Die Polizeistreife fuhr um 3.30 Uhr früh am sogenannten Ankerzentrum in Donauwörth vor, um einen Flüchtling "zur Überstellung nach Italien" abzuholen, also zur Abschiebung. Der Einsatz am 14. März geriet zeitweise völlig außer Kontrolle. Etwa 50 Asylbewerber rebellierten nicht nur gegen die polizeiliche Maßnahme, an der letztlich eine dreistellige Zahl von Beamten beteiligt war. Sie lehnten sich auch lautstark gegen die Art der Unterbringung in der Einrichtung auf, die sie als Zumutung empfanden. 27 Asylbewerber wurden wegen Beleidigung, Widerstands, Landfriedensbruchs oder anderer Delikte angezeigt.
Sie bekamen allesamt Strafbefehle der Staatsanwaltschaft Augsburg zugeschickt - und die meisten akzeptierten die Geldstrafen von einigen Hundert Euro auch. Ein 21-jähriger und ein 28-jähriger Gambier zahlten die von ihnen verlangten 900 beziehungsweise 800 Euro nicht. Ihre Einsprüche gegen die Strafbefehle wurden an diesem Mittwoch am Augsburger Amtsgericht verhandelt.
Flüchtlinge:6600 Ausreisepflichtige haben Bayern dieses Jahr verlassen
Die strenge Abschiebe-Politik schlägt sich noch nicht in den Zahlen für 2018 nieder. Bald will Markus Söder aber landeseigene Flugzeuge für Rückführungen chartern.
In einer Zeit, in der die AfD die Flüchtlingsdebatte nach Kräften am Kochen hielt und auch bei der CSU die Rhetorik zunehmend schärfer wurde, machte der Polizeieinsatz in der Donauwörther Sammelunterkunft bundesweit Schlagzeilen. Die Debatte um dieses Vorgehen und auch über das Verhalten einiger auf Krawall gebürsteter Asylbewerber ist nicht verstummt. Vor Beginn des Prozesses gegen die beiden Gambier demonstrierten vor dem Augsburger Gerichtsgebäude jedenfalls rund 30 Menschen gegen Politik und Polizei.
Franz Dobler vom Flüchtlingsrat bezeichnete die "Ankerzentren" als rechtsfreien Raum und forderte deren Schließung. Sie seien nur geschaffen worden, um die "Hysterie der besorgten Bürger" zu bedienen. Humanität, so Dobler weiter, habe in der aktuellen Politik keinen Platz mehr. Die CSU unterscheide sich in ihrer Rhetorik kaum mehr von der AfD. Auch andere Redner betonten, dass mit den Sammelunterkünften quasi rechtsfreie Räume geschaffen worden seien, in denen sich die Polizei uneingeschränkt bewegen könne.
Andererseits gingen auch manche Flüchtlinge zu weit. Wie eine Mitarbeiterin des Sicherheitsdienstes der Unterkunft im Zeugenstand berichtete, betätigten sie in jener Nacht Feuermelder, machten Jagd auf vier Betreuer des Malteser Hilfsdienstes, die sich in einem Büro verbarrikadieren mussten, umzingelten den Streifenwagen der Polizei und riefen: "We will kill you." Erst der massive Einsatz eines Unterstützungskommandos konnte die Situation wieder unter Kontrolle bringen.
Mittelfinger gegen Pfefferspray? Die Richterin sieht die Vorwürfe bestätigt
Der jüngere Angeklagte ließ seinen Anwalt Michael Brenner vor Gericht eine Erklärung abgeben, in der er eine Beleidigung gegenüber einem Polizeibeamten einräumte - er hatte ihm den Mittelfinger gezeigt. Allerdings nur, so der Verteidiger, weil seinem Freund von einem Polizisten zuvor eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht gesprüht worden sei. Zum anderen Vorwurf, er habe sich aktiv an der Rebellion beteiligt, machte der 21-Jährige keine Angaben. Sein mitangeklagter Landsmann wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern.
Der Anwalt betonte, es habe sich nur um Bagatelldelikte gehandelt, wofür sich die Angeklagten verantworten müssten. Der Prozess diene dazu, die damaligen Verhaftungen - der 28-Jährige saß zwei Monate in Untersuchungshaft - nachträglich zu rechtfertigen und die "bewusste Dramatisierung" der damaligen Ereignisse festzuschreiben. Richterin Susanne Scheiwiller allerdings sah letztlich die Vorwürfe gegen die Männer bestätigt und verurteilte sie zur Zahlung der im Strafbefehl festgelegten Summen.