Test BMW 745e:Segeln statt rasen

BMW 745Le xDrive

Wuchtig und umstritten: Am neuen 745e fällt vor allem die übergroß gestaltete BMW-Niere an der Front auf.

(Foto: Daniel Kraus/BMW AG)

Der neue BMW 745e Plug-in-Hybrid erzieht den Fahrer auf eine sehr subtile Weise dazu, die doch recht kräftige Leistung des Autos so schonend wie möglich einzusetzen.

Von Georg Kacher

Die Kombination aus brummigem Vierzylinder und flüsterleisem E-Motor hat bislang in keinem Auto überzeugt - weder im Audi A8, noch im Range Rover und auch nicht im BMW 7er. Deshalb haben die Münchner zur Produktaufwertung die E-Maschine mit einem Sechszylinder kombiniert, so wie Mercedes das in der S-Klasse seit fast fünf Jahren tut. Im neuen 745e teilen sich der Drei-Liter-Reihensechszylinder mit 286 PS und ein 113 PS starker Elektromotor die Arbeit. In Summe stehen damit 394 PS und 600 Newtonmeter (Nm) Drehmoment zur Verfügung. Mit 2,1 Liter auf 100 Kilometer und 14,5 kWh liegt der Verbrauch im wahrsten Sinne des Wortes im grünen Bereich - allerdings nur auf dem Papier. Denn sobald der 12-kWh-Akku nach spätestens 55 emissionsfreien Kilometern leer gefahren ist, übernimmt der Turbomotor. Der kann zwar die Rekuperationsleistung von maximal 20 kW auf Knopfdruck durch gezieltes Nachladen unterstützen, muss sich aber mit einem unnötig kleinen 46-Liter-Tank bescheiden.

Überholspur-Abonnenten und Ampel-Blitzstarter sind mit dem neu ins Programm aufgenommenen 750i (530 PS/750 Newtonmeter) deutlich besser bedient. Warum? Weil Plug-in-Hybrid (PHEV)-Fahren eine bestimmte Geisteshaltung voraussetzt - defensiv statt gehetzt, umweltbewusst statt aggressiv, auf Segeln und Reichweite gepolt statt auf frühes Beschleunigen und spätes Bremsen. Der 745e erzieht auf subtile und trotzdem nachhaltige Weise zum Umdenken. Das hybrid-spezifische Start-Stopp-System kommt schon früh zur Sache, die vorausschauend aktivierte Segelfunktion verwandelt die 2110 Kilogramm schwere Limousine bei jeder Gelegenheit in einen souveränen Gleiter, die Nebenaggregate werden nur bei Bedarf zugeschaltet, die aktive Luftklappensteuerung sorgt für konstantes thermisches Wohlbefinden, die Reifen wurden auf reduzierten Rollwiderstand getrimmt.

Im rein elektrischen Betrieb beschleunigt der 745e zwar fast ansatzlos und geräuscharm, aber die Reichweite verfällt selbst dann zügig, wenn man die technisch mögliche Höchstgeschwindigkeit von 140 Kilometer pro Stunde nicht voll ausreizt. Das Leerfahren der Batterie wird im günstigsten Fall mit einer Ladedauer von 4,4 Stunden bestraft. Das waren die schlechten Nachrichten. Die gute Nachricht betrifft die rundum perfekte Integration der Systeme - nur dass die Segelei auf den Eco-Pro-Modus beschränkt ist, will nicht so recht einleuchten. Das Zuschalten und Ausblenden der E-Maschine erfolgt dagegen nahtlos und damit unmerklich. Gleichzeitig arbeitet der Sechszylinder um eine Klasse leiser und vibrationsärmer als das zuvor verbaute Zwei-Liter-Aggregat. Auch vor den Fahrleistungen darf man den Hut ziehen: Der kurze 745e ohne xDrive-Allradantrieb spurtet in 5,2 Sekunden von Null auf Tempo 100 und wird erst bei 250 km/h elektronisch eingebremst.

