Augsburg:200 000 Euro für 4500 Überstunden

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Augsburgs Baureferent will sich seine zusätzliche Arbeitszeit vergüten lassen - das finden nicht alle gut.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Auf Facebook hat der Kreisverband Augsburg der Satirepartei "Die Partei" Gerd Merkle schon als Miley Cyrus abgebildet: Der Kopf des Baureferenten ist auf den Körper der Sängerin montiert, die im Video zu ihrem Song "Wrecking Ball" auf einer Abrissbirne schwingt. "Augsburgs Oberabrissbirne" schreibt Stadträtin Lisa McQueen dazu, es ist auch von der "greedy €sU" und einem "fetten Koffer Geld" zu lesen. CSU-Baureferent Merkle hat sich keine Freunde gemacht, seitdem öffentlich wurde, dass er sich zu seinem Ausscheiden aus dem Amt in einem Jahr 4500 Überstunden ausbezahlen lassen will - das entspricht etwa 200 000 Euro. Und nun diskutieren sie in Augsburg, ob das moralisch in Ordnung ist, ob das rechtlich zulässig ist und wie es überhaupt sein kann, dass jemand so viele Überstunden aufbaut.

Seit 14 Jahren ist Merkle Referent in Augsburg, zuvor war er teils in leitenden Funktionen tätig. Aus diesen Tätigkeiten aus den Jahren 1994 bis 2008 resultieren die Überstunden, auf die er sich bezieht. Eine Dienstvereinbarung mit dem damaligen Gesamtpersonalrat aus dem Jahr 2004, schreibt die Stadt in einer Stellungnahme, ermöglichte die Anhäufung der Überstunden, ohne dass sie verfallen - das gilt für alle Mitarbeiter. Viele von Ihnen nutzten die Zeitkonten bereits, um früher in Ruhestand zu gehen. Das geht bei Merkle nicht, weil er die Überstunden aus seinen damaligen Funktionen in seiner jetzigen Stelle als Baureferent nicht mehr abfeiern darf.

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"Die Forderung ist abgehoben und völlig enthemmt", schimpft ein Linke-Stadtrat

In nicht-öffentlicher Sitzung hat der Personalausschuss nun mehrheitlich beschlossen, Merkle das Geld auszuzahlen, solange die Regierung von Schwaben als Rechtsaufsicht den Vorgang prüft und juristisch durchwinkt. Unter anderem die FDP fordert die Stadt auf, rechtliche Zweifel an den Ansprüchen definitiv auszuschließen. "Ich habe als Fachanwalt für Arbeitsrecht von einer derartigen Regelung in meiner 25-jährigen Tätigkeit weder gehört, noch hätte ich sie für möglich gehalten," sagt etwa Alexander Meyer, FDP-Vorstandsmitglied in Augsburg. Rechtlich geprüft werden müsste zum Beispiel, sagen andere, ob Merkle seine Forderungen aus Überstunden, die er vor mehr als zehn Jahren aufgebaut hat, trotz der spezifischen Augsburger Verwaltungsabsprachen nicht viel früher hätte geltend machen müssen.

Die Stadt hat daran augenscheinlich keine Zweifel. Sie betont, dass die Überstunden auf mangelndes Personal zurückzuführen sind. Stadtspitze und Personalrat arbeiteten an einer neuen Dienstvereinbarung und einem Zeitwirtschaftsmanagement. Merkle etwa hätte damals nachdrücklich mehr Personal gefordert, aufgrund der Haushaltslage aber nicht bekommen. Den Baureferent trifft keine Schuld, soll das heißen.

Die moralische Deutungshoheit hat Merkle dennoch schon verloren, nicht allein wegen der Fotomontage auf der Abrissbirne. "Die Forderung ist abgehoben und völlig enthemmt", schimpft Linke-Stadtrat Frederik Hintermayr. Es entstehe der Eindruck, dass ausgerechnet ein Mitglied der Stadtregierung die bestehenden Regelungen nutzen möchte, um sich den Ruhestand vergolden zu lassen. "Herrn Merkle scheint jegliches Fingerspitzengefühl zu fehlen", heißt es auch von Seiten der FDP. Viele Menschen hätten wegen Corona ihre Arbeit verloren oder müssten mit großen Geldeinbußen zurechtkommen. "Und in dieser Zeit will sich eine gutverdienende Führungskraft bis zu 20 Jahre alte Überstunden kompensieren lassen", kritisiert der Augsburger FDP-Vorsitzende Ralf Neugschwender. Es bestehe die Gefahr, dass die Augsburger Stadtverwaltung als Selbstbedienungsladen wahrgenommen werde.

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