Altbürgermeister mit 27:"Bundeskanzler kann ja jeder werden"

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Jüngster Bürgermeister Deutschlands, jüngster Landrat - und nun schon wieder ein Rekord: Michael Adam ist zum jüngsten Altbürgermeister der Welt ernannt worden. Mit 27. Wie der SPD-Politiker aus dem Bayerischen Wald das macht und vor welchem Amt er noch Respekt hat.

Lisa Sonnabend

Schon wieder hat der 27-jährige Michael Adam einen Rekord aufgestellt: Jüngster Bürgermeister und jüngster Landrat Deutschlands war er bereits, seit Montagabend ist er auch noch jüngster Altbürgermeister der Welt. Diese Ehrenbezeichnung bekommt, wer eine außergewöhnlich lange Zeit das Amt des Bürgermeisters innehatte oder sich im Amt besonders verdient gemacht hat.

"Ich spüre keinen Druck, ich habe ja noch viele Jahre bis zur Rente": Der 27-jährige Michael Adam, Landrat von Regen. (Foto: dpa)

Michael Adam wurde 2008 im Alter von nur 23 Jahren in Bodenmais im Bayerischen Wald zum Rathauschef gewählt. 2011 gab er das Bürgermeisteramt wieder auf - weil er zum Landrat von Regen gewählt worden war. Adam ist außerdem seit Februar 2011 Vorsitzender des SPD-Bezirks Niederbayern.

Süddeutsche.de: Mit 27 Jahren schon Altbürgermeister - kann man sich da überhaupt freuen?

Adam: Die Auszeichnung hat für viel Schmunzeln gesorgt. Altbürgermeister ist aber natürlich ein Ehrentitel - und hat nichts mit dem Alter zu tun.

Süddeutsche.de: Warum, glauben Sie, wurde Ihnen der Titel vom Gemeinderat verliehen?

Adam: Bodenmais war eine Gemeinde mit einer der höchsten Pro-Kopf-Verschuldungen Bayerns und die Tourismuszahlen waren massiv nach unten gegangen. Ich konnte in den drei Jahren im Amt dazu beitragen, das Schiff wieder auf Kurs zu bekommen. Das hat der Gemeinderat offenbar gesehen.

Süddeutsche.de: Sie sind immer der Jüngste - nervt das nicht manchmal?

Adam: Bei der Auszeichnung als Altbürgermeister kommt das mit dem Alter natürlich wieder hoch. Doch im Alltag merke ich das meist gar nicht. Die Kollegen sagen: "Du bist gewählt worden, du bist einer von uns." Es wird auf Augenhöhe diskutiert. Ausreden nach dem Motto, der kann es ja nicht besser, der ist ja noch so jung, helfen einem nicht. Ich habe keinen Nachteil, dass ich jünger bin, aber auch keinen Vorteil. An 364 Tagen im Jahr ist mein Alter kein Thema.

Süddeutsche.de: In der Presse allerdings schon. Sie werden oft - auch von Süddeutsche.de - mit den Attributen versehen: Ein erfolgreicher Politiker in Bayern, der jung, sozialdemokratisch, schwul - und dann auch noch evangelisch ist ...

Adam: Überregional wird es immer an diesen Attributen hochgezogen, vor Ort interessiert das aber niemanden. Unsere Lokalpresse schreibt mittlerweile darüber aus Prinzip nicht mehr. Ich glaube, dass die Medienresonanz nach der Bürgermeisterwahl den Bodenmaisern aber sogar gutgetan hat. Sie dachten sich: "Da seht ihr! So läuft das im Bayerischen Wald - so hinterwäldlerisch und 30 Jahre zurückgeblieben, wie ihr euch das vorstellt, sind wir gar nicht!"

Süddeutsche.de: Wie erklären Sie sich Ihre rasante Karriere?

Adam: Planen kann man so etwas nicht, sonst würde man es sowieso nicht hinbekommen. Es geht nicht nur darum, dass man hart für seine Ziele arbeitet, sondern auch, dass man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.

Süddeutsche.de: Was machen Sie anders als ältere Kollegen?

