Privatyacht Sea Cloud:Königin der Meere

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Die "Sea Cloud", einst die größte und luxuriöseste Privatyacht der Welt und zwischendurch auch im Dienst der US-Marine, wird 80.

Martina Scherf

Man schreibt das Jahr 1931. In New York wird das Empire State Building eingeweiht, in Chicago landet der Gangsterboss Al Capone hinter Gittern, an den Kinos stehen die Menschen Schlange, um die "göttliche" Greta Garbo als Mata Hari zu bewundern.

Ein Schiff voller Legenden: Die Viermastbark diente den Mächtigen als gesellschaftliches Parkett. (Foto: N/A)

Und in Kiel läuft die Hussar II vom Stapel, noch so ein Superlativ: die spektakulärste private Segelyacht der Welt, ein Geschenk des Millionärs Edward Hutton an seine Frau Marjorie.

Es herrscht Wirtschaftskrise, in Deutschland sind die Löhne billig, daher lässt der Wall-Street-Banker die Viermast-Bark bei der Germaniawerft bauen. Als sie am 11. Dezember des Jahres vor dem New Yorker Yachtclub vor Anker geht, laufen die prominenten Schaulustigen zusammen wie Kinder auf dem Jahrmarkt von Coney Island. Eine solch extravagante Pracht haben selbst die Reichen der Ostküste noch auf keinem Schiff gesehen.

Marjorie Merriweather Post, die Beschenkte, war selbst Millionärin, Alleinerbin und seit ihrem 27. Lebensjahr Lenkerin eines der größten Lebensmittelkonzerne der USA. Und sie war eine Frau mit Geschmack, die nichts dem Zufall überließ.

An Land, in Brooklyn, ließ sie die Inneneinrichtung des Schiffs bis ins Detail aufbauen, bevor sie an Bord installiert wurde: Mahagoni in Salons, Kabinen und der Bibliothek, marmorne Badewannen und Kamine, weiß lackierte Wandvertäfelungen, goldene Wasserhähne in Schwanenform, Kronleuchter und Vitrinen mit edelstem Porzellan.

Die jungen New Yorker Konstrukteure von Gibbs&Cox hatten einen elegant geschwungenen Rumpf entworfen, der dennoch genug Platz für all die Spielereien ließ und nach Huttons Wünschen schwarz gestrichen wurde. Und sie verpassten ihrem Prachtstück ein mächtiges Viermast-Rigg, mit nur fünf Rahen an Fock- und Kreuzmast, was ihm mehr Leichtigkeit verlieh.

Auch die Technik war auf dem damals neuesten Stand: Vier Diesel-Elektroaggregate mit 3200 PS ließen die Hussar II alle Stürme mühelos überstehen und den Zeitplan des vielbeschäftigten Unternehmerpaares jederzeit einhalten. Von der Brücke aus zu bedienende Schotts teilten den Rumpf in abschließbare Kammern und verhinderten das Eindringen von zu viel Wasser im Falle eines Lecks. Dazu kam es zum Glück nie.

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Heute nimmt der Windjammer als eines der edelsten Kreuzfahrtschiffe der Welt betuchte Gäste an Bord. Vom Moment, in dem sie ihren Fuß auf die Decksplanken der lebenden Legende setzen, atmen sie den Hauch seiner Geschichte ein. Und wie einst die Prominenz aus Politik, Hochadel und Hochfinanz, lassen sie sich auch heute auf der Blauen Lagune, einem Diwan am Heck nieder, um dem Schauspiel des Segelsetzens beizuwohnen.

Müsli-Millionärin Marjorie Post sparte nicht an Mahagoni, Marmor und goldenen Wasserhähnen. (Foto: N/A)

Versunken in weiche Kissen, einen Cocktail in der Hand, beobachten sie dann, wie die Crew die Rahen entert und die Segel löst, wie dann vom Klüver bis zum Besan das weiße Tuch herunterrauscht und sich mit Wind füllt, bis die alte Lady in vollem Kleid unter der Sonne steht. Ein wahrlich majestätischer Anblick. Aus diesem Grund kommen viele Kunden immer wieder: Um den nostalgischen Glanz zu spüren, diese Mischung aus Luxus und Freiheit, die es so nur auf dem Meer gibt.

