Privatschule:Nichts gelernt

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Regierung schließt die Sudbury Schule am Ammersee, Eltern und Kinder demonstrieren dagegen in München

Von Anna Günther, München

Lernen sollen Kinder fürs Leben, nicht für die Schule. Darauf können sich in Bayern alle einigen, die mit Bildung zu tun haben. Die 1336 Privatschulen dürfen dabei etwas freier agieren und probieren Konzepte aus, doch auch sie müssen sich ans bayerische Schulgesetz halten. Das Konzept der Sudbury Schule in Ludenhausen am Ammersee ging der Regierung von Oberbayern nun zu weit. Sie verlängerte die auf zwei Jahre befristete Genehmigung der Sudbury Schule nicht. Das Verwaltungsgericht München bestätigte die Entscheidung am Freitag. Der Schulträgerverein kritisierte die kurzfristige Entscheidung der Behörden scharf und wollte die Schule unbeeindruckt trotzdem öffnen. Erst am Abend vor Schulanfang wurden die Eltern darüber informiert, dass die Schule geschlossen sei - die Regierung von Oberbayern hatte 10 000 Euro Strafe angedroht. Trotzdem demonstrierten Eltern, Lehrer und Schüler am Dienstag mit Plakaten und Megafon vor dem Kultusministerium. Die für die Schulaufsicht von Grund- und Mittelschulen zuständige Regierung ist zehn Spazierminuten entfernt.

Private Ersatzschulen müssen nachweisen, dass sie auch mit ihren Methoden die Lernziele öffentlicher Schulen erreichen. Leistungen mit Noten oder Beurteilungen zu bewerten, lehnt die aus den USA stammende Sudbury-Bewegung aber ab. Die Schule nennt sich "demokratisch", Kinder bestimmen selbst, was sie wann lernen wollen. Alle Entscheidungen erfolgen demokratisch, einen Lehrplan gibt es nicht, Lehrer heißen Mitarbeiter und helfen, wenn Schüler das wünschen. Alles ist Angebot, nichts Pflicht. Nicht die Angst vor schlechten Noten soll die Jugendlichen antreiben, sondern Neugier und das Bedürfnis dazuzugehören. Schulregeln und Verstöße beraten Schüler und Lehrer gemeinsam.

Die Sudbury Schule ist seit 2014 im alten Schulhaus in Ludenhausen, einem Ortsteil der Verwaltungsgemeinschaft Reichling, untergekommen. Wegen des Schulkonzepts seien Familien sogar aus Norddeutschland hergezogen, sagt Margit Horner-Spindler (CSU). Die Bürgermeisterin der Verwaltungsgemeinschaft Reichling, zu der Ludenhausen gehört, hatte sich 2014 für die Schule eingesetzt und bedauert die Schließung. "So verschieden Kinder sind, so verschieden sollten Schulen sein, das ist doch eine Bereicherung."

Aus Sicht der Regierung von Oberbayern konnte das Team der Sudbury Schule nicht nachweisen, dass ihre Schüler genug lernen. Daran war aber die Verlängerung der befristeten Genehmigung gebunden. "Wir haben in den zwei Jahren ganz was anderes gesehen. Schüler, auch solche, die an ihren vorherigen Schulen große Probleme hatten, kommen zu sich, entwickeln wieder Freude am Lernen und lernen aus dieser Motivation heraus unglaublich viel", entgegnet Schulgründerin Gerlinde Rüdinger-Wagner. Sie und ihr Team fühlen sich grundsätzlich angegriffen. Nach einem Unterrichtsbesuch der Schulaufsicht im April erteilten sie den Beamten Hausverbot. Die Schließung der Schule sei ein "Aufbäumen des Machtapparates gegen neue Wege der Bildung". Die Freude der Kinder auf den ersten Schultag in der Sudbury Schule sei Bestätigung, und "vielleicht sind es ja auch solche Aussagen, die der Regierung Angst machen". Rüdinger-Wagner beruft sich auf Artikel 131 der bayerischen Verfassung, nach dem Schulen auch "Herz und Charakter bilden" sollen.

So überraschend wie von Sudbury dargestellt, kam die Entscheidung der Regierung offenbar nicht: "Seit März 2015 gab es vielfältige und zeitintensive Besprechungen mit dem Schulträger", sagte eine Regierungssprecherin. Bereits im April 2016 habe man angekündigt, dass die Genehmigung nicht verlängert wird, wenn die Verantwortlichen die Bedingungen nicht erfüllen. "Ergebnis eines letzten Krisengespräches am 15. Juni war, dass der Schulträger sich weder in der Lage sah, noch Bereitschaft zeigte, einen Nachweis des Lernstandes zu erbringen."

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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