2011 wurde er der jüngste Landrat Deutschlands: Michael Adam feiert nach seinem Wahlsieg in Regen. (Foto: dapd)

Adam: Die Themen in der Kommunalpolitik sind immer ähnlich - egal ob ein Politiker jung oder alt ist. Aber ich habe einen anderen Stil. Ich bin bei Facebook - und das nicht nur alibimäßig. Die Kontaktaufnahme zu mir ist viel einfacher als zu manchen älteren Kollegen. Für Bürger gehört Mut dazu und ein langer Atem, sich wegen eines kleinen Anliegens an das Landratsamt zu wenden und womöglich Wochen lang auf eine Antwort zu warten. Das ist bei mir unkomplizierter und das schätzen vor allem junge Leute.

Süddeutsche.de: Hier liegt also ein großer Verbesserungsbedarf bei Ihrer Partei?

Adam: Wenn ich zurückdenke an die Zeit, als ich der SPD beigetreten bin: Ich bekam damals ein Schreiben, dass ich dem und dem Ortsverein zugeteilt bin und der Ortsvorsitzende sich bei mir melden wird. Doch da warte ich bis heute drauf. Dieses Problem haben aber alle Parteien. Sie wollen junge Leute, doch mit der Einbindung ist es schwierig. Das ist eine verfahrene Situation.

Süddeutsche.de: Ist Christian Ude mit seinen 64 Jahren dann nicht der falsche Kandidat der SPD für die Landtagswahl 2013?

Adam: Nein. Es gibt Leute, die können mit 60 nichts, und es gibt Leute, die können mit 23 nichts - und umgekehrt. Christian Ude hat der Bayern-SPD, die über die Jahre ein bisschen zu einer älteren Tante geworden ist, wieder neuen Schwung eingehaucht. Plötzlich herrscht hier wieder Aufbruchsstimmung, auch wenn sich das in den Umfragen noch widerspiegeln muss. Ude löst etwas aus, das ich als Euphorie beschreiben würde. Als er mich bei einer Kundgebung im Wahlkampf unterstützte, haben auch ältere Genossen danach gemeint: "Das war der schönste Abend, seit Willy Brandt hier in Regen war."

Süddeutsche.de: Hat Ude schon angefragt, ob er für Sie einen Platz in seinem Schattenkabinett freihalten soll?

Adam: Wir stehen im engen Kontakt. Aber ich habe mich für das Amt des Landrats entschieden. Da können Sie in zwei, drei Jahren nicht so viel bewegen wie in einer Gemeinde - und ich möchte nicht in die Geschichte eingehen, als derjenige, der nie etwas fertig bekommen hat. Altbürgermeister und Altlandrat in einer Legislaturperiode - das geht einfach nicht. In der Bayern-SPD finden sich genug geeignete Leute für Minister- und Staatssekretär-Ämter.

Süddeutsche.de: Mit 17 haben Sie mal gesagt, Sie würden gerne Bundeskanzler werden. Gilt das auch mit 27 noch?

Adam: Bundeskanzler kann für die SPD jeder werden, bayerischer Ministerpräsident ist da viel schwieriger ( lacht). Das wäre schon eine Nummer. Ich habe ja noch genug Zeit.

Süddeutsche.de: Streben Sie eine ähnlich lange politische Karriere an wie Helmut Schmidt?

Adam: Ich spüre keinen Druck, ich habe ja noch viele Jahre bis zur Rente. Deswegen muss ich mich nicht von Legislaturperiode zu Legislaturperiode hangeln und denken: "Mein Leben ist morgen vorbei, wenn ich nicht mehr gewählt werde." Es wäre auch ganz schön traurig, wenn ich mir das 40 Jahre denken müsste.

Süddeutsche.de: Was würden Sie dann machen?

Adam: Ich kann mir durchaus einen Job in der freien Wirtschaft vorstellen. Vielleicht werde ich Lobbyist ( lacht). Früher wollte ich immer in den Auswärtigen Dienst gehen. Doch um mich nach der Zeit als Landrat für eine Diplomatenlaufbahn zu bewerben, bin ich zu alt.

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