Äthiopischer Asylbewerber:Im vierten Anlauf angekommen

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Fleißiger Student: Felleke Bahiru Kum in seinem Regensburger Wohnheimzimmer. Neben dem Lernen engagiert er sich für andere Flüchtlinge. (Foto: Uwe Moosburger/altrofoto)
  • Felleke Bahiru Kum aus Äthiopien hat mehrere Abschiebungsversuche aus Deutschland hinter sich.
  • Er gehört der afrikanischen Volksgruppe der Oromo an und war der Zentralregierung unbequem geworden.
  • Nun ist er legal in Deutschland und studiert in Regensburg - mit 41 Jahren.

Von Dietrich Mittler, München

Felleke Bahiru Kum ist ein Individualist. Folglich war auch der Anlass, nach Deutschland zu kommen, ein individueller: Er hatte Heimweh. Aber nicht nach Deutschland, das er damals noch gar nicht kannte. Er gehört der afrikanischen Volksgruppe der Oromo an, die sich zum Teil noch immer der äthiopischen Zentralregierung widersetzt. In der Folge blutiger Wirren hatte sich Bahiru Kum, damals noch Leiter eines regionalen Gesundheitsamtes, nach Holland abgesetzt. Dort saß er allein in Amsterdam und fand keine Landsleute. Eines Tages jedoch hörte er plötzlich auf der Straße einen Mann in seiner Muttersprache singen. "Er hat mir gesagt, er lebe in Deutschland, und da gäbe es viele Oromos." Bahiru Kum ging also nach Deutschland und beantragte Asyl.

Bei der Prüfung des Antrags kam er ausführlich darauf zu sprechen, warum er aus Äthiopien fort musste. Der Zentralregierung sei er unbequem geworden, nachdem er, der Oromo, als Leiter des Gesundheitsamtes auf gravierende Missstände aufmerksam gemacht hatte. Am Ende war die Situation für ihn offenbar so bedrohlich, dass er um Leib und Leben bangte. Felleke Bahiru Kum verließ die Heimat, wiederum auf eine sehr individuelle Weise: "Das war ganz bequem, mit dem Flugzeug. Ich hatte durch meine Arbeit viele Kontakte nach Europa und war einfach der Einladung eines holländischen Instituts gefolgt", sagt er.

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Es gab mehrere Abschiebungsversuche

So einfach diese Flucht auch begann, so schwer verliefen für ihn die kommenden Jahre in Deutschland. Bahiru Kums Asylantrag wurde abgelehnt. 2006 gab es mehrere Abschiebungsversuche. Der erste scheiterte daran, dass die dafür notwendigen Dokumente aus Äthiopien nicht eintrafen. Beim zweiten saß Bahiru Kum bereits im Flugzeug nach Äthiopien. "Da habe ich verlangt, mit dem Piloten zu sprechen", erzählt er. Daraufhin hätten begleitende Beamte der Bundespolizei versucht, ihn am Sprechen zu hindern. Offenbar so massiv, dass das Bordpersonal selbst den Piloten informierte. "Der hat uns dann allesamt aus der Maschine geworfen", sagt der 41-Jährige, "und das war mein Glück. In Äthiopien wäre ich wahrscheinlich erschossen worden." Auch beim dritten Mal spielte der Pilot bei der Abschiebung nicht mit.

Kurz darauf saß Felleke Bahiru Kum erneut in Abschiebehaft, als ein Beamter hereinkam und ihm beschied, er solle gehen. Er werde nicht mehr aus Deutschland abgeschoben. Offenbar war den Behörden nun doch klar geworden, dass der Äthiopier bei seiner Rückkehr in die Heimat noch am Flughafen verhaftet worden wäre - mit sehr ungewissem Ausgang. Nun aber war es Bahiru Kum, der erst einmal verwirrt sitzen blieb und sagte: "Ich soll doch abgeschoben werden." Die anderen in der Zelle intervenierten: "Mensch, du hast uns doch immer erzählt, dass Gott dir beisteht. Jetzt geh!" Und so ging er - in die Freiheit.

Erfahrungen als Flüchtling weitergeben

Felleke Bahiru Kum studiert mittlerweile im fünften Semester in Regensburg Medizintechnik. Er sagt, er wolle etwas lernen, "was für die Menschheit gut ist". Das Studium nimmt einen Großteil seines Lebens ein, sodass er, wie er eingesteht, von Regensburg noch nicht sehr viel gesehen hat: "Ich weiß nicht, was links und rechts liegt, und wenn ich mich zu weit weg von den gewohnten Wegen entferne, dann bin ich verloren." Bahiru Kum hat dennoch in Bayern Freunde gefunden. Es sind hauptsächlich Menschen, die sich für Asylbewerber einsetzen. Dieser Arbeit fühlt sich auch der 41-Jährige verpflichtet. "Ich muss mich einfach für Flüchtlinge engagieren, ich habe so viel an Erfahrung weiterzugeben", sagt er.

Dass Deutschland für ihn nun doch zur Heimat wird, kann sich Bahiru Kum inzwischen gut vorstellen, aus zwei Gründen. Der erste ist profan: "Ich möchte nicht wieder bei null anfangen", sagt er. Der zweite Grund geht tiefer: Dieses Land habe sich verändert, es sei jetzt offener für die Nöte und Belange der Flüchtlinge. "Das ist ein gutes Zeichen, das freut mich so sehr", sagt er, "denn zu meiner Zeit als Asylbewerber hatte ein Flüchtling überhaupt keine Ansprüche auf irgendetwas." Inzwischen hätten Asylbewerber aber das Recht, ohne Angst mitzureden. Verbitterung über die vielen Jahre, in denen er weder arbeiten noch Deutschkurse besuchen durfte, spürt Felleke Bahiru Kum dennoch nicht. In dieser Zeit sei er als Mensch gewachsen. "Wir haben gekämpft, und es war nicht umsonst", sagt er.

© SZ vom 26.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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