Testflug der Bombardier C-Serie:Bombardier könnte Airbus und Boeing gefährlich werden

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Bisher wurden 325 Exemplare der neuen Bombardier C-Serie bestellt. (Foto: Andreas Spaeth)

Noch verspottet die Konkurrenz die neue C-Serie als "niedliches kleines Flugzeug". Doch Bombardiers Konzept mit viel Platz und Komfort könnte funktionieren.

Von Andreas Spaeth

Nahezu alle Flugzeuge, die heute im Kurz- und Mittelstreckenverkehr unterwegs sind, verfügen über zwei Triebwerke. Wer als Passagier aus dem Fenster schaut und unter den Tragflächen je eine Turbine sieht, kann sich ziemlich sicher sein, in einem Airbus der A320-Familie oder einer Boeing der 737-Familie zu sitzen. Mehr als 12 000 dieser beiden Brot-und-Butter-Flugzeuge sind weltweit unterwegs. Doch wirklich neu sind sie nicht: Das Ur-Konzept der Boeing 737 stammt aus den 1960er-Jahren, jenes der A320 aus den 1980er-Jahren.

Noch heute sind beide Maschinen Bestseller und sorgen für die Haupteinnahmen der Hersteller, die sie mit immer neuen Versionen auf modern trimmen. Verständlich also, dass die Luftfahrtgiganten Airbus und Boeing ihr einträgliches Duopol gern bewahren möchten und alles infrage stellen, was ihnen dabei in die Quere kommen könnte. Auf dem Markt der Langstreckenjets wird ihnen vermutlich niemand das Wasser reichen, nicht einmal auf längere Sicht.

Erster Linienflug am 15. Juli

Allerdings: Im Segment der 100- bis 149-Sitzer, dessen Volumen in den nächsten 20 Jahren auf mehr als 19 000 Jets geschätzt wird, könnte es jetzt Konkurrenz geben. Zum Beispiel durch den ersten wirklich neuen Passagierjet in der Klasse von 110 bis 160 Passagiersitzen seit Jahrzehnten. Die C-Serie des kanadischen Herstellers Bombardier soll, so hofft man in Montréal, in diesem Segment mehr als die Hälfte der Nachfrage abdecken.

Während Airbus und Boeing behaupten, es gäbe nicht genügend technische Fortschritte, die den zweistelligen Milliardenbetrag einer Neuentwicklung für sie rechtfertigen würden, sind die Kanadier nach vielen Verzögerungen bereits startklar. Am 15. Juli wird die Lufthansa-Tochter Swiss erstmals eine 125-sitzige CS100 von Bombardier auf einem Linienflug von Zürich nach Paris einsetzen. Damit löst Swiss die alten vierstrahligen Avro-Jets ab, die sie bisher brauchte, um Flughäfen mit kurzen Pisten wie London City oder Lugano anfliegen zu können. Die Fluggesellschaft Air Baltic wird vom Herbst an als Erstbetreiber die größere CS300 mit 148 Sitzen ebenfalls auf Europastrecken einsetzen.

Bombardier muss Vertrauen aufbauen

Was erwartet die Fluggäste? Die SZ war auf dem ersten Flug mit Passagieren von Dublin nach Zürich mit dabei. An Bord waren auch viele Airline-Chefs, auch Carsten Spohr von der Lufthansa gehörte dazu.

Nachdem Airbus-Verkaufschef John Leahy die C-Serie nur Tage zuvor als "das niedliche kleine Flugzeug" abqualifiziert hatte, nennt Bombardier diesen Sonderflug zu Recht "den wichtigsten Start in der Geschichte der C-Serie". Bombardier muss Vertrauen in sein neues Produkt aufbauen, um mehr Abnehmer zu finden. Bisher sind gerade mal 325 Stück bestellt, der Verkauf lief eher schleppend an, trotz eines Großauftrags des US-Riesen Delta Air Lines über 75 Exemplare. Der Flug wurde vom fünften Testflugzeug durchgeführt, das bereits vor einem Jahr auf der Pariser Luftfahrtschau gezeigt worden war.

Mit 118 Sitzen in einer Einheitsbestuhlung ausgestattet, verfügt diese Maschine noch nicht über das Swiss-Kabinenprodukt mit den Sitzen des deutschen Herstellers ZIM. Was sofort auffällt, ist die Diskrepanz zwischen dem recht kompakten Aussehen des Flugzeugs - von außen erscheint es fast wie ein Regionaljet - und seinem großzügigen Interieur im Stil eines Großraumflugzeugs. Die C-Serie bietet fünf Sitze je Reihe: zwei links, drei rechts. Das unterscheidet das Bombardier-Konzept von der 2-2-Konfiguration der schmaleren brasilianischen Embraer-Jets, die etwa Lufthansa ab München einsetzt, oder der Auslegung bei Airbus und Boeing, jeweils mit 3-3-Bestuhlung. Die Kanadier ermöglichen es daher 80 Prozent aller Passagiere, einen der beliebten Fenster- oder Gangplätze zu buchen.

Die Kabinenbreite der C-Serie misst großzügige 3,28 Meter, während eine A320 mit einem weiteren Sitz auf 3,70 Meter kommt. Daraus resultieren recht kommode Sitze mit einer Breite von 47 und sogar 48 Zentimetern für die Mittelreihe, während ein Platz in der A320 üblicherweise nur 43 bis 46 Zentimeter misst. Die Business Class in Bombardiers C-Serie ist in 2-2-Anordnung vorgesehen, mit 51 Zentimeter breiten Sitzen.