Peter Henrich, Leiter Produktmanagement bei BMW, erklärt, warum der facegeliftete 7er so aussieht, wie er aussieht. "Der Löwenanteil der 7er-Reihe geht nach China, wo die Kunden Wert legen auf ein expressives Design mit hohem Prestigefaktor. Ähnliches gilt für Nordamerika, dem zweitgrößten Markt für dieses Modell. Der 7er-Anteil in Deutschland liegt dagegen unter zehn Prozent. Wer sich hier für unser Auto entscheidet, der will explizit keine S-Klasse. Deshalb ist eine noch deutlichere Differenzierung bestimmt kein Fehler." Mag sein - nach dem X7 war die BMW-Fangemeinde ohnehin auf das Schlimmste gefasst. Kontrovers geht es auch im Innenraum zu, wo die Flut der Knöpfe, Tasten, Drehregler und Touchflächen rasch die Frage aufkeimen lässt, warum des Menschen Hand nur fünf Finger hat und warum wir nicht mit einem dritten Auge den Verkehr beobachten können, während die anderen beiden Augen durch das vielschichtige Menü scrollen. Hilfe in der Not verspricht die stark verbesserte Sprachbedienung, die inzwischen auch komplexe Inhalte zuverlässig verarbeitet.

Bei niedrigem Tempo steckt er Kanaldeckel oder Bahnübergänge leider nicht geschmeidig weg

Mit der Kombination aus Allradlenkung und Allradantrieb ist der dann mindestens 109 800 Euro teure 745Le beinahe so wendig wie ein 5er, mit dem Innovationspaket (3600 Euro) kann er teilautonom fahren, mit dem Parkpaket (510 Euro) kann man aus verschiedenen Blickwinkeln dabei zuschauen, wie der große BMW die letzten 50 Meter bei Bedarf vollautomatisch wieder zurückspult. Leider können weder der 750i noch der 745e bei niedriger Geschwindigkeit kurze Anregungen wie Kanaldeckel oder Bahnübergänge geschmeidig wegstecken. Speziell für das PHEV-Derivat wäre außerdem zumindest in Eco Pro eine komfortablere Abstimmung des luftgefederten Adaptiv-Fahrwerks eine feine Sache. Auch ohne Sportbremse (ab 225 Euro) verzögert der Wagen prompt und nachhaltig. Die Lenkung gibt sich um die Mittellage anfangs gefühlsneutral, aber daran gewöhnt man sich fast genauso schnell wie an den relativ frühen ESP-Eingriff.

Hinweis der Redaktion

Ein Teil der im "Mobilen Leben" vorgestellten Produkte wurde der Redaktion von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen Journalisten eingeladen wurden.

Der 745e ist ein stimmiger Kompromiss für Menschen mit Ladedisziplin und einer sehr entspannten Einstellung zum Abrufen der durchaus vorhandenen Leistung. Die elektrische Reichweite muss jeder Nutzer mit sich selbst verhandeln, aber falls eines Tages die Einfahrtbeschränkung in große Städte per Geofencing überwacht werden sollte, dann schafft dieser PHEV-BMW ohne Tricksen auch die letzte Meile. Wem 50 Kilometer Elektro-Reichweite zu wenig sind und wer mehrheitlich auf Langstrecken unterwegs ist, der sollte sich stattdessen den 400 PS starken 750d xDrive näher ansehen, der nach WLTP nur 4,6 Liter auf 100 Kilometer schluckt. Mittelfristig wollen die Münchner einen Power-PHEV mit 60-kWh-Akku nachschieben, ehe 2022 der komplett neue 7er die Startfreigabe bekommt. Mit von der Partie ist dann als großer Bruder des i4 der ausschließlich mit Strom betriebene i7.

Das Fahrzeug wurde der Redaktion im Rahmen des Tests vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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