein besonderes Näheverhältnis zum Vater? Im Kern um diese Frage drehte sich die Berufungsklage vor dem Oberlandesgericht München, die eine Mutter im Namen ihrer dreijährigen Tochter angestrengt hat. Als die Frau mit dem Kind schwanger war, kam ihr Lebensgefährte bei einem Autounfall ums Leben. Für ihre Tochter streitet die Mutter deshalb um 20 000 Euro Hinterbliebenengeld, die die Württembergische Versicherung mit Verweis auf das nicht existente Näheverhältnis des damals ungeborenen Kindes mit dem getöteten Vater nicht bezahlen will. Das Oberlandesgericht wies die Berufungsklage nun ab - und strich der Mutter sogar noch 21 000 Euro, die das Landgericht Memmingen der Mutter als Ersatz für die Kosten einer Nachlasspflegschaft zugesprochen hatte.

Klägerin in dem Fall ist die Tochter, die im April 2018 zur Welt kam. Einige Monate vor ihrer Geburt wurde der Vater auf der Autobahn A 8 bei einem Unfall von einem Geisterfahrer getötet, der bei der Württembergischen Versicherung versichert war. Das Unternehmen hat der Mutter, die mit dem Getöteten zusammenlebte, sowie den beiden Halbbrüdern der klagenden Tochter anstandslos Hinterbliebenengeld ausgezahlt. Die Zahlung für die heute Dreijährige verweigerte die Versicherung mit Verweis auf die Gesetzeslage. Dort heißt es, dass Hinterbliebenen wegen des ihnen zugefügten seelischen Leids eine angemessene Entschädigung zu leisten sei. Allerdings nur bei einem "besonderen persönlichen Näheverhältnis", das zum Beispiel dann vermutet wird, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.

Die Anwälte der Klägerin argumentierten, dass einem Embryo die gleichen Rechte wie einem bereits geborenen Kind zustünden, alles andere verletze die Menschenwürde der Tochter. Man könne Ungeborene genauso wenig wie Säuglinge, Demenzkranke oder Menschen mit schwerer geistiger Behinderung vom Anspruch auf Hinterbliebenengeld ausschließen, bloß weil sie nicht in der Lage seien, seelisches Leid zu empfinden. Das Kind müsse ohne Vater aufwachsen und sei deshalb erheblich in der Entwicklung seiner Persönlichkeit beeinträchtigt.

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Das Oberlandesgericht ließ in seinem Urteil allerdings keinen Zweifel daran, dass die Versicherung richtig handelt und ungeborenen Kindern kein Hinterbliebenengeld zusteht. Schadenersatz zum Beispiel wäre möglich, aber nur, wenn das Ungeborene im Mutterleib von einem Dritten geschädigt würde, was hier nicht der Fall war. Ein Näheverhältnis kann aus Sicht des Gerichts auch nicht damit begründet werden, dass ein Embryo im vierten oder fünften Schwangerschaftsmonat bereits in der Lage ist Stimmen wahrzunehmen. Die allmähliche Entwicklung der Sinnesorgane reiche zur Begründung eines persönlichen Näheverhältnisses zum Vater vor Geburt nicht aus. Ein Ungeborenes sei zudem nicht rechtsfähig und stamme zwar vom Zeitpunkt der Zeugung an aus biologischer Sicht von seinen Eltern ab. Rechtlich gesehen besteht in diesem Moment jedoch noch kein Verwandtschaftsverhältnis mit dem Vater - dies beginne erst mit Geburt des Kindes. Einen Vergleich etwa mit Demenzkranken und Säuglingen ließ das Gericht nicht zu, da diese Gefühle entwickeln könnten und somit explizit nicht vom Hinterbliebenengeld ausgeschlossen seien.

Für die Erbengemeinschaft der minderjährigen Halbbrüder und der ungeborenen Tochter hatte das Amtsgericht Aichach eine Rechtsanwältin als Nachlasspflegerin eingesetzt. Die Vergütung von knapp 21 000 Euro hätte nach Urteil des Landgerichts Memmingen ebenfalls die Versicherung übernehmen sollen, was das Oberlandesgericht nun jedoch abänderte. Für einen solchen Vermögensschaden sehe das Gesetz keinen Ersatz vor. Die Kosten tragen die Hinterbliebenen also selbst. Eine Revision ließ das Oberlandesgericht nicht zu.

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