Augsburger Feuerwehr:"So etwas regt durchaus den Adrenalinspiegel an"

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Brandheiß: die Feuerwehrerlebniswelt in Augsburg. (Foto: Florian Fuchs)

In Deutschlands erster Feuerwehrerlebniswelt sind Besucher Flammen und Rauch ausgesetzt. So lernen sie die Arbeit der Retter kennen - und können selbst mit anpacken.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Bevor er die Feuerwalze startet, erklärt Frank Habermaier noch, dass es jetzt schon ein bisschen warm werden könnte. "So etwas regt durchaus den Adrenalinspiegel an", untertreibt der frühere Kommandant der Augsburger Berufsfeuerwehr, lächelt - und plötzlich schießt an der Decke eine 1000 Grad heiße Flamme über die Köpfe der Besucher hinweg. So fühlt es sich also an, wenn in einem brennenden Haus eine Stichflamme entsteht. Bloß dass es in der Feuerwehrerlebniswelt in Augsburg völlig ungefährlich ist: Die Decken sind aus Brandschutzplatten, die Besucher stehen am Boden auf einem rot markierten Bereich in ausreichendem Abstand nach oben. Verbrennungen muss niemand befürchten.

Es ist ein deutschlandweit einzigartiges Projekt, das am Donnerstag seine Pforten öffnet: Die Augsburger Erlebniswelt soll kein Feuerwehrmuseum sein, obwohl viele - auch historische - Utensilien aus der Welt der Brandschützer gezeigt werden. Die Ausstellung ist interaktiv konzipiert, an den meisten Stationen dürfen die Besucher mitmachen, ausprobieren. Sie dürfen einen nachgebauten Warnmelder erkunden oder nachempfinden, wie es sich anfühlt, bei einem Unfall mit dem Auto aufs Dach geschleudert zu werden.

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Es gibt interaktive Feuerlöscher und sobald die Windmaschine Corona-bedingt in Betrieb gehen darf, können sich Besucher orkanartigen Böen mit einer Geschwindigkeit von 100 Kilometern die Stunde entgegen stemmen. "Wir wollen, dass die Besucher Feuerwehr erleben", sagt Habermaier. Und ganz nebenbei ein Verständnis erlangen für eigentlich sperrige Themen wie zum Beispiel Brandschutz und Arbeitssicherheit.

70 000 Besucher erwarten Habermaier und Geschäftsführer Dirk von Gehlen jährlich. Allerdings betonen sie, dass sie nicht gewinnorientiert arbeiten, deshalb ist die Erlebniswelt als gemeinnützige GmbH eingetragen. Was verdient wird, stecken die Betreiber in die Ausstellung, wobei die Sache mit dem Verdienst momentan wie bei vielen anderen Betrieben so eine Sache ist: Habermaier und Gehlen hätten eigentlich schon im Herbst vergangenen Jahres öffnen wollen, Corona ließ das nicht zu.

Nun haben sie sich mit Überbrückungskrediten und Kurzarbeit für die Angestellten durchgeschlagen. Sollte die Inzidenz in Augsburg über 100 steigen, müssen sie wieder schließen. Aber zumindest wollen sie es nun einmal probieren - und offiziell an den Start gehen, mit Hygienekonzept und reduzierter Besucherzahl. Sogar teure Luftreiniger stehen in der knapp 3000 Quadratmeter großen Ausstellungshalle.

"Da sieht man einmal, was Leute in einer solchen Leitstelle leisten müssen"

Einige der Highlights werden zu Beginn nicht zu sehen sein: Die Windmaschine anzuschmeißen, damit zum Beispiel wären die Betreiber nicht gut beraten - das würde etwaige Viren nur unnötig im Raum verteilen. Auch die Attraktion eines verrauchten Raums wird vorerst nicht betrieben: Besucher sollen dort die Möglichkeit haben, sich wie in einem brennenden, völlig verrauchten Haus den Weg zum Ausgang ertasten zu müssen. Der Rauch ist Theaternebel und völlig ungefährlich - müsste allerdings mit Ventilatoren beseitigt werden, was sich wiederum mit den Anti-Corona-Maßnahmen nicht so gut verträgt.

Es verbleiben allerdings neben dem Flash-over-Raum mit der Feuerwalze über den Köpfen noch viele andere Attraktionen, sodass sich ein Besuch auch im eingeschränkten Betrieb lohnt. Habermaier und sein Team haben unter anderem eine kleine integrierte Leitstelle aufgebaut. Der Besucher darf einen fiktiven Notruf entgegennehmen, in einem Gespräch die nötigen Daten abfragen und entsprechende Hilfeleistungen starten - Auswertung und Feedback inklusive. "Da sieht man einmal, was Leute in einer solchen Leitstelle leisten müssen", sagt Habermaier. Tatsächlich gelingt es der Erlebniswelt, viele Themen mit Spaß zu vermitteln. So zum Beispiel in der "Riesenküche", in der ein überdimensionaler Herd steht. Eltern können sich so leicht in die Lage ihrer Kleinkinder versetzen. Und merken, wie gefährlich eine Küche aus Sicht eines Kindes eigentlich ist.

"Wenn die Leute hier rausgehen und verstehen, dass einige Vorschriften zum Brandschutz keine Schikane, sondern wirklich sinnvoll sind, dann haben wir schon gewonnen", sagt Habermaier. Und wenn die Besucher die Handhabung eines Feuerwehrlöschers üben: Kaum jemand hat solch ein Gerät schon einmal ausprobiert, die Erlebniswelt hat einen originalgetreuen Löscher, mit dem man ein digitales Feuer ersticken muss. Es sind solche Einfälle, die die Erlebniswelt tatsächlich zum Erlebnis mit Lerneffekt machen, nicht nur für Kinder, für die es eigene Parcours und Mitmach-Stationen gibt. Wer einmal im größten begehbaren Rauchwarnmelder der Welt war, wird sich zweimal überlegen, ob er wirklich zu faul ist, in den Geräten zu Hause die Batterien zu wechseln.

© SZ vom 18.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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