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Viel Platz in den Handgepäckfächern

Mit ihrer Ganghöhe von 2,11 Metern und geräumigen Handgepäckfächern ist es kein Wunder, dass sich die Kabine der C-Serie eher anfühlt wie in einem Großraumflugzeug. Der Platz in den Fächern ist pro Insasse der größte in einem Mittelstreckenjet und so bemessen, dass jeder Passagier einen Rollkoffer mit an Bord bringen und durch die weit nach unten öffnenden Klappen auch leicht verstauen kann.

Das Anlassen und Hochfahren der beiden Pratt & Whitney-Triebwerke mit dem neuen Getriebefan-Antrieb, an dem der Münchner Hersteller MTU beteiligt ist, zeigt bereits, wie extrem leise die Motoren sind. Sogar beim Start sind sie innen nur wenig lauter als die unschlagbar geräuscharme A380-Kabine. "Es ist hier sogar zwei Dezibel leiser als in unserer neuen A320neo", sagt Lufthansa-Chef Carsten Spohr.

Prädestiniert für Flughäfen mit kurzen Bahnen

Mit etwa 100 Passagieren auf diesem Sonderflug weist das Flugzeug die bisher höchste Auslastung auf, viele Reihen sind voll besetzt. Sogar im hinteren Teil der Kabine fühlen sich die Sitze geräumiger an als an gleicher Stelle in der Lufthansa A320neo, in der nur 74 Zentimeter Sitzabstand herrschen. Bombardier wirbt damit, dass 120 Sitze im Standard-Einklassen-Layout 81 Zentimeter Abstand bieten, bei Swiss werden es 76 Zentimeter sein.

Der Start verläuft sehr steil, Testpilot Esteban Arias zieht die Maschine schnell hoch und zeigt dabei ihre Kraftreserven, selbst auf einem ziemlich vollen Flug. Später erklärt er im Cockpit, dass genau diese Reserven es der C-Serie ermöglichen, von Flughäfen mit kurzen Bahnen wie London City zu starten. Auf diesem Flug wird außerdem deutlich, wie viel Licht durch die großen Fenster in die Kabine einfällt. Sie sind volle 50 Prozent größer als in der A320, wie Bombardier an Bord mittels eines Aufklebers deutlich zeigt. Damit greifen auch die Kanadier die Möglichkeiten auf, die neue Werkstoffe wie CFK-Kohlefaser und Aluminium-Lithium bieten, aus denen die C-Serie zu 70 Prozent besteht. Auch Airbus und Boeing nutzen dies in ihren neuen Langstreckenjets A350 und 787, die ebenfalls viel größere Fenster aufweisen als ältere Modelle.

Der Mittelgang in der C-Serie ist mit 51 Zentimetern der breiteste in einem Zweistrahler, damit geht das Aus- und Einsteigen schneller. Nachdem Sonderflug BBA 505 die Reiseflughöhe erreicht hat, erklärt Rob Dewar, Bombardiers Programmchef, dass das Flugzeug 3300 nautische Meilen, fast 6000 Kilometer Reichweite hat. "Das wäre genug, um nonstop von Dublin nach Montréal zu fliegen, und das ist auch, wohin wir heute fliegen", scherzt er. Dann erklärt er, dass die tatsächliche Reise nach Zürich in einer Stunde und 50 Minuten Flugzeit weniger als 2900 Kilogramm Treibstoff verbrauche, "das sind etwa 35 Prozent weniger, als ein Zweistrahler von Airbus oder Boeing brauchen würde".

Nach einem üppigen Mahl mit drei warmen Hauptgerichten zur Auswahl, bei dem die Flugbegleiterinnen Mühe haben, alle Passagiere rechtzeitig zu bedienen, leitet die Maschine bereits den Sinkflug auf Zürich ein. Der erste Flug der C-Serie mit Nicht-Werksangehörigen von Bombardier scheint im Kreis der Airline-Bosse gut anzukommen. "Dieses Flugzeug ist perfekt für uns, vor allem für längere Routen mit geringerem Passagieraufkommen", sagt Calin Rovinescu, Chef von Air Canada, der gerade 45 Exemplare geordert hat.

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Riesensprung beim Komfort

Auch die Lufthansa sieht sich bestätigt, dass ihre Entscheidung, als erste Gesellschaft bereits 2009 die C-Serie zu bestellen, richtig war, auch wenn durch Rückschläge und Verzögerungen bereits Zweifel in der Branche aufgekommen waren, ob die Kanadier die Aufgabe stemmen können. "Schon vor zehn Jahren war uns klar, dass es Zeit für einen dritten Wettbewerber im Markt der Flugzeuge mit einem Mittelgang ist", sagt Lufthansa-Chef Carsten Spohr.

Eins ist sicher - Passagiere von Swiss und Air Baltic, die die C-Serie in Kürze als erste erleben können, erwartet ein Riesensprung in Bezug auf den Komfort im ersten von Grund auf neuen Jet dieser Klasse, den die Welt in vielen Jahren gesehen hat. Denn das "niedliche" Flugzeug ist in Wirklichkeit gar nicht mehr klein - sobald man es von innen erlebt hat.

© SZ vom 11.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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