Wer es sich leisten kann, nächtigt dann in Marjories Himmelbett oder einer der anderen neun Originalkabinen. Nur das Porzellan der alten Lady hat der heutige Eigner Hermann Ebel gerettet und bewirtet daraus besondere Gäste zu Hause in Hamburg. Der Reeder (Hansa Treuhand) geht, so oft er kann, an Bord.

Und der Geist des Schiffes überträgt sich auch auf die Crew: Die meisten arbeiten seit Jahren hier, Hotelmanager Simon Kwinta gar sein halbes Leben. Nach dem Fünf-Gänge-Menü blättert Ebel im Familienalbum, das ihm Marjories Tochter, die Hollywood-Schauspielerin Dina Merrill, bei ihrem letzten Besuch vermacht hat. Sie verbrachte prägende Jahre ihrer Kindheit auf dem Schiff, umgeben von Bediensteten und berühmten Gästen.

Die Ehe ihrer Eltern hielt allerdings nicht lange. Marjorie ließ sich wegen seiner Affären von Edward scheiden (ihrem zweiten Mann) und heiratete den Anwalt Joseph Davies, der erst Berater von Präsident Wilson, dann Botschafter in Moskau wurde.

Ihr Steckenpferd behielt sie, ließ es in Sea Cloud umtaufen, den Rumpf weiß streichen und nach Leningrad verlegen, wo sie häufig Diplomaten einlud - wenn nötig, fuhr man für geheime Konsultationen auf die Baltische See hinaus oder kreuzte im Schwarzen Meer. Geld hatte nie eine Rolle gespielt.

Dann kam der Krieg, und die Zeit des unbeschwerten Segelns war vorbei. Als treue Patriotin stellte die Unternehmerin ihr Schiff in den Dienst der Marine, die das Rigg und die komplette Einrichtung entfernte, auslagerte und stattdessen Bordkanonen installierte. Es überstand U-Boot-Angriffe und diente bei der Landung der Alliierten in der Normandie als Versorgungsschiff.

Zwar ließ Marjorie ihre tapfere, aber schwer angeschlagene Yacht danach wieder herrichten. Dennoch sollte es ein Abschied für immer werden. Als auch ihre dritte Ehe zerbrach, suchte sie einen Käufer, und fand: Rafael Trujillo, den Diktator der Dominikanischen Republik. Dessen Familie feierte ausschweifende Feste in der Karibik oder mit dem Jetset in Kalifornien, und wollte auf ihrer Angelita vor der drohenden Revolution fliehen - vergebens. Trujillo wurde 1961 erschossen.

Jahrelang lag Angelita dann in Panama, vergessen und heruntergekommen, bis ein paar verrückte Hamburger Segler, darunter Freunde Ebels, sich in den Kopf setzten, sie unter abenteuerlichen Bedingungen nach Europa zu segeln und als Kreuzfahrtschiff auszubauen.

Sie ließen zwei Deckhäuser mit zusätzlichen, einfacheren Kabinen aufbauen und das edle Interieur aufpolieren. Es war dann allerdings Hermann Ebel, der das richtige Gespür fürs Kreuzfahrtbusiness hatte und sie zum Flaggschiff seiner Sea-Cloud- Cruises-Flotte machte.

Im kommenden Jahr wird die alte Dame 80. Damit sie sich zur Geburtstagsfeier Anfang Mai in Hamburg frisch und strahlend präsentieren kann, erhält sie in den Wintermonaten eine Rundum-Erneuerung.

In der MWB-Werft in Bremerhaven wird das Rigg generalüberholt, die Klimaanlage erneuert, Sprinkler- und Feuermeldeanlage und Crewkabinen den neuen Sicherheitsvorschriften angepasst.

Die hätten um ein Haar das Ende der Legende bedeutet. Doch nach langem Ringen fand sich eine Lösung, die Brandschutz garantiert und trotzdem das Holz und damit die Seele der Yacht erhält. Auch die jüngeren Passagierkabinen werden saniert, doch an dem Geist des Schiffes wird sich nichts ändern.

Marjorie, die sich übrigens noch ein viertes Mal scheiden ließ, und 1973 im Alter von 86 Jahren starb, hätte sicher noch heute ihre Freude daran.

© SZ vom 27